Arthur Rosenberg

Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik


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seinem richtigen Namen Walter Frank als Direktor des sogenannten Reichsinstituts für Geschichte des neuen Deutschlands zu unrühmlicher Prominenz aufgestiegen.

      Frank höhnte, dass sich Rosenberg nach seinem Austritt aus der KPD dem Publikum „nun sehr gesittet und zahm“ als Privatdozent vorstelle. „Der Bewerbung dieses Kandidaten um den Titel des Historikers kann freilich nicht stattgegeben werden“, entschied Frank, damals gerade promoviert. „Denn Rosenberg schreibt Geschichte nach der Doktrin seiner politischen Laufbahn: die Geschichte ist ihm eine Geschichte der Klassenkämpfe.“ Zwar bringe er für Ludendorff einen „immerhin bemerkenswerten Respekt“ auf, doch gelange „Rosenbergs jüdischer Nationalismus zu keinem, auch nur leisen Verstehen der treibenden Kräfte des Bismarckschen Staates.“ Das Buch sei „ein starker Beweis für die ewige Fremdheit des jüdischen Empfindens gegenüber dem deutschen.“ Der „jüdische Geist“, der sich in Marx‘ Lehre vom Klassenkampf verkörpere, wolle „in seiner grauenvollen nomadischen Dürre das ganze unendlich vielfältige, wogende und ringende Leben unter einen einzigen Blickpunkt beugen“ und alle anderen Realitäten „mit kalter Faust abwürgen.“ Für „die gewaltige Realität jener Kräfte des Un- und Unterbewußten, des Instinktes und der Seele“ sei „im Denken des Marxismus und des Judentums kein Raum.“33

      Auch die Geschichte der deutschen Republik erregte die Aufmerksamkeit des Nazi-Regimes, das ihm und seiner Familie nach Erscheinen des Werkes deshalb die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannte.34 Am 15. November 1935 leitete die Preußische Geheime Staatspolizei das Verfahren in die Wege. Zur „Begründung“ wurde angegeben, Rosenberg habe sich „als Verfasser des Buches ‚Geschichte der deutschen Republik‘ und nicht zuletzt als Mitarbeiter des ‚Pariser Tageblattes‘ […] einer schweren Verletzung der ihm gegenüber Reich und Volk obliegenden Treuepflicht schuldig gemacht.“ Das antifaschistische Publikationsorgan hatte einen Ausschnitt aus Rosenbergs Buch abgedruckt.35

      „Das ‚Werk‘ stellt eine Verherrlichung des Marxismus und des Kommunismus dar“, hieß es weiter. „Von Marx und Engels spricht R. als den großen Revolutionären der Vergangenheit. Die Tätigkeit und die Ideen einer Frau Rosa Luxemburg, die R. als eine geniale Frau und den besten theoretischen Kopf der deutschen Arbeiterbewegung bezeichnet, eines Karl Liebknecht und eines Eisner, den R. den einzigen schöpferischen Staatsmann seit November 1918 nennt, finden die besondere Anerkennung des Verfassers. Dem Wirken dieser Personen ist ein breiter Raum in der ‚Geschichte der deutschen Republik‘ gewidmet.“

      „Wenn auch im ganzen gesehen das Buch des R. sich nicht in offener Form gegen den Nationalsozialismus richtet“, hieß es weiter, „so liegt die Gefährlichkeit dieses Buches gerade darin, daß dem Leser unter der Maske einer objektiven Geschichtsbetrachtung marxistische und kommunistische Gedankengänge vermittelt und die Wege aufgezeigt werden, die nach der Ansicht des Verfassers zum Siege dieser Ideen geführt hätten. In der Hand von staatsfeindlichen Personen bedeutet dieses Buch und die darin gegebenen Anregungen ein nicht zu unterschätzendes Kampfmittel gegen die Bewegung und den Staat.“36

      Nachdem der deutsche Konsul in Liverpool in einem Bericht an das Auswärtige Amt festhielt, Rosenberg mache selbst „keinen Hehl daraus, daß er Kommunist ist“,37 wurde ihm und seiner Familie am 1. Februar 1937 die Staatsbürgerschaft aberkannt.38 In seinem Antwortbrief an die deutsche Botschaft in London schrieb Rosenberg: „Soweit Sie imstande sind, mir die Deutsche Staatsangehörigkeit abzusprechen, möchte ich Sie bitten, damit dies in meiner Familie einheitlich geschieht, auch meinem jüngsten, in England geborenen Sohn die Staatsangehörigkeit abzusprechen!“39 Dies geschah, und dem 15 Monate alten Peter Michael Rosenberg wurde am 17. Januar 1938 auf einer Liste bislang „übersehener“ Angehöriger bereits Ausgebürgerter die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Arthur Rosenbergs Bücher wurden in die erste Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums vom 31. Dezember 1938 aufgenommen.40

      Die Geschichte der deutschen Republik fand naturgemäß erst nach dem Ende des Nazi-Regimes in Deutschland seine Leserschaft. Hingegen schlugen sich in William Halperins Buch über die Weimarer Republik von 1946 einige Gedanken Rosenbergs nieder. Der in Chicago lehrende Historiker schrieb, dass die Revolution die vor ihr stehenden demokratischen Aufgaben nicht erfüllen konnte, da die Macht des Industriekapitals und der Junkerklasse letztlich unangetastet blieb. Stärker als Rosenberg machte Halperin dafür auch die Alliierten verantwortlich: Sie hätten Deutschland besetzen und sofort nach dem Aufkommen der Dolchstoßlegende die dafür Verantwortlichen politisch ausschalten sollen. Das Bündnis der SPD-Spitze mit der fast entmachteten Militärführung stellte bereits die Weichen in Richtung auf eine revisionistische Politik, die auf einen erneuten Anlauf Deutschlands zielte, sich zum Herren Europas aufzuschwingen. Psychologisch waren die Sozialdemokraten, so Halperin, auf die Revolution in keiner Weise vorbereitet. Ihre Führung sei von Anfang an darauf bedacht gewesen, sie zu „verraten“.41

      Die Volksbewaffnung, und dies hieß: die Bewaffnung der Arbeiterklasse, blieb für Rosenberg ein ungelöstes Problem der Revolution. Eine wirkliche Revolution hätte im Stil des Konvents der Französischen Revolution die Revolutionäre zu den Waffen rufen müssen, um die Macht der Armee zu brechen. Peter von Oertzen, der Rosenbergs Argumenten prinzipiell folgte, erinnerte jedoch an „organisatorische oder militärtechnische Probleme“ beim Aufbau einer Volksmiliz, die Rosenberg „mit einer Handbewegung“ beiseite gewischt habe.42 Eine Volksmiliz hätte den Rücktransport der ungeheuren Truppenmassen von den Fronten nicht organisieren können, wie es General Groener als leitender Kopf des Generalstabs getan hatte. Mit diesem Beweis seiner Fähigkeiten, für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen, habe sich Groener Friedrich Ebert geradezu anempfohlen, so von Oertzen.43 Dem kann mit Rosenberg entgegnet werden, dass der Rat der Volksbeauftragten auch keine zureichenden Anstrengungen unternahm, aus den Reihen der Arbeiterparteien qualifizierte Kräfte zum Aufbau eines neuen Verwaltungsapparates zu gewinnen. Dies hätte durchaus Experten des alten Heeres einschließen können. Eine Arbeitermiliz, die das deutsche Militärpotential abbauen würde, hätte den Armeen der siegreichen Alliierten keine Gelegenheit zum Einmarsch nach Deutschland geboten.

      Doch stellte Rosenberg nicht die Frage, auf wen sich die Arbeitermiliz hätte stützen können. Am 12. Dezember 1918 hatte der Rat der Volksbeauftragten ein Gesetz zur Bildung einer freiwilligen Volkswehr erlassen. Heraus kam jedoch nur eine sehr kleine Truppe, das „Regiment Reichstag“, das hauptsächlich aus sozialdemokratischen und gewerkschaftlich organisierten Unteroffizieren bestand. Die große Mehrheit der Soldaten und Matrosen hatte, wie Rosenberg richtig erkannte, den revolutionären Umsturz aus tiefer Friedenssehnsucht heraus geführt. Vor der Konsequenz, dass sie folglich kaum bereit waren, bei den Waffen zu bleiben, und sei dies auch im Namen der neuen Ordnung, scheute er zurück. Christian Graf von Krockow hielt mit Recht fest, dass gerade die mit der Sozialdemokratie verbundenen Frontsoldaten und Matrosen zu jenem Teil der Mannschaften gehörten, der in das bürgerliche Leben und zur Familie zurückkehren wollte, während sich die entwurzelten Desperados, die es im Zivilleben zu nichts gebracht hatten, mit um so grimmigerer Entschlossenheit bei den Freikorps und ähnlichen Verbänden sammelten. Sie, zu denen ein gewisser Adolf Hitler gehörte, hatten in der „Frontkameradschaft“ als Ergänzung zum blutigen Kriegshandwerk den Halt gefunden, den ihnen eine bürgerliche Gesellschaft oder gar die Arbeiterbewegung nicht geben konnte.44 Doch auch wer Sebastian Haffners pointierte These vom „Verrat“ der Revolution durch die SPD-Führung nicht teilt, wird mit Rosenberg festhalten müssen, dass das Bündnis zwischen sozialdemokratischer Regierung und antisozialistischer Militärführung eine Hypothek für die neue Republik darstellte, die sie nie zu tilgen vermochte.45

      Deutsche Exilanten wie Franz Borkenau, Ossip Flechtheim und Werner Angress zogen das Buch intensiv für ihre eigenen Werke zur Geschichte des Kommunismus zu Rate.46 Doch bezweifelten sie, wie schon der Zeitgenosse August Thalheimer, Rosenbergs These, wonach 1923 die revolutionär gesinnten Arbeiter wie große Teile der Mittelschichten die Politik der KPD unterstützten. Die zeitweilige Sympathie von Teilen der Mittelschichten für die KPD habe nicht bedeutet, dass sie zu kämpfen bereit waren. Die Arbeiterparteien, auch die radikale Linke, habe in den Jahren zuvor so schwere Niederlagen erlitten, dass die Mittelklasse nicht auf sie setzen