Arthur Rosenberg

Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik


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wenige Historiker hat sich das allgemeine Urteil nach ihrem Tod so sehr gewandelt wie über Arthur Rosenberg, dessen Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik hier als Neuausgabe vorliegt. Arthur Rosenberg (19.12.1889 Berlin–7.2.1943 New York) schrieb den ersten Teil, das Buch zur Entstehung, genauer: zur Vorgeschichte der Weimarer Republik, 1928 in Berlin, den Folgeband zur Geschichte der Weimarer Republik schrieb er 1934/35 im englischen Exil. Damit sind bereits Wegmarken dieses politischen Intellektuellen angedeutet, der in seinem kurzen Leben ebenso ein Außenseiter des Fachbetriebs war wie – nach einer kurzen und spektakulären Karriere – auf der politischen Linken. Alsbald nach seinem Tod setzte jedoch eine intensive Rezeption von Rosenbergs zeithistorischen Arbeiten ein, zu denen neben den hier vorliegenden seine Geschichte des Bolschewismus sowie sein letztes Buch Demokratie und Sozialismus gehören. Fünfundzwanzig Jahre nach Rosenbergs Tod wurden seine Bücher zur Weimarer Republik geradezu „Klassiker“ unter den Studenten und Akademikern in der Bundesrepublik und West-Berlin, die politisch nach neuen Ufern suchten. In nüchterner Betrachtung gilt Rosenberg auch heute als einer der wichtigsten deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts – ein Urteil, das zu seinen Lebzeiten undenkbar schien.

      Es lohnt noch immer, sich mit Arthur Rosenberg die Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik lesend zu erschließen. Die beiden Bücher waren nicht nur Pionierarbeiten, was ihre wissenschaftliche Bedeutung betraf, sondern fesseln auch durch ihren packenden, doch zugleich schnörkellosen Stil wie durch ihre pointierten Urteile. Dabei ging es Rosenberg stets um die analytische Durchdringung scheinbar kaum entwirrbarer Vorgänge, die er aus ihrem Kontext heraus zu interpretieren verstand. Scheinbare Nebenbemerkungen, die Rosenberg in den Gang der Erzählung einstreute, erhellen wie Schlaglichter die Motive der politischen Akteure, die diese selbst hinter einer Wand hochtönender Phrasen zu verbergen suchten. Rosenbergs klare Sprache war nicht zuletzt ein Ergebnis seiner jahrelangen Lehrtätigkeit in der Berliner Hochschule für Politik wie in Volkshochschulen, in denen er bei bildungshungrigen Arbeitern und Angestellten eine dankbare Schülerschaft fand. Weit besser als mit jeder anderen zeitgenössischen Arbeit konnte und kann man mit Rosenberg auf eine Entdeckungsreise durch die deutsche Geschichte zwischen 1871 und 1934 gehen; eine Zeit, deren Wirkungen noch stets spürbar sind und uns noch immer beschäftigen.

      Der hier vorliegende Text Arthur Rosenbergs fasst seine beiden Bücher zusammen, die zuerst mit den Titeln Die Entstehung der deutschen Republik und Geschichte der deutschen Republik 1928 bei Rowohlt in Berlin und 1935 im Verlag Graphia im tschechischen Karlsbad erschienen. Dem zweiten Band angefügt ist ein „Epilog“, der den Gang der Ereignisse bis zum Jahr 1934 zieht. Rosenberg schrieb dieses Kapitel nach seiner Emigration in Liverpool wahrscheinlich in Englisch; jedenfalls ist keine deutsche Fassung bekannt. Dieser Epilog, der in den englischen und amerikanischen Ausgaben von A History of the German Republic seit 1936 abgedruckt ist, fehlte bislang in allen deutschen Editionen. Er wurde vom Herausgeber unter größtmöglichem Bemühen, Arthur Rosenbergs Stil treu zu bleiben, übersetzt. Die vorliegende Edition beinhaltet auch die Vorworte zu den Erstausgaben beider Bücher sowie eine in späteren deutschen Editionen weggelassene Passage zum Flaggenstreit in der Weimarer Republik. Kurt Kerstens Vorwort, das den deutschen Ausgaben seit 1955 vorangestellt war, wurde jedoch durch die hier abgedruckten Bemerkungen ersetzt. Diese möchten in Arthur Rosenbergs Leben und in zentrale Gedanken beider Bücher sowie in deren zeitgenössische wie spätere Rezeption kurz einführen.2

       I. Ein vierfacher Außenseiter zwischen Berlin, Liverpool und New York

      Die Zäsuren in Arthur Rosenbergs Biographie stehen für die Wegscheiden der deutschen und europäischen Geschichte und machten ihn zum vierfachen Außenseiter. Als Jude gehörte Rosenberg zu einer grausam verfolgten Minderheit, dem nur knapp die Flucht aus seinem Geburtsland gelang, als ausgebildeter Althistoriker wandte er sich der Zeitgeschichte zu, als Kommunist geriet er in Konflikt mit seiner Partei, als Paria im Universitätsbetrieb erreichte er erst sehr spät im Exil eine – schlecht bezahlte – Festanstellung. Als Wissenschaftler aber hinterließ er Spuren, die Vertreibung und Verleumdung nicht auszutilgen vermochten.

      Arthur Rosenberg wurde am 19. Dezember 1889 in Berlin in einer Familie des jüdischen unteren Mittelstandes geboren. Sein Vater Georg Henry, ein Geschäftsmann, und seine Mutter Helene stammten beide aus dem Gebiet Rosenberg/Rózsahegy (heute Ružomberok), das damals zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte und jetzt ein Teil der Slowakei ist. Beide Eltern waren assimilierte Juden. Arthur und seine Schwester Jenny wurden nach ihrer Geburt protestantisch getauft.

      Georg Henry Rosenberg starb in recht jungen Jahren, und so hatte die Familie Mühe, den Unterhalt zu sichern. Ein Stipendium der Gustav-Levinstein-Stiftung ermöglichte Arthur Rosenberg den Besuch der höheren Schule. 1907 bestand er sein Abitur mit sehr gutem Ergebnis am Askanischen Gymnasium, einer der besten Lehranstalten Berlins. Von 1907 bis 1911 studierte er Alte Geschichte, Philologie und Archäologie an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, der damals bestangesehenen Alma mater Mitteleuropas.

      Rosenberg schloss sich eng seinem Lehrer Eduard Meyer an, einem international herausragenden Forscher zur Sozialgeschichte der Alten Welt. Meyer und Otto Hirschfeld begutachteten seine Dissertation über Untersuchungen zur römischen Zenturienverfassung. Die Arbeit erschien in erweiterter Form im Buchhandel und wurde mit dem Preis der Johann-Gustav-Droysen-Stiftung ausgezeichnet.3 Dies ermöglichte Rosenberg, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen.4

      Er arbeitete zunächst für die Frankfurter Zeitung, einem der führenden Blätter Deutschlands, und war an der Herausgabe von Ullsteins Weltgeschichte beteiligt. Zeitweilig hielt er sich in Italien auf, um das Material für seine Habilitationsschrift zusammenzutragen. Im Januar 1914 habilitierte der noch nicht 25-Jährige sich mit der (bereits gedruckt vorliegenden) Arbeit Der Staat der alten Italiker. Verfassung der Latiner, Osker und Etrusker, worin er die verschiedenen Regierungsformen in den Stadtgemeinden des vorrömischen Italiens untersuchte.5 Bis zu Beginn der 1920er Jahre erarbeitete er sich einen Ruf als einer der produktivsten jüngeren deutschen Althistoriker.6

      Rosenberg war gerade Privatdozent geworden, als der Erste Weltkrieg begann. Der glühende deutsche Patriot meldete sich als Kriegsfreiwilliger. 1915 wurde er zur Armee eingezogen und diente die meiste Zeit im Kriegspresseamt, wo er auch General Ludendorff kennenlernte, doch war er auch kurz an der Westfront eingesetzt. Daneben fand er Zeit für eine Neuherausgabe von Droysens Geschichte Alexanders des Großen, für die er eine Einleitung schrieb.7 Politisch stand er der rechtsgerichteten Deutschen Vaterlandspartei nahe, in der auch sein Lehrer Eduard Meyer wirkte. Einige Biographen nennen eine Mitgliedschaft in der Vaterlandspartei.8 Rosenberg betonte hingegen, er habe in der Zeit bis zum 10. November 1918 keiner politischen Partei oder Organisation angehört. 1918 war er aussichtsreicher Kandidat für eine Professur an der Prager Universität, die dann aber Arthur Stein erhielt.

      Wie viele Deutsche seiner Generation verlor Rosenberg jedoch alle Illusionen über die alte soziale Ordnung, die für vier Jahre eines gegenseitigen Tötens auf Europas Schlachtfeldern und in den Schützengräben stand. Er gehörte alsbald zur Minderheit derer, die im sozialistischen Internationalismus eine Alternative zum deutschen Nationalismus sahen.

      Im November 1918 schlug sich Rosenberg auf die Seite der äußersten Linken, was zum Bruch mit Eduard Meyer führte. Fortan war er beinahe ein Paria im Universitätsbetrieb. Im Februar 1921 erteilte ihm die Philosophische Fakultät einen strengen Verweis und drohte ihm mit dem Entzug der Lehrbefugnis, nachdem er sich in einem Untersuchungsverfahren für einen Studenten eingesetzt hatte. Dieser hatte die nazifreundlichen Brüder Leonardo und Silvio Conti als Reichswehrinformanten enttarnt, worauf sie den Studenten beim Akademischen Senat wegen Beleidigung angezeigt hatten.9

      Noch 1918 wurde Arthur Rosenberg Mitglied der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD), die sich zwei Jahre darauf spaltete. Ihr linker Flügel, zu dem Rosenberg gehörte, schloss sich 1920 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) an. Seine Rede auf dem Vereinigungsparteitag von USPD und KPD bezeugte seinen revolutionären Enthusiasmus. „Genossen!“, rief er aus. „Die weltrevolutionäre Lage liegt zurzeit so, daß die Welle nach