Gerald Moser

Robust!


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davon ausgegangen, dass mein Unternehmen robust gewesen wäre. Und ich war fest davon überzeugt, dass mir und meinem Unternehmen nichts passieren könnte. Schließlich lagen wir ja rechts der Schwelle. Und dann kam das Erdbeben. Fukushima war die Störung, die das Ende meines Unternehmens einleitete. Eigentlich absurd, oder? Ein Ereignis, das vollkommen außerhalb meiner Kontrolle lag. In der Folge aber sind zugegebenermaßen auch genügend andere Dinge schiefgelaufen, die ich hätte kontrollieren können. Wenn also mein Unternehmen aufgrund dieser Ereignisse so schnell aus dem Tritt kommen konnte, wie geht es dann erst einem Unternehmen, das sich links der 4‐Prozent‐Schwelle befindet?

      Damals dämmerte mir langsam, dass es mehr braucht als bloß gegenwärtigen wirtschaftlichen Erfolg, um wirklich robust zu sein! Ich verstand damals: Die Robustheit eines Unternehmens hat auch sehr stark etwas mit der Unternehmerpersönlichkeit und mit der Art und Weise, wie diese das Unternehmen führt, zu tun.

      Fassen wir also unsere bisherigen Erkenntnisse zusammen: Das System der Kleinst‐ und Kleinunternehmen ist ein stabiles System. Es ist unter anderem deshalb stabil, weil es viele Systemmitglieder hat. Für das System als Ganzes ist es gut und sogar notwendig, wenn immer wieder einzelne Mitglieder scheitern und das System verlassen. So kann sich das System weiterentwickeln. Für Sie als einzelnes Systemmitglied wäre es aber – salopp ausgedrückt – nicht so gut, wenn ausgerechnet Sie derjenige sind, der das System verlässt. Damit nicht Sie der unbedankte Held sind, sollte Ihr wirtschaftlicher Erfolg besser sein als der Durchschnitt. Aber nicht einmal das reicht im Grunde aus, um gnadenlos robust zu sein. Es gehört noch mehr dazu, denn selbst, wenn Sie heute wirtschaftlich erfolgreich sind, kann es jederzeit böse Überraschungen geben. Denken Sie immer an den Truthahn! Nasim Taleb, ein ehemaliger Wertpapierhändler, Philosoph und Risikoforscher erzählt immer wieder die Geschichte vom Truthahn. Der befindet sich in der Obhut eines Züchters. Dem Truthahn geht es gut. Schließlich wird er ja jeden Tag gefüttert. Er fühlt sich wohl. Er fühlt sich sicher. Das geht über Monate so dahin. Der Truthahn fühlt sich immer wohler und sicherer. Schließlich wird er ja weiterhin jeden Tag gefüttert, bis kurz vor Thanksgiving. Da wird er von der Hand, die ihn gefüttert hat, geschlachtet.

      Eine der zentralen Aufgaben eines Unternehmens ist es, Probleme einer ausreichend großen Anzahl von Kunden zu lösen oder ein dringendes Bedürfnis der Klientel zu befriedigen. Jedes ungelöste Problem ist eine Geschäftschance. Es gibt dabei eine Vielzahl an Möglichkeiten. Besonders spannend fand ich die folgende:

      Haben Sie schon einmal ein Fußballspiel in einem ausverkauften großen Stadion verfolgt? Haben Sie dann versucht, in der Halbzeitpause ein Getränk zu kaufen, vielleicht ein Bier oder einen Softdrink? Dann durften Sie höchstwahrscheinlich die Pause in einer langen Warteschlange verbringen und haben vielleicht sogar den Anfang der zweiten Halbzeit versäumt. Mir ist das schon passiert, und ich fand es gar nicht lustig. Einige findige Herren, denen es wohl ähnlich ergangen ist, haben eine Bierzapfmaschine entwickelt, die in der Lage ist, zehn Gläser Bier gleichzeitig innerhalb von fünf Sekunden zu füllen. Ist das nicht genial? Ich kann mir vorstellen, dass umfangreiche Tüfteleien und Entwicklungsarbeiten notwendig waren, um diese Maschine zu bauen. Diese Herren haben es mit ihrer Erfindung geschafft, das lästige Problem vieler Stadionbesucher zu lösen – und gleichzeitig können die Kantinenbetreiber nun mehr Bier verkaufen!

      Dies ist nur ein Beispiel unter vielen, aber eines ist sicher: Auch Ihre Kunden tragen das eine oder andere Problem mit sich herum. Warum versuchen Sie nicht, es so rasch wie möglich zu erkennen und zu lösen? Und damit erhöhte Robustheit für Ihr Unternehmen zu erzeugen?

      Leider gilt auch umgekehrt ‐ das Feld für Überraschungen ist unendlich

      Aus dem (Unternehmer)Leben

      Sven war sich der Herausforderung der neuen Aufgabe bewusst und nahm sich vor, klein zu starten. Eine passende Werkstätte fand sich schnell, Mitarbeiter brauchte er erstmal keine. Es sprach sich bald herum, dass Svens Expertise nun selbstständig zur Verfügung stand. Zu Anfang übernahm er jene Aufträge, die für seinen ehemaligen Arbeitgeber uninteressant und nicht rentabel genug waren. Seine Geschäfte bekamen jedoch rasch eine gewisse Eigendynamik – schließlich hatte er einen exzellenten Ruf – und bald konnte Sven die anstehenden Aufträge nicht mehr alleine erfüllen. Die ersten Mitarbeiter traten auf, das Geschäft lief weiterhin sehr gut. Und dann kam diese eine Anfrage. Ein langjähriger Kunde hatte einen riesigen Auftrag im Ausland an Land gezogen. An der Schnittstelle zu einem anderen Lieferanten gab es jedoch einen »missing link«. Diesen könnte doch Sven mit all seiner Erfahrung und seinem Wissen füllen!

      Sven bekam den Auftrag. Eine neue Dimension tat sich auf. Erstmals, seit er als Unternehmer unterwegs war, musste er in Vorleistung treten und das nötige Material vorfinanzieren. Seine Bank lieh ihm das Geld, ohne mit der Wimper zu zucken. Schließlich kannte man Sven als zuverlässigen und erfolgreichen Geschäftspartner. Sven kaufte das Material und fertigte alle Teile, die sich in der eigenen Werkstätte herstellen ließen. Dann ging es los zur Montage. Sven war aufgeregt. Das erste Mal als Unternehmer eine so weite Reise in ein Land, in dem er sich nicht auskannte. Auf sich alleine gestellt auf einer riesigen Baustelle. Er hatte solche Aufträge in der Vergangenheit für sein ehemaliges Unternehmen bravourös erledigt. So etwas auf eigene Rechnung und eigenes Risiko zu tun, war aber schon eine ganz andere Nummer. Er nahm seine zwei besten Leute mit auf die Reise. Vor Ort stellte er fest, dass einer der beiden Lieferanten, deren Lücke er schließen sollte, seine Arbeiten noch gar nicht beendet hatte und dazu auch noch einige Wochen brauchen würde. Warum nur hatte ihm niemand Bescheid gegeben? Sven und seine Kollegen mussten unverrichteter Dinge wieder abreisen. Dazu kam, dass er zwei kleinere Aufträge in der Heimat abgelehnt hatte, weil er ja mit dem Großauftrag beschäftigt gewesen wäre. Zurück zu Hause konnte er so kurzfristig keinen neuen Auftrag akquirieren, um seine beiden Mitarbeiter produktiv zu beschäftigen.