an einer anderen Stelle:
»Oft aber verliert er auch ganz durch die Hinneigung und den Hang zum Unvernünftigen, indem er das Gute durch das Böse ganz verhüllt. Denn wenn einer hierzu die Vernunfttätigkeit herabzieht und den Verstand zwingt, ein Diener der Leidenschaften zu werden, so geschieht eine Verkehrung des guten Bildes in die tierische Fratze so, dass die ganze Natur hierzu umgewandelt wird, indem der Verstand die Keime der Leidenschaften gleichsam kultiviert und von wenigen zur Menge vermehrt. Denn indem er der Leidenschaft seinen Beistand leiht, macht er üppig und ergiebig das Wachstum der Torheiten.«2
Der hl. Gregor hätte das auch über mich und meine Leidenschaft nach Männern schreiben können. Ich war meinen Begierden unterworfen, denn sie drängten sich ungebeten und unvorhergesehen auf. Meine kindliche Sehnsucht nach dem Jungen in der ersten Klasse weist darauf hin. Aber in tausend Schritten und tausend Entscheidungen gab ich meinen Leidenschaften nach, weil es aufregend und zugleich tabu war. Die reichliche und massive Ernte, die sich daraus ergab, war eine hartnäckige und problematische Neigung zu Männern.
Ich glaube nicht, dass meine Neigung zu Männern eine naturgegebene Sache war oder gar nur eine Prägung, die durch meine Erziehung hervorgerufen wurde. Zum Teil existiert sie, weil ich sie fütterte und pflegte. Ich trug dazu bei, dass sie in meiner Seele Wurzeln schlagen konnte, und befruchtete sie durch meine Lust – eine Lust, die durch mein neidvolles Verlangen, jemand anderer zu sein, als ich war, angestachelt wurde. Die Pornografie wurde für mich zu einer Sammlung von Männern, die Gesichtszüge und Merkmale hatten, die ich mir für mich selbst immer gewünscht hatte. Ich spürte ein Verlangen nach Männern, die so waren, wie ich sein wollte. Dies wurde zu einem unkontrollierbaren Begehren, das, wie mir jetzt bewusst wird, aus tiefen Verwundungen meiner Psyche stammt.
In ihrem Buch Krise der Männlichkeit beschreibt Leanne Payne, die seit vielen Jahren Männer und Frauen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen berät, die Geschichte eines gewissen Richard, der sie wegen einer Beratung aufsuchte. Seine Geschichte ähnelt meiner eigenen.
»In seinen Fantasien sah Richard den Teil seiner selbst, der ihm nicht gefiel, in idealisierter Form. Für ihn wurde dieser Teil durch einen sexuell aktiven und athletischen Typ verkörpert. Er schaute andere Männer an und liebte an ihnen den verlorenen Teil seiner selbst, seine leider nicht bestätigte Männlichkeit, die er deshalb bei sich nicht erkennen und akzeptieren konnte. Homosexuelle Aktivität ist deshalb oft nur ein verkehrter Versuch – auf die falsche Art, wie es die Kannibalen tun –, die Eigenschaften der eigenen Persönlichkeit in sich aufzunehmen, von denen man sich entfremdet hat. In Wirklichkeit ist es also eine Form von Selbstliebe oder Narzissmus. Es fiel Richard nicht schwer zu erkennen, dass dies auf ihn zutraf.«3
Payne nennt dies »kannibalische Kompulsion« aufgrund der bemerkenswerten Tatsache, dass primitive Völker das Fleisch ihrer Feinde nicht nur zur Machtdemonstration verzehren, sondern weil sie die Kraft oder Macht der Eroberer buchstäblich in sich aufnehmen möchten. Dies ist sicherlich ein unbequemer Vergleich, aber ebenso wie Richard erkenne ich diese »kannibalische Kompulsion« in meinem Leben sehr klar. Jeder Mann, der irgendwie für mich attraktiv war, hatte Gesichtszüge und Merkmale, von denen ich wünschte, dass ich sie besessen hätte. Meine Neigungen haben sich im Lauf der Zeit nicht verändert: Ich habe mich nie zu einem Mann hingezogen gefühlt, der so ähnlich aussah wie ich.
Die Schwulenbewegung scheint die Gesellschaft davon überzeugt zu haben, dass Homosexualität eine normale Variation der natürlichen Sexualität ist und nicht ein Symptom für tiefe, nicht geheilte Verletzungen der Psyche. Therapeuten, die diese Verletzungen identifizieren und Unterstützung zur Heilung dieser Wunden geben wollen, werden als rückwärtsgewandt und unwissenschaftlich dargestellt, als Therapeuten, die andere zwingen, »gegen ihre Natur vorzugehen«. Dies wird von der Schwulenbewegung als grobe Ungerechtigkeit angesehen, denn sie behauptet, dass »Schwulsein« ein natürlicher Teil der normalen Sexualität sei, so normal wie Vater, Mutter oder Kind zu sein. Unsere Körper zeigen uns aber, dass Homosexualität ein Widerspruch zur menschlichen Sexualität ist. Wir alle machen uns etwas vor, wenn wir anders darüber denken. Wir verletzen den freien Willen der Menschen, insbesondere der Jugendlichen, die auf der Suche nach ihrer wahren Bestimmung davon abgehalten werden, Hilfe zu suchen, um von ihren unerwünschten gleichgeschlechtlichen Neigungen loszukommen.
In meinem Leben ist mir der Ursprung meiner eigenen homosexuellen Neigung völlig klar: Als ich ein Junge war, habe ich zusammen mit dem Nachbarsjungen den Nährboden dafür gelegt. Die darin enthaltene Saat wuchs heran und beinhaltete ein Verspottetwerden und eine Abkapselung von anderen Jungen und einen Neid, der vom Nicht-annehmen-Können meines eigenen Körpers stammte. Hinzu kam die Erfahrung von barschen Männern und einem Vater, der mich manchmal ängstigte und einschüchterte, und von Frauen, die mich zurückwiesen, und einer Mutter, die aufgrund ihrer eigenen seelischen Verletzungen eine ungesunde und kontrollierende Bindung zu mir hatte. All das ist in meinem Leben präsent – all das, was die Experten einst unwidersprochen aufzählen durften –, ja, alles ist da.
Heute werden diese Kausaltheorien als »homophob« eingestuft oder als abwertend gebrandmarkt und als archaisches Psychogeschwätz abgetan. Aber all das ist gegenwärtig in meinem Leben wie eine Linie, die sich so klar und unerbittlich abzeichnet wie die Bahn der Erde um die Sonne. Wir leben in einer Welt von Ursachen und Wirkungen. Alles kommt von irgendwoher, alles hat seinen Anfang, jede Frucht muss zuerst gepflanzt werden. Es ist nicht schwer, die Konturen meines Lebens zu verfolgen, die mich zur gleichgeschlechtlichen Neigung geführt haben. Es gab Zeiten, da trug ich mit meinem eigenen Anteil dazu bei.
Als ich mich der schwulen Pornografie zugewandt hatte, legte ich gewissermaßen meine Hand an den Pflug, indem ich meine Sehnsucht nach Männern tief in den fruchtbaren Boden meiner jugendlichen Vorstellungskraft säte. Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, liegt dieser Weg so klar vor mir wie die Rillen und Furchen eines gepflügten Ackers im frühlingshaften Michigan.
Es liegt an mir, oder nicht?
In meinem ganzen Leben bin ich davon ausgegangen, dass ich einmal heiraten würde. Obwohl meine Neigung zu Männern in meiner High-School-Zeit exponentiell wuchs, fand ich einige Mädchen ziemlich nett, sodass ich daran glaubte, eines dieser Mädchen näher kennenlernen und später heiraten zu können, zumindest wenn sie auch an mir interessiert wäre. In der 5. Klasse hatte ich einmal eine Freundin namens Katy. Die Beziehung dauerte gerade einmal zwei Tage und für den Rest meiner Schulzeit wurde sie der Kategorie »Lass uns einfach nur Freunde sein« zugeordnet.
Der Druck, mit jemandem zu gehen, verdoppelte sich, sobald der Ball am Ende des Jahres der High-School näher kam. Als dieser Ball für die Abschlussklassen näher rückte, entschied ich mich, Katy nochmals zu fragen, ob sie mit mir zusammen dorthin gehen wolle. Sie war Mitglied derselben Band, in der ich Posaune spielte. Im Sport war ich überhaupt nicht gut, aber in diesem letzten Schuljahr an der High School wurde ich von der »Detroit News« als »Herausragender Absolvent in der Sparte Musik im State Michigan« ausgezeichnet. Von 33 000 Studenten des staatlichen Musikprogramms war ich der King. Da auch Katy wie ich Musik studieren wollte, glaubte ich auf naive Art, dass mein Können als Posaunist meine Attraktivität für ein Mädchen aus der Band irgendwie steigern könnte.
Ich fasste mir also ein Herz und fragte sie. Sie sagte, dass sie sich geschmeichelt fühle, aber sie bat mich zu warten, bis sich herausgestellt hätte, ob Chad sie einladen würde. Chad lud sie ein – und sie ging mit ihm, nicht mit mir. Es machte absolut Sinn: Chad war Kapitän eines Football-Teams, gute Statur, athletisch. Ein richtiger Mann eben. Ich war nur ein Junge.
Als ich 21 Jahre alt war, wollte ich eine Beziehung mit einem Mädchen beginnen. Ich arbeitete den Sommer über am Epcot Center und spielte im All-American-College-Orchester im amerikanischen Pavillon. Da in diesem Bereich eine harte Konkurrenz herrschte, freute ich mich riesig, zu diesem Auftritt im Sommer eingeladen worden zu sein. Und dort verliebte ich mich.
Ich ging mit der ersten Posaunistin, einem Mädchen, das von einer prestigeträchtigen Musikschule aus dem Osten kam, aus. Sie war meine erste richtige Liebe. Wir waren sechs Wochen lang zusammen und ich glaubte, dass sie die Antwort auf all meine Gebete war. Ich wünschte mir nur eine