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Handbuch der Sprachminderheiten in Deutschland


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Eider als südliche Grenze) und bildet innerhalb von Schleswig-Holstein keine selbstständige Verwaltungseinheit. Administrativ ist es in die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg, die kreisfreie Stadt Flensburg und den nördlichen Teil des Kreises Rendsburg-Eckernförde gegliedert. Die dänische Minderheit lebt nicht geschlossen in diesem Gebiet, sondern gemischt mit der Mehrheitsbevölkerung. Da keine offizielle Registrierung der Angehörigen der Minderheit stattfindet, ist es schwierig, sie demographisch genau zu erfassen. Die kulturelle Hauptorganisation der Minderheit, der Sydslesvigsk Forening (SSF; ‚Südschleswigscher Verein‘; vgl. Kap. 3.4), ist in 72 Ortsverbänden (distrikter) und sieben Kreisen (amter) (Stand: Oktober 2019) organisiert und vermittelt einen recht guten Eindruck der Gebiete, in denen die Minderheit vertreten ist (s. Abb. 2). Der SSF umfasst die folgenden Struktureinheiten: die Stadt Flensborg/Flensburg; die Kreise Flensborg/Flensburg Land, Sydtønder/Südtondern, Husum, Gottorp/Gottorf, Ejdersted/Eiderstedt sowie Rendsborg/Rendsburg in einer Einheit mit Egernførde/Eckernförde.

      Abb. 2: Sydslesvigsk Forenings amter/Kreise des Südschleswigschen Vereins1

      2 Geschichte

      2.1 Die historische Entwicklung bis ins frühe 20. Jahrhundert

      Ursprünglich ein fester Bestandteil des dänischen Königreiches, wurde Schleswig im Laufe des 13. Jahrhunderts zu einem selbstständigen Herzogtum. Als Lehen war es bis 1864 mit Dänemark verbunden. Schleswig war ein mehrsprachiges Herzogtum, in dem Dänen, Deutsche und Friesen lebten. Als sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch die ideologische Entwicklung des Nationalgedankens auszuwirken begann, führte dies zu Konflikten darüber, ob Reichsdänisch oder Deutsch Kirchensprache, Rechtssprache und Schulsprache in Teilen Südschleswigs sein sollte. In Verbindung mit weiteren Faktoren führte die Entwicklung schließlich zu den Schleswigschen bzw. Dänisch-Deutschen Kriegen von 1848–50 und 1864, die mit der Niederlage Dänemarks endeten; in der Folge fielen 1864 die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen. Hochdeutsch wurde als Schul- und Verwaltungssprache in ganz Schleswig eingeführt. Kirchensprache war Deutsch in den Gebieten südlich der heutigen Staatsgrenze und teilweise nördlich davon; 22 Gemeinden behielten jedoch Dänisch als Kirchensprache bei.

      An Sønderjysk/Südjütisch und Niederdeutsch, die Alltagssprachen im privaten und lokalen Bereich, war jedoch keinerlei nationale Zugehörigkeit geknüpft, und daher unterlagen diese Sprachen keinen nationalideologischen Zuweisungen. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatte sich ihre relative Ausbreitung jedoch verändert. Gegenüber Sønderjysk/Südjütisch hatte Niederdeutsch an Verbreitung gewonnen. Die Gründe dafür waren der intensive Handel mit den norddeutschen Städten sowie die Vorbildfunktion der holsteinischen Landwirtschaft, die beide mit der Verwendung von Niederdeutsch einhergingen, aber auch der Umstand, dass Deutsch als Bildungssprache in Schleswig (wie z.T. übrigens auch in Dänemark) eine wichtige Rolle spielte. Südlich der heutigen Staatsgrenze war Sønderjysk/Südjütisch Ende des 19. Jahrhunderts nur noch in einem begrenzten Gebiet in regelmäßigem Gebrauch; nördlich davon war es demgegenüber die dominierende Alltagssprache, und dort fand Niederdeutsch keine Verwendung.

      2.2 1920–1945

      Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg wurde im Jahr 1920 die Grenzfrage auf der Grundlage der Prinzipien des Selbstbestimmungsrechts der Völker durch Volksabstimmung (Artikel V des Prager Friedens von 1866) entschieden. Durch das Abstimmungsergebnis wurde Schleswig geteilt. Der nördliche Teil fiel an Dänemark, der südliche verblieb bei Deutschland.

      Bereits vor der Volksabstimmung stellten die Dänen im südlichen Teil Schleswigs eine Minderheit dar. Doch erst nach 1920 begannen sie, sich als Minderheit zu organisieren und das Gebiet als Sydslesvig/Südschleswig zu bezeichnen. Es handelt sich hier um eine nationale Minderheit, d.h. die Angehörigen der Minderheit besitzen eine andere Nationalität als die der umgebenden Mehrheit, und ihre Nationalität stimmt nicht mit ihrer Staatsangehörigkeit überein. Als nationale dänische Minderheit identifizieren sie sich mit Dänemark als Land und mit seiner Sprache und Kultur. Über die Zugehörigkeit zur Minderheit entscheidet jede Person selbst; es findet keine offizielle Erfassung statt; ebenso bestehen keine Zugangsbedingungen.

      Dem Status als nationale Minderheit entspricht, dass Dänemark sich bereiterklärte, die dänische Minderheit als zu Dänemark zugehörig anzuerkennen. Die offizielle Anerkennung findet ihren Ausdruck u.a. darin, dass der dänische Staat der dänischen Minderheit in Sydslesvig/Südschleswig seit 1920 eine jährliche Kulturbewilligung für solche Einrichtungen zur Verfügung stellt, in denen der Gebrauch der dänischen Sprache eine zentrale Rolle einnimmt: das dänische Schulwesen, die dänische Kirche, dänische Bibliotheken und verwandte Bereiche. Politische Aktivitäten sollen demgegenüber in privaten Vereinigungen stattfinden, da in diesen Kontexten Deutsch verwendet wird. Diese Aufteilung reflektiert, dass aus der Sicht Dänemarks die Übereinstimmung von Sprache und nationaler Einstellung zentral ist. Die Kulturbewilligung trug wesentlich zum Ausbau des dänischsprachigen Schul- und Vereinswesens bei, was wiederum den Gebrauch der dänischen Sprache unterstützte und verstärkte.

      Die Verfassung der Weimarer Republik gab der dänischen Minderheit die Möglichkeit, die dänische Sprache und Kultur zu bewahren; der Besuch einer dänischen Schule setzte allerdings voraus, dass Dänisch die Muttersprache war und dass die Eltern im Gebiet der Minderheit geboren waren. Da jedoch die Muttersprache vieler Angehöriger der Minderheit inzwischen Deutsch war, wurden nur wenige Kinder in die beiden dänischen Kommunalschulen (1.–7. Klasse) in Flensborg/Flensburg aufgenommen. Um dem Bedürfnis der dänischgesinnten, doch deutschsprechenden Eltern, ihre Kinder auf Dänisch beschulen zu lassen, entsprechen zu können, richteten die dänischen Flensburger 1920 den Dansk Skoleforening for Flensborg og Omegn (‚Dänischer Schulverein für Flensburg und Umgebung‘) ein, der die Bewahrung der dänischen Sprache und Kultur zum Ziel hatte. Mit Unterstützung durch Dänemark eröffnete der Schulverein eine Anzahl dänischer Schulen und beteiligte sich an der Einrichtung dänischer Kindergärten. In der Zeit bis 1940 befanden sich in den dänischen Schulen bis zu 915 Schülerinnen und Schüler, und in den Kindergärten wurden bis zu 212 Kinder betreut.

      Daneben fand die dänische Sprache seit 1920 Verbreitung durch die Vermittlung dänischer Kultur in Den slesvigske Forening (‚Schleswigscher Verein‘), der sich auch sozial und politisch engagierte. Kulturvermittlung geschah darüber hinaus in verschiedenen anderen Vereinen und Vereinigungen, u.a. in Sportvereinen, die sich als Sydslesvigs danske Ungdomsforeninger (SdU; ‚Südschleswigs dänische Jugendvereine‘) zusammenschlossen.

      Die sprachpädagogische Arbeit auf dem Land, außerhalb der Reichweite der städtischen Schulen und Vereine, wurde von Wanderlehrern wahrgenommen. Eine neu eingerichtete Bibliothek in Flensborg/Flensburg spielte eine unterstützende Rolle, und als mobile Bibliotheken, Nebenstellen und Schulbibliotheken folgten, wurden dänische Bücher für alle zugänglich. Die dänischgesinnte Bevölkerung im grenznahen Gebiet hatte zudem die Möglichkeit, den Sender Danmarks Radio zu empfangen und Dänisch zu hören.

      Darüber hinaus bestand der Wunsch, Dänisch auch im Gottesdienst zu verwenden, um eine Übereinstimmung zwischen nationaler Zugehörigkeit und Kirchensprache zu erlangen.

      In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–45) wurden die dänischen Vereine und Schulen zunächst fortgeführt, doch dem Ausdruck dänischer Identität wurde mit politischer Aggression begegnet. Die Mitgliederzahlen der Minderheiten sanken deutlich, und im Zweiten Weltkrieg wurden die Kulturbewilligungen aus Dänemark eingestellt.

      2.3 Nach 1945

      Nach der deutschen Kapitulation 1945 führte die Suche nach neuen Orientierungen u.a. dazu, dass viele Schleswiger sich der dänischen Minderheit anschlossen; deren Mitgliederzahlen stiegen in dieser Phase etwa um das Zehnfache auf zirka 100.000 Mitglieder. Von ihnen wurde auch die Beherrschung der dänischen Sprache erwartet, um als Dänen akzeptiert zu werden; es sollte eine Übereinstimmung zwischen Gesinnung und Sprache bestehen. Diese Forderung betraf sowohl Erwachsene als auch Kinder. Die überwiegende