Cornelia Härtl

Leise Wut


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und Methoden«, ließ Herr Buckpesch sie wissen. Augenscheinlich gehörten Reporter für ihn in eine ähnliche Kategorie wie Beamte und Polizisten.

      »Wer hat die beiden gefunden?«, fragte Lena.

      »Ramona. Ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Die hatte einen Schlüssel. Wegen der Post. Und Tobys Hamster.«

      Wie sich herausstellte, kannten die Buckpeschs den Teenager nicht. Doch als das Mädchen am Vortag die Wohnung betreten hatte, um den Hamster zu füttern, war sie angesichts dessen, was sie dort vorfand, schreiend auf den Gang gerannt.

      »Die war so durch den Wind, die konnte nicht mal mehr den Notruf wählen. Das mussten wir dann tun«, brummte Herr Buckpesch.

      »Die Polizisten haben auch uns vernommen«, fuhr seine Frau fort.

      »Befragt. Lediglich befragt.«

      Lena brummte der Kopf. Das ältere Ehepaar hatte also einen heftigen Streit gehört, danach aber angenommen, dass sowohl Angelika und Toby Kiewitz als auch ihr neuer Freund mit seinem Sohn gemeinsam zu einer Urlaubsreise aufgebrochen waren.

      »Wohin sollte es denn gehen? Wissen Sie das?«

      Die beiden schüttelten zunächst den Kopf, bevor ihnen doch noch etwas einfiel.

      »Mallorca? Ich glaube, es war Mallorca«, meinte er.

      »Nein, etwas, das so ähnlich klang«, meinte sie.

      »Ist auch egal. Sie ist ja nicht gefahren. Womöglich wollte sie nach dem Streit nicht mehr.«

      »Vielleicht hat er sie verlassen und ist alleine weggefahren. Und deshalb hat die Angelika sich umgebracht.«

      Die beiden fingen nun an, alle möglichen Szenarien durchzuspielen. Lena ahnte, dass das Gespräch sie nicht mehr weiterbringen würde, und verabschiedete sich. Es gab noch jemanden, mit dem sie dringend sprechen musste.

      07

      Sieglinde Brohm bugsierte ihren schwarzen Mini in eine Parklücke vor dem gepflegten Mehrfamilienhaus in der Anton-Hermann-Straße in Heusenstamm. Sie stieg aus, griff nach einigen Tüten auf der Rückbank, schloss die Tür und wandte sich um. Als sie Lena auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen sah, erstarrte sie.

      »Ich darf nicht mit dir reden. Und du nicht mit mir«, stieß sie nach ein paar Schocksekunden hervor.

      »Wer sagt das?« Lena schlenderte gemächlich auf ihre ehemalige Abteilungsleiterin zu. Es war ihr nicht anzumerken, dass sie seit über zwei Stunden auf Sieglinde wartete. Sie wirkte, und das war kalkuliert, lässig.

      »Die Maibaum. Und der Leiß.« Sieglinde versuchte, an Lena vorbeizukommen, doch die stellte sich ihr in den Weg. »Du musst aber mit mir reden. Denn du bist die Einzige, die mir helfen kann.«

      »Lass mich vorbei, oder ich schreie!«

      »Schrei doch.« Lena bewegte sich keinen Millimeter und sah Sieglinde unverwandt an.

      Die senkte schließlich die Augen. »Niemand wird mit dir reden. Die haben uns allen heute einen Maulkorb verpasst.«

      Lenas Arm sank herab. »Sag mir einfach, wer die Familie Kiewitz nach meiner Versetzung betreut hat.«

      Ein Flackern trat in Sieglindes Augen. Sie schüttelte den Kopf. »Das geht nicht.«

      »Warum nicht? Du hast doch meine damaligen Fälle nach meiner Versetzung neu verteilt, oder?«

      Sieglindes Mund verzerrte sich, als leide sie Schmerzen. »Habe ich«, quetschte sie schließlich hervor. »Aber ich weiß das nicht aus dem Gedächtnis.«

      »Du hast die Akte.«

      »Hatte. Ich hatte die Akte. Bis sie heute Morgen von jemandem abgeholt wurde. Direkt zur Maibaum. Glaub mir, ich hatte noch nicht einmal Gelegenheit, einen Blick hineinzuwerfen.«

      »Es gibt eine digitale Version.«

      »Die ist gesperrt.«

      Lena runzelte die Stirn. »Sieglinde, das ist doch Mist. In deinem Team wird diejenige Person ja wissen, dass sie zuständig ist! Das lässt doch niemanden kalt! Ein kleiner Junge ist tot. Offenbar wurde er seit längerer Zeit misshandelt. Als ich die Familie abgegeben habe, ging es ihm gut. Jetzt will man mir einen Strick daraus drehen. Abgesehen davon fühle ich mich total beschissen bei der Vorstellung, dass der kleine Toby gewaltsam zu Tode kam. Kannst du das nicht verstehen?«

      »Hör auf!« Sieglinde stellte ihre Tüten ab und trat einen Schritt auf Lena zu. »Niemand will dir an den Karren fahren. Im Gegenteil. Die Spitze der Kreisverwaltung steht hinter dir. Mal wieder. Wie auch immer du das angestellt hast. Aber ich habe die Sache nun an der Backe und muss sehen, wie ich Schaden von meiner Abteilung abwenden kann.«

      Lena zog irritiert die Brauen nach oben. »Schaden von deiner Abteilung abwenden? Was redest du da? Wenn Mist gebaut wurde, muss das auf den Tisch. Ihr könnt die Sache doch nicht köcheln lassen, mit mir im Schmortopf! Und das noch zu deiner Information: Das Gespräch, das ich heute früh in Frau Maibaums Büro geführt habe, war nicht freundlich.«

      »Möglich. Aber du bist erst einmal raus aus der Nummer. In deinem eigenen Interesse suspendiert, bis zur Aufklärung der Sache. Nicht im öffentlichen Fokus, wie unsere Dezernentin so schön sagt. Ganz im Gegensatz zu uns anderen. Also spiel dich nicht auf, genieße deine Freizeit und reiße niemanden mit rein, nur weil du es einfach nicht lassen kannst, deine Nase in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken.«

      Sie nahm ihre Tüten wieder auf und dieses Mal trat Lena beiseite.

      »Du bist wütend, Sieglinde. Weil ich einen eigenen Kopf habe und nicht alles abnicke, was in der Hierarchie von oben kommt. Aber denk bitte bei allem daran, dass wir früher eine Art kollegialer Freundschaft hatten. Unsere fachlichen Auseinandersetzungen einmal beiseitegelassen, war ich dir gegenüber stets loyal. Vergiss das nicht.«

      Sieglindes Blick war abweisend, aber sie widersprach nicht.

      »Glaub ja nicht, dass mich das kaltlässt. Ein Kind zu misshandeln, das ist so ekelhaft. Du kennst meine Meinung dazu. Aber ich kann, will und werde mich nicht gegen meine Vorgesetzte stellen.« Damit wandte sie sich ab und ging an Lena vorbei ins Haus.

      Die stand noch eine Weile da und starrte auf den Bürgersteig. Hatte man sie wirklich aus der Schusslinie genommen? Wenn ja, warum? Wenn sie doch gar nichts damit zu tun haben konnte? Sie wurde aus der Nummer nicht schlau.

      08

      Die Kripo stand am nächsten Morgen vor ihrer Tür. Ein Mann und eine Frau, beide ungefähr in Lenas Alter. Sie wollten nicht die Sozialarbeiterin befragen, sondern die Person, die Angelika Kiewitz vor ihrem Tod angerufen hatte. Man hatte das Handy gefunden und inzwischen auswerten lassen.

      »Es lag im Badezimmer, in einem Korb von Schmutzwäsche verborgen. Der letzte Anruf, den die Frau getätigt hatte, galt Ihnen. Worum ging es?«

      Die Kripobeamtin hatte blasse Haut und fahlblondes Haar, das sie zum Pferdeschwanz gebunden trug. Ihre Stimme war kräftig, der Ton sachlich.

      Lena schilderte, was vorgefallen war. Dass sie zunächst keinen Schimmer gehabt hatte, wer da am anderen Ende gewesen war. Dass sie, als es ihr klar wurde, hingefahren war, aber nach der Aussage der Nachbarn keinen Grund gesehen hatte, weitere Schritte einzuleiten.

      »Im Nachhinein frage ich mich natürlich, ob das ein Fehler war. Leider habe ich nicht verstanden, was genau Frau Kiewitz wollte.« Noch einmal wiederholte sie das Gespräch und die wenigen Worte, die sie mitgehört hatte, als die Anruferin mit jemandem vor der Tür sprach.

      Die Beamtin blickte sie aufmerksam an, ihr Kollege schrieb mit.

      »Sie haben die Familie betreut?«

      Ihr war, als wechselten die beiden einen kurzen Blick, als sie das richtigstellte. »Nicht mehr. Ich wurde vor rund neun Monaten vom Jugendamt in einen neu geschaffenen Querschnittsbereich