improvisierte Sven mit seinen Kollegen vor Ort und zauberte eine feine Lösung. Die ersten Tests waren vielversprechend, das Team um Sven reiste guter Dinge nach Hause. Als jedoch ein großer Testlauf mit der gesamten Apparatur startete, gab es Probleme an genau der Schnittstelle, für die Svens Unternehmen verantwortlich war. Sven musste ein drittes Mal anreisen. Er stellte schnell fest: Das Problem lag eindeutig bei den Teilen des anderen Lieferanten, nur nutzte ihm das nichts. Die Mitarbeiter des Auftraggebers konnten sich nicht mehr erinnern, die Freigabe dieser Arbeiten erteilt zu haben, bei der Diskussion mit dem anderen Auftraggeber stand Aussage gegen Aussage. Es blieb Sven nichts anderes übrig, als die schlechte Arbeit des anderen Lieferanten zu korrigieren. Mit dem zusätzlichen Aufwand und den weiteren Kosten für Material, die dreifache Anreise und die unproduktive Zeit seiner Mitarbeiter war die Rendite für diesen Auftrag den Bach hinuntergegangen. Zermürbt und demotiviert machte sich Sven auf den Heimweg. Er tröstete sich damit, dass er sowohl technisch als auch bezogen auf die Abwicklung eines solchen Projekts so einiges gelernt hatte und für weitere Großaufträge nun gewappnet war. Außerdem beschloss er, sich in Zukunft bei der Vertragsgestaltung beraten zu lassen, um nicht noch einmal zwischen die Fronten großer Unternehmen zu geraten. Zu Hause angekommen, fand er eine E‐Mail von seinem Auftraggeber im Postfach. Darin kündigte ihm das Konsortium eine Schadenersatzforderung an, weil sich die Inbetriebnahme der Anlage aufgrund seiner mangelhaften Arbeit verzögert hätte …
Svens Erlebnisse zeigen klar auf: Selbst bei sorgfältigster Planung, bei allerumsichtigem Vorgehen und größter Akribie sind wir nicht vor Überraschungen gefeit. Und Sven hatte den Auftrag, geblendet von der scheinbaren Attraktivität des Projekts, ja schon von Anfang an viel zu günstig kalkuliert. Immer wieder sind wir mit Geschehnissen konfrontiert, die wir nicht kontrollieren können. Oft kommen diese Ereignisse auch so überraschend auf uns zu, dass wir absolut keine Zeit haben, uns eine geeignete Strategie zu überlegen. Immer wieder stehen wir plötzlich inmitten einer Situation, mit der wir in unseren kühnsten Vorstellungen nicht gerechnet haben, die wir so definitiv niemals erleben wollten, und haben das Gefühl, uns im völlig falschen Film zu befinden.
Die Möglichkeiten für ein derartig katastrophales Szenario sind vielfältig:
Der wichtigste Kunde fällt aus.
Ein schwerer Schicksalsschlag trifft die Familie.
Ein wichtiger Mitarbeiter verlässt plötzlich das Unternehmen.
Die Bank stellt einen Kredit fällig.
Ein Mitarbeiter erleidet einen schweren Arbeitsunfall.
Ein Mitarbeiter begeht im Namen des Unternehmens eine Straftat.
Ein neuer, aggressiver Wettbewerber taucht aus dem Nichts auf.
Ein Lieferant kann nicht mehr liefern – und auch Sie sind plötzlich nicht mehr lieferfähig.
Sie als Unternehmer haben einen Unfall oder eine schwere Erkrankung.
Vor Ihrem Geschäftslokal gibt es eine Großbaustelle, die sich über mehrere Jahre hinziehen wird.
Und zu allem Überfluss taucht vielleicht noch eine Wirtschaftskrise als Zugabe auf. Beispiele dafür gibt es in der jüngeren Vergangenheit zur Genüge!
Wir wollen es nicht übertreiben. Aber diese Liste ließe sich auf schaurige Weise endlos fortsetzen …
Warum Überraschungen trotzdem willkommen sein können
Ich weiß, das alles hat bisher sicher nicht zu Ihrer Erbauung beigetragen. Jetzt kommen wir aber zur wirklich guten Nachricht:
Das Leben ist gerecht. So, wie es negative Überraschungen gibt, existieren natürlich auch positive Überraschungen! Wir können planen, so viel wir wollen, aber einige bedeutsame Wendungen in unserem Leben waren meist nicht so geplant, wie sie gekommen sind. Denken Sie nur an wichtige Ereignisse in Ihrem eigenen Leben, die durch scheinbar eigentümliche »Zufälle« entstanden sind. Der Mensch denkt, Gott lenkt. Oder auch: Der Mensch dachte, Gott lachte …
Was jedoch ein noch viel spannenderer Aspekt ist: Auch die negativen Überraschungen können eine positive Seite haben und schlussendlich höchst willkommen sein. Das alles ist immer auch eine Frage der Sichtweise und Wahrnehmung. Unser Körper braucht ein gewisses Maß an Stress, damit er gesund und fit bleibt. Schutzimpfungen funktionieren beispielsweise nach diesem Prinzip. Sport ist eigentlich Stress, macht den Körper aber widerstandsfähiger, belastbarer und schließlich robuster. Gewichtheben erhöht zum Beispiel die Knochendichte und wirkt damit vorbeugend gegen Osteoporose im Alter. Ein Körper, der sich wenig bewegt, verliert dagegen Muskeln, wird steif und anfällig. Bei einem Gehirn, das nicht gefordert wird, tritt der demenzielle Verfall früher ein als bei trainierten Gehirnen. Menschen, deren Aufmerksamkeit nicht gefordert wird, werden müde und träge. Denken Sie an lange oder monotone Autofahrten. Das Anstrengendste dabei ist oft die Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit. Kinder, die immer von Schmutz ferngehalten werden, neigen eher zu Allergien als Kinder, die sich gelegentlich schmutzig machen dürfen. Kinder, die sich nie kleinere Verletzungen zuziehen dürfen, laufen eher Gefahr, sich irgendwann intensiver zu verletzen. Kinder, die sich nie mit anderen Kindern auseinandersetzen können, sind sozial oft weniger geschickt als jene Kinder, die gelegentlich sozialem Stress ausgesetzt sind. Wenn früher ein Kind sehr aktiv und lebendig war, dann haben die Lehrer empfohlen, dass das Kind Sport treiben soll. Heute werden diese Kinder in die Schublade »hyperaktiv« gesteckt und mit Medikamenten vollgepumpt. Ein System, bei dem krampfhaft versucht wird, dass alles beim Alten, Bekannten und Gewohnten zu bleiben hat, wird anfällig für einen Systemkollaps.
Eines steht fest: Wir können nicht vorhersehen, welche Überraschung uns treffen wird, aber wir sollten stets darauf vorbereitet sein, dass jederzeit etwas Unerwartetes eintreten könnte. Das hat nichts damit zu tun, sich ständig Katastrophenszenarien auszumalen oder permanent in Angst vor der eventuell bereits über uns kreisenden negativen Überraschung zu leben. Sie wissen ja, »zu Tode gefürchtet ist auch gestorben«. Es geht vielmehr darum, gedanklich bereit zu sein, dass etwas Negatives passieren kann, ohne in galoppierende Paranoia einzutauchen. Und dann, wenn die negative Überraschung uns ereilt hat, sofort ins Handeln zu kommen, ohne wie das Kaninchen vor der Schlange zu erstarren. Das ist zu Anfang nicht so einfach, wird aber mit jeder Krise, die wir meistern, leichter. Insofern bringen uns negative Überraschungen auf Trab und zwingen uns, alle unsere Ressourcen und Fähigkeiten zu mobilisieren. Das mag im ersten Moment schrecklichen Stress und hohe Nervosität hervorrufen, macht uns aber langfristig stärker und innovativer.
Wissen bekommt den Trostpreis – den Hauptpreis gewinnt die Erfahrung
Stellen Sie sich vor, Sie haben sich eine Aktivität vorgenommen und begonnen, diese umzusetzen. Während der Umsetzung rechnen Sie schon damit, dass eine Überraschung kommen könnte. Deshalb fahren Sie auf Sicht. So erkennen Sie früher, wenn sich eine Überraschung ankündigt. Sie erhöhen damit die Chance, noch schwache Signale frühzeitig zu erkennen. Das erhöht gleichzeitig auch Ihre Chance, frühzeitig eine Lösung zu finden. Es ist sinnvoll, schon im Planungsprozess über eventuelle Störungen nachzudenken und mögliche Strategien gedanklich durchzuspielen. Die Realität sieht sowieso oft anders aus, aber zumindest weiß man dann, dass es Alternativen gibt. Wir wissen, dass sich unter Stress unser Blickwinkel einengt und dass es uns schwerfällt, aus gewohnten Denkmustern auszubrechen. Deshalb ist es immer sinnvoll, gedanklich verschiedene Szenarien durchzuspielen. Damit bereiten wir unser Gehirn auf mögliche belastende Situationen vor. Aber wir sollten uns dabei auch immer bewusst sein, dass das Leben keine Generalprobe ist. Voll gefordert sind wir erst dann, wenn tatsächlich etwas Unerwartetes passiert. Haben wir jedoch vorher, quasi im Trockenen, schon diverse Szenarien durchgespielt, dann wissen wir in einer Stresssituation zumindest schon einmal, dass es mit Sicherheit alternative Lösungen gibt.
Der Unterschied zwischen Optimismus und Zuversicht
So wie ich es verstehe, ist der Optimismus eine positive und bejahende Grundhaltung in Bezug auf die