Nataly von Eschstruth

Im Schellenhemd


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traf ihn des Knaben sprühender Blick: „Du bist des Ritters Sohn und darfst’s nicht leiden! Jene Männer dort sind nur Knechte, und lediglich, weil er ihnen schmeicheln will, heisst sie der Vater: Herren!“

      „Nicht doch, der Vogt ist ein Mann, dem auch ich gehorchen muss, bis ich ein Ritter bin. — Aber wart“ — und des Junkers Augen blitzten auf: „ich helf euch dennoch, so man euch übel will, und ich weiss auch wie!“

      „So werd ich’s dir danken mein Leben lang.“

      Dann schwieg Irregang. Er hob lächelnd den Kopf und schaute seiner Mutter fest und zuversichtlich in das Auge. Die ersten Messer sausten durch die Luft und bohrten sich dicht neben Zinkras Schläfen in das Holz. Der Griff zitterte noch momentan, dann haftete die Waffe so regungslos, wie das bleiche Weib, welches mit ausgebreiteten Armen, gleichwie ein Opfer am Marterpfahl, behangen mit buntem Gauklertand, an der Türe lehnte.

      Ihr Narrenkleid! — Jedes Zucken, jeder Pulsschlag von des Goykos Hand kann es zu ihrem Totenhemde machen.

      Und die Messer sausen pfeilschnell durch die Luft, mehr, immer mehr. — Mit hohlen Augen starrt ihnen Zinkra entgegen, keine Wimper zuckt in ihrem Angesicht, nur die Münz- und Perlketten zittern auf der schwer atmenden Brust.

      Das letzte Messer fliegt, splittert das Holz und sitzt fest in der Türe und langsam, wie eine Mondsüchtige tritt die Zigeunerin aus dem Strahlenkranz der Klingen herfür, wankt gegen Amadeus, sinkt in die Knie und hebt flehend die Hände zu ihm empor.

      Was will sie erbitten von ihm? Der Sieg ist ja auf ihres Mannes Seite, die Wette ist gewonnen, und Goykos, der Heimatlose, wirft mit hellem Triumphgeschrei seine Kappe in die Luft, stellt sich breitbeinig inmitten der Halle auf und weist nach der Türe, darauf die Messer blinken. Ein Zittern geht durch die Glieder des gehetzten Weibes, sie umschlingt krampfhaft die Knie des Vogtes: „Vergebt ihm, Herr, — er tat’s, um sein Leben zu retten!“ — stöhnt sie auf.

      Amadeus aber hört’s nicht. Er steht unbeweglich auf demselben Fleck denn zuvor; sein Angesicht ist blaurot gefärbt, die Augen rollen im Kopf und treffen mit furchtbarem Blick jenen Tollkühnen, welcher es gewagt hat, ihn zu übertrumpfen. Das war des Vogts Amadeus Punkt, da er sterblich ist, und just ihn hatte der Gaukler getroffen. — Nun Gnade ihm Gott. — Totenstill ward’s in der Halle.

      IV.

      Verloren hätt’ ich mein Wagnis, verloren an selben Lumpenkerl, der mit dem Satanas im Bund steht und mit behexten Messern wirft?“ keuchte Amadeus endlich, und drückte mit beiden Händen den Hut so gewaltig auf das Haupt, dass die Hahnenfedern knickten. „Ich frag euch beisammen, ob ich verloren hab’?!“

      „Gibt die Tür nicht Antwort darauf, edler Herr Ritter?“ höhnte Goykos; „an selber Tür steht’s mit zwölf haarscharfen Dolchen geschrieben, dass ich mir das Pferd verdient hab’!“ —

      Ein Murmeln ging durch die Reihen der Dienstbaren. Teils argwöhnisches Staunen über solch seltene Kunst, die wahrscheinlich mit dem bösen Feind Gemeinschaft zu haben schien, teils ein scheues Unbehagen bei dem Gedanken an das Pferd, über welches der Vogt doch allzu voreilig verfügt hatte.

      Die Lage war misslich und der Wein spukte in den erhitzten Köpfen. Keiner mochte eine Antwort auf des Amadeus Frage geben, und nur der Magister erhob sich mit seinem boshaften Lächeln, trommelte mit den Spinnenfingern auf der Tischplatte und rief mit krähender Stimme: „Hihi! Natürlich hast du deine Wette verloren, Vogt Amadeus! Der Gaukler hielt, was er versprach, und hat sich das Ross verdient! hihi! ich gönn’s ihm, das Ross, hihi!“

      Der Mann mit dem Federhut keuchte vor Wut.

      „Glaub’s wohl, dass dich Teufelslateiner solch ein Ding erfreut! Bist du’s doch gewesen, der mich zu solcher Narretei beredet hat, der mir’s in das Maul schob, um ein Pferd zu wetten! Nun magst du helfen, den Handel austragen, und von dem Brei, den du mir gerühret, sollst du jetzt die harten Brocken schlingen!“ — Und damit drang er auf den Magister ein, reckte den Arm hoch empor nach der Gurgel des Langen und stiess ihn gegen die Wand, dass es krachte.

      Mit derben Fäusten warf sich der Wildmeister dazwischen, dieweil Lambert, plötzlich wieder völlig ermuntert, mit behaglichem Lächeln die Arme kreuzte und murmelte: „Schad’, dass der Torwart kein Kettenhund ist, möcht’ sonst dem Hallunk von einem Skribenten in diesem Augenblick gern in die Beine fahren!“

      „Heda! Amadeus! Plaget dich der Böse, dass du dich um eines Landstreichers willen an dem hochgelahrten und wackern Magister vergreifst? Lass ihn aus, Mann! sonst möchte dir seine zerbrochene Hirnschale teurer zu stehen kommen, denn der Gaul, den du im Rausche verwettet!“

      „Sticht einen eine Bremse, so schlägt man sie tot, und sticht einen eine giftige Zunge, so reisst man sie dem Schandbub aus dem Halse!“

      „Hihi! .. so höret mich doch, liebwerter Herr Amadeus!“ — zeterte der Gewürgte, sich losreissend und hinter dem Hanno Deckung suchend, „wer sagt, dass ich Euch einen argen Rat gegeben? Dass ich nicht wohlweislich und mit Fürbedacht geredet? So Ihr mich fraget: „Wie soll der Gaukler seinen Willen haben, ohne dass es mich schädigt,“ ei, so werd’ ich Euch ein Wörtlein ins Ohr flüstern, das euch schon behagen wird!“

      Der Vogt zog die Arme zurück, wischte langsam mit dem Ärmel über die schweissperlende Stirn und bohrte die funkelnden Blicke drohend in das aschfarbene Gesicht des Sprechers. „Gott verdamm mich“ — grollte er — „wenn ich dich nicht in Stücke hau’, so du abermals eine Lüge gesagt! Gib mir ein Ross für den Zigeuner — — oder“ — — und dabei machte er Miene, abermals auf ihn einzudringen.

      Der gelehrte Beistand des Ritters Jossa krallte sich am Wildmeister fest und schob ihn als Schirmwehr noch breiter vor sich, mit freundlichstem Grinsen über die Schulter des vierschrötigen Mannes zu dem kleinen Gegner hernieder sprechend: „Gewiss, mein Herzbrüderlein, werde ich dir helfen! So du dich nur der feindseligen Miene begeben und mein Wort in Frieden hören willst!“ — und der Magister winkte die Mannen herzu, kicherte so boshaft, dass seine Augen nur wie zwei rote Striche aussahen, und flüsterte: „Wisset ihr nicht, lieben Freunde, dass fahrend Volk ein vogelfrei Geniste ist? Hat noch kein Mann sich jemals verantworten müssen, wenn er einem Zigeuner begegnet und ihn gleich wie einen Hasen oder Fuchs zu Schanden geschlagen hat! — Hihi! was schaut ihr so betroffen drein? Gedenket der ergötzlichen Mär, so uns der rühmliche Ardensis erzählet in seiner historia Comitum Ardensium et Ghisnensium, — so von dem Grafen Arnold von Ardres erzählet, der fahrend Volk hat aufgegriffen, es auszurotten und zu verderben. Aber nicht dahinaus will ich mit meinem Rate, will den Goykos nicht zum toten Manne machen, wiewohl es seine Unehrlichkeit und sein betrügerisch Spiel also verdient hätte! Aber einen Schelmstreich wollen wir aushecken und wollen den braunen Bursch ein Liedlein hoch zu Rosse pfeifen lassen, das nicht nach eitel Wohlbehagen klingen soll! Heda, Vogt! hast dem Galgenvogel ein Ross verheissen und musst dein Wort halten! Darum greifet den Hund von einem Possenreisser, so man „scurra“ nennet, führt ihn hinab in die Turmkammer und sattelt ihm das Rösslein Equeleus, und lasset ihn reiten, bis seine Beine lang genug sind! Hat er alsdann noch Lust, das Pferdlein mit sich zu führen, so schenket es ihm getrost, denn es ist die beste Mähre für Gesindel, dieweil sie nicht Heu noch Hafer braucht!“

      Ein brüllendes Gelächter erhob sich in der Halle, Amadeus taumelte dem Sprecher entgegen, umhalste und drückte ihn, nannte ihn eine Weisheitsleuchte und ein Bruderherz und lachte, dass ihm das Wasser in die stieren Augen trat. Und die Mannen schrieen wüst durcheinander und lobten solchen Streich, nur der Lambert schüttelte finster des Haupt und sprach: „Das ist ein teuflischer Rat und böse Sitte für ehrliche Gesellen! Der Goykos hat uns Kurzweil geschaffet; jaget ihn mit Weib und Kind über die Zugbrücke, aber foltert ihn nicht wie einen Bösewicht, der das Halsgericht verdienet!“

      Amadeus aber fuhr ihn mit zornigen Worten an, und der Lateiner schrie höhnisch: „So man den einen Hund prügelt, heulet der andere mit!

      Werfet den Schliesser hinaus, denn er ist trunken!“

      Da gab es noch ein kurzes, grimmiges Handeln, und Zinkra presste ihren Knaben an das Herz, brach nieder auf die Knie und