Daniel C. Mattson

Warum ich mich nicht als schwul bezeichne


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hervortritt als in Dingen, die die Sexualität betreffen. Was diesen Bereich angeht, so sind wir hier in besonderer Weise selbst die Ursache für unser Unglück, weil wir dazu neigen, »das Böse gut [zu] nennen« (Jes 5,20). Sicher ist, dass wir auch in der Lage sind, das »Gute böse« zu nennen (ebd.). Was in früheren Zeiten als sexuelle Promiskuität – Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe – betrachtet wurde, ist nun zur akzeptierten Norm geworden. Auf der anderen Seite werden Jungfräulichkeit, Enthaltsamkeit, Treue, Reinheit des Herzens und Bescheidenheit im Auftreten und in der Sprache mehr und mehr als eigenartig oder sogar anormal empfunden.

      Es gibt mehrere Anzeichen für Not und Elend, wenn es um den Missbrauch der Sexualität geht. Da ich einen Großteil meines priesterlichen Dienstes der Lehre der Sexualethik und der Heilung der Wunden von Sünden auf dem Gebiet der Sexualität gewidmet habe, will ich hier einige erwähnen: Einsamkeit, gebrochene Herzen und enttäuschte Liebe. Man könnte diese Merkmale anhand statistischer Daten überprüfen. Aber ich glaube, dass die Geschichten von Leuten aus unserem Umfeld oder vielleicht unsere eigene Geschichte genügen, sie zu bestätigen, und hoffentlich etwas dagegen zu unternehmen.

      Johannes konnte Herodes aufrufen, von seiner sündhaften und zerstörerischen Beziehung abzulassen, und zwar genau aus dem Grund, weil es eine Norm gab – und gibt –, auf die er ihn hinweisen konnte, eine Norm, die tief in seinem Wesen eingeprägt war, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen war (vgl. Gen 1,26). Jesus tat das Gleiche mit der Ehebrecherin (vgl. Joh 8). Wir sind erleichtert und dankbar, wenn wir hören, wie Jesus zu ihr sagte: »Auch ich verurteile dich nicht« (Vers 11). Auf der anderen Seite stellen die verbleibenden Worte des gleichen Verses »Geh und sündige von jetzt an nicht mehr« für uns eine Herausforderung dar, selbst wenn wir sicher sind, dass wir die Gnade erhalten werden, unser Leben zu ändern. Werde ich mein Geburtsrecht wählen oder ein Linsengericht? (Vgl. Gen 25,29–34).

      Die Worte Christi würden keinen Sinn ergeben, wenn es nicht etwas – tatsächlich eine Tugend – in der menschlichen Natur gäbe, was erkennbar und erreichbar ist: jene Tugend der Enthaltsamkeit, eine Norm, die in jedem menschlichen Herzen verankert ist, auch in Herodes’ Herz, im Herzen der Frau aus dem 8. Kapitel des Johannesevangeliums und in Ihrem und meinem Herzen. Der Herr weiß, dass wir im Hinblick auf sexuelle Sünden besonders verletzlich sind, weil wir für die Liebe und die Beziehung geschaffen sind. Aber ein berechtigtes Verlangen kann leicht das Ziel verfehlen, wenn die Enthaltsamkeit fehlt.

      Das Beispiel Jesu von der Ehebrecherin ist meiner Meinung nach ein katechetisches Modell in Bezug auf die sexuelle Sünde. Christus kam, um die Herzen und nicht Diskussionen zu gewinnen, und wir können hier viel von seiner Methode lernen. Vers 11 aus Johannes 8 wird auch »Evangelium im Miniaturformat« genannt, der gleichzeitig zu Mitgefühl und Umkehr aufruft. Jesus bringt auf liebevolle, aber auch klare und bestimmte Weise eine Seele auf den Weg der Reinheit und Freiheit. Er kennt die Verwirrung des menschlichen Herzens, aber auch seine edle Gesinnung (vgl. Jer 17,9 und Mt 5,48). In Treue zum Herrn soll unsere »Katechese klar aufzeigen, welche Freude auf dem Weg Christi zu finden ist und welche Forderungen er stellt«.2

      Die Lehre der Kirche bezüglich der Keuschheit bietet ein in sich konsistentes und kohärentes Konzept, weil es aus dem Geist des Herrn stammt. In der Bergpredigt erläuterte Jesus die Zehn Gebote und er gab auch eine Erklärung zum sechsten Gebot: »Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen« (Mt 5,28). Christus bringt die Dinge wie immer auf den Punkt. Das Grundproblem aller sexuellen Sünden ist die Lust, und deswegen muss er keine besondere Aufzählung der Möglichkeiten vorlegen, wie wir gegen dieses Gebot verstoßen können. Sie sind alle in seiner Lehre gegen die Begierde der Sinnenlust enthalten.

      Eine angemessene Auslegung dieser Lehre wird dazu beitragen, dem außergewöhnlichen Missverständnis vorzubeugen, welches davon ausgeht, dass die Kirche streng auf eine bestimmte Gruppe von Menschen fokussiert sei – jene, die gleichgeschlechtliche Neigungen haben. Um den Tatsachen gerecht zu werden, muss ich hier »Nein!« sagen. Während im sechsten Gebot Ehebruch, eine Sünde gegen die Ehe, verboten ist, sind ebenfalls Sünden gegen die Keuschheit und gegen die Natur der Ehe untersagt, und das sind leider viele: Lust, Masturbation, Unzucht, Pornografie, Prostitution, Vergewaltigung, homosexuelle Handlungen3, Empfängnisverhütung und Sterilisation4 sowie Ehescheidung5.

      Der weitverbreitete Gebrauch von Verhütungsmitteln, auch unter praktizierenden Katholiken, hat den Weg für die Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Verbindungen bereitet. Wenn wir die Meinung hinnehmen, dass die Ehen »besser werden«, wenn die Sexualität bewusst von der Zeugung getrennt wird (was nicht stimmt), dann werden wir bald die Sexualität von der Ehe trennen und dann die Sexualität von dem Entwurf, der uns durch die Vernunft vorgegeben ist und von der göttlichen Offenbarung bekräftigt wird: »Mann und Frau, die ein Fleisch sein werden« (Gen 2,24), immer offen für das Leben.

      Als ein weiteres Beispiel kann die Scheidung in gegenseitigem Einvernehmen (allgemein akzeptiert als angebliche Verbesserung in Bezug auf die Herausforderungen des Ehelebens, was ebenfalls nicht stimmt) angeführt werden, die mit zur Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Verbindungen beiträgt. Wenn der Ehemann und die Ehefrau eigenmächtig bestimmen können, wann ihre Ehe »vorbei« ist und auf diese Weise die Ehe – unabhängig von der Unauflöslichkeit – neu definieren, dann stellt sich die Frage, weshalb nicht auch die Heirat selbst auf eine andere Weise und von anderen Leuten »neu definiert« werden kann.

      Was ich in den zwanzig Jahren, in denen ich als Priester tätig bin, über den Nutzen der Enthaltsamkeit und den Schaden, der bei deren Verkehrung ins Gegenteil angerichtet wird, erfahren habe, darüber würde ich mich gerne mit jedem austauschen, der daran interessiert ist. Aber für viele bin ich kein glaubwürdiger Zeuge. Ich bin ein zölibatär lebender Mann, ein Priester, der gerade jene Institution repräsentiert, die versucht, das Glück von vielen zu verhindern, wenn man der kulturell vorherrschenden Meinung folgt. Fairerweise muss man jedoch auch zugestehen, dass das sexuelle Fehlverhalten von Priestern die Glaubwürdigkeit des Klerus zu diesem Thema auf ernsthafte Weise untergraben hat.

      Bei dieser Gelegenheit möchte ich jedoch die Menschen – unabhängig von ihren sexuellen Neigungen – vor dem Leid schützen, das unvermeidlich die Folge von unkeuschem Verhalten jeglicher Art ist. Mit mütterlichem Herzen möchte die Kirche uns vor einer Gefahr warnen und uns den Weg zur Freude weisen. Aus den Worten ihres Begründers weiß sie, dass Freude und Erfüllung nur mit Gottes Gnade erlangt werden können, indem wir seinem Plan folgen und ihn beachten (vgl. Joh 15,9–11). Für uns, die wir in der Verantwortung stehen, die Herde Jesu zu hüten und sie zu lehren, stellt sich die Frage: Haben wir das Vertrauen verloren, dass Enthaltsamkeit, auch wenn sie eine Herausforderung darstellt, ein Teil der Frohen Botschaft Jesu Christi ist? Enthaltsamkeit führt zu Freiheit und Frieden. Darüber hinaus stellt sie sicher, dass Menschen in erster Linie dafür geliebt und angenommen werden, wer sie sind, und nicht für das, was sie tun können. Ist das nicht etwas, was wir alle uns wünschen?

      Damit komme ich auf die klugen Worte von Pater Harvey zurück. Die glaubwürdigsten Zeugen für die Richtigkeit der Lehre der Kirche bezüglich der Homosexualität sind heute die Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen, die überzeugt sind, manchmal nach einer schmerzlichen persönlichen Vorgeschichte, dass diese Lehre richtig und wahr ist – und dass dies nicht nur auf sie zutrifft. Dan Mattson ist einer dieser Zeugen, und ich bin dankbar für sein Zeugnis, das ich gehört und von dem ich gelernt habe und für dessen Verbreitung ich mich nun schon seit mehreren Jahren einsetze. Ich hoffe, dass die Menschen, die persönliche Erfahrungen sehr schätzen, Dan und einigen seiner Brüder und Schwestern vom Courage-Apostolat, die uns genauso großzügig an ihrer Geschichte teilhaben lassen, Gehör schenken werden.

      Nach wie vor müssen wir ein wenig über die Metaphysik wissen, denn von den philosophischen Wissenschaften hat sie den stärksten pastoralen Charakter: »Das Handeln folgt dem Sein.« Wir werden nur dann wissen, wie wir richtig leben sollen, wenn wir wissen, wer wir sind, sowohl von Natur aus als auch durch die Gnade. Wir müssen begreifen, dass unsere christliche Anthropologie in Jesus, dem neuen Adam, gegründet ist. »Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des