still und sind nicht bereit, die Fahne der Wahrheit in mitfühlender und kluger Weise hochzuhalten. Wir sind »ratlos«. Und so gibt es heutzutage ein anderes und vielleicht noch schwerwiegenderes Problem, das uns daran hindert, Mitgefühl zu zeigen und zur Umkehr aufzurufen, wie wir dies in der Begegnung Jesu mit der Frau in Johannes 8 sehen können. In diesem Fall wird Dans Stimme ebenso als wenig hilfreich oder unangemessen angesehen werden, weil sie von vielen Christen als eine unerbetene Bewertung aufgenommen werden wird.
Das Problem ist die Sentimentalität. Die Sentimentalität ähnelt dem Mitgefühl – sie ist gekennzeichnet durch eine gefällige Freundlichkeit –, aber ihr fehlt es an Wahrhaftigkeit, die dem Mitgefühl seine Substanz und Stärke verleiht. Versuchen Sie sich vorzustellen, dass Jesus zur Ehebrecherin nur gesagt hätte »Auch ich verurteile dich nicht« ohne die zusätzliche Aufforderung »Geh und sündige von jetzt an nicht mehr«, und Sie haben eine entsprechende Definition. Unter dem Eindruck von Sentimentalität ist es dem Menschen erlaubt, weiter in einer sündhaften und selbstzerstörerischen Verhaltensweise zu verharren, weil es sich für ihn »richtig« anfühlt. So wird den Leidenschaften der Vorrang gegenüber der Vernunft eingeräumt und den Gefühlen der Vorrang gegenüber der Lehre Christi und seiner Kirche, und das, weil wir der persönlichen Erfahrung zu viel Gewicht beimessen.
Wir können sentimental werden aufgrund unserer Bindungen an Menschen, die wir kennen und lieben und die gleichgeschlechtliche Neigungen haben (oder jene, die keine gleichgeschlechtlichen Neigungen haben, aber in anderen unkeuschen Beziehungen leben), die diese Neigungen ausleben und von unserer Seite her Zustimmung und Unterstützung voraussetzen. Sentimentalität beginnt mit einer Stärke – mit jenem Respekt und jener Zuneigung, die wir richtigerweise für uns nahestehende Menschen empfinden –, aber diese Stärke wendet sich gegen uns, weil wir das Vertrauen in das Vorhandensein einer allgemeingültigen Wahrheit über die menschliche Sexualität verloren haben, wie sie von Jesus und der Kirche gelehrt wird. In dem Maß, in dem wir anstelle von Mitgefühl Sentimentalität setzen, haben die Worte Jesu ihre Macht verloren: »Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien« (Joh 8,32). Die Sentimentalität ist sowohl die Ursache wie auch die Folge der »Diktatur des Relativismus«. Diesen Begriff benutzte Joseph Kardinal Ratzinger in seiner Predigt zur Eröffnung des Konklaves, aus dem er als Papst Benedikt XVI. hervorging. Zwei Wochen zuvor sagte er etwas, was für uns von Interesse ist: »Sehr bald wird man nicht mehr sagen dürfen, dass Homosexualität, wie die katholische Kirche lehrt, eine objektive Unordnung in der Struktur der menschlichen Existenz ist.«11 Jesu Christi prophetische Stimme in der Kirche hat immer – wie Johannes des Täufers Stimme bei Herodes – die verschiedensten Reaktionen in den Herzen der Menschen ausgelöst.
Solche Menschen mögen das Evangelium »gerne« hören, können aber auch »verwirrt« sein, eine Reaktion, die auch zu stärkeren und noch gewaltsameren Emotionen führen kann, wie wir sie von der Geschichte des Täufers kennen. Diese Emotionen wurden durch seine Botschaft über die Keuschheit hervorgerufen. Da der »schmale Weg« (Mt 7,14; vgl. Lk 13,24) der bürgerlichen Gesellschaft sogar noch mehr abzuverlangen scheint, sollten wir uns in Erinnerung rufen, dass die Lehre Johannes’ des Täufers in seiner pastoralen und brüderlichen Nächstenliebe für Herodes begründet lag und dass Johannes darauf vorbereitet war, die Konsequenzen zu tragen, die seine Nächstenliebe aus der Treue zum Herrn nach sich zog.
Der hl. Paulus war ebenfalls ein Mann von großer Nächstenliebe, dem auch ein starker Widerstand gegen seine Verkündigung des Evangeliums entgegenschlug. In seinem Brief an die Römer schreibt er umsichtig: »Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!« (Röm 12,18). Und im zweiten Korintherbrief warnt er uns davor, jemandem in unserem Dienst Anstoß zu geben (vgl. 2 Kor 6,3), aber er sagt auch »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9,16) sowie »Und wenn die Trompete unklare Töne hervorbringt, wer wird dann zu den Waffen greifen?« (1 Kor 14,8).
Deshalb stellt sich die Frage, wie wir – der Klerus, die Ordensleute und die gläubigen Laien – die verständliche Tendenz, unserer prophetischen Rolle aus dem Weg zu gehen, überwinden können. Ist es ein Mangel an Entschlossenheit oder an Worten oder an beidem, die Wahrheit zu erklären oder zu verteidigen? Zunächst einmal sollte das Beispiel von Dan Mattson und anderen Zeugen uns bestärken und motivieren, ihnen zur Seite zu stehen, indem wir für die Wahrheit einstehen. Ihre Bereitschaft, ihre Geschichten der Umkehr im Herzen und im Leben zu erzählen, verdient mehr, als nur von gläubigen Jüngern dankbar angehört zu werden. Diese großherzigen Menschen rufen uns auf, großzügiger, vertrauensvoller und opferbereiter zu sein für den einen, der alles für uns hingegeben hat. Wir müssen allerdings damit rechnen, dass unsere Zögerlichkeit und Wankelmütigkeit in gleichem Maß zunehmen wird, wie die Feindseligkeit gegenüber der Lehre der Kirche zur Homosexualität sich verstärkt.
Ich für meinen Teil schaue auf meinen Schutzheiligen, den hl. Paulus, der über die »Kraft« des Kreuzes Christi (1 Kor 1,17.18) geschrieben und sie an sich selbst erlebt hat und von ihr umgeformt wurde. »Denn wenn ich schwach bin«, sagte er, »dann bin ich stark« (2 Kor 12,10). Das Kreuz ist der gemeinsame Nenner, der Schnittpunkt von Himmel und Erde, von menschlicher Freiheit und dem Willen Gottes. Aus ihm leiten die Christen nicht nur die Bedeutung des Leidens her, sondern auch die Stärke – die Stärke des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers. Ich zitiere noch einmal Kardinal Ratzinger, diesmal mit seiner Betrachtung der 12. Station des Kreuzwegs, als Jesus am Kreuz stirbt: »Er nimmt das ganze leidende Israel in sich auf, die ganze leidende Menschheit, die Not ihrer Gottesfinsternis und lässt so dort Gott erscheinen, wo er endgültig besiegt und abwesend scheint.«12 Das Christentum ist eine Religion der Paradoxe, aber es ist auch eine Religion, in der Gottes Verheißungen eingehalten werden. Jesus hat versprochen: »Ich werde euch nicht als Waisen zurückzulassen« (Joh 14,18), besonders in Trübsal und Leiden.
In dem Seminar, in dem ich zurzeit tätig bin und lehre, haben wir eine prächtige Kapelle, die dem Heiligen Kreuz geweiht ist. Dies erinnert die Mitglieder der Fakultät und die Seminaristen an die zentrale Rolle des Kreuzes Christi im österlichen Mysterium, in der Kirche und im Leben des Priesters.
In dieser Kapelle gibt es einige schöne Bleiglasfenster. Ein Fenster stellt die Szene von Johannes 8 dar, die wir betrachtet haben. Hier bückt unser Herr sich, um mit dem Finger in den Sand zu schreiben (vgl. Joh 8,6.8). Das Evangelium lässt den Eindruck entstehen, dass Christus immer noch schrieb, als er schließlich zu der Frau sprach, die – genau wie wir – Mitgefühl und Umkehr nötig hatte. In Vers 10 heißt es, Jesus habe sich aufgerichtet, als er sagte: »Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt?« Ich bin dankbar, dass diese Szene in unserer Kapelle abgebildet ist, da sie uns daran erinnert, dass Gott nicht nur vom Himmel herabgekommen ist, um uns zu erlösen, sondern dass er sich auch herabgebeugt hat, um uns zu retten – in Demut, im Dienen und im Opfer und in der Liebe.
Nun ist es an uns, Jesus als den guten Samariter nachzuahmen, wir müssen aufstehen und genauso handeln.
Father Paul N. Check Rector, St. John Fisher Seminary Residence Diocese of Bridgeport Vorstandsmitglied von Courage International Mariä Verkündigung, 25. März 2017
Am Anfang
»Start! Wir heben 42 Minuten nach der vollen Stunde ab. Start der Apollo 11!«1
Um 10.32 Uhr am Morgen des 16. Juli 1969 sah die ganze Welt zu, wie Neil Armstrong, Michael Collins und Buzz Aldrin die Erde verließen, um eine Aufgabe auszuführen, die die Welt für immer verändern sollte.
Walter Cronkite, Amerikas zuverlässigster Journalist, verkündete den Countdown. »Guten Morgen. In weniger als einer Stunde, in 29 Minuten und 53 Sekunden ist es so weit. In ungefähr einer halben Stunde – wenn alles gut geht – sollen die Astronauten von Apollo 11, Armstrong, Aldrin und Collins, von der Abschussrampe 39A abheben und sich auf eine Reise begeben, von der die Menschheit schon immer geträumt hat. Ihre nächste Station: der Mond.«
Meine Familie – Vater, Mutter und drei ältere Brüder – schauten gemeinsam mit dem restlichen Amerika