Arthur Rosenberg

Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik


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Borkenau, World Communism [Ausgabe 1962], S. 247; Werner T. Angress, Die Kampfzeit der KPD 1921–1923, Düsseldorf 1973, S. 394f.

      48 Vgl. Karl-Dietrich Erdmann, Die Geschichte der Weimarer Republik als Problem der Wissenschaft, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 3 (1955), Nr. 1, S. 1–19; ders., Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. IV, Stuttgart 1959; Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie, Stuttgart/Düsseldorf 1955. Vgl. hingegen Eberhard Kolb, Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918 bis 1919, Düsseldorf 1962; Peter von Oertzen, Betriebsräte in der Novemberrevolution, Düsseldorf 1963.

      49 Adelheid von Saldern, Arthur Rosenbergs „Geschichte der Weimarer Republik“ – noch immer aktuell?, in: Müller/Schäfer (Hg.), Arthur Rosenberg, S. 145f.

      50 Dieter Engelmann, Rätedemokratische Vorstellungen während der deutschen Novemberrevolution, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 25 (1983), Nr. 6, S. 797–809; Jakow Drabkin, Die Entstehung der Weimarer Republik, Köln 1983.

      51 So Joachim Petzold, Die Dolchstoßlegende. Eine Geschichtsfälschung im Dienst des deutschen Imperialismus und Militarismus, Berlin [DDR] 1963, S. 95, und Hans Schleier, Die bürgerliche deutsche Geschichtsschreibung der Weimarer Republik, Berlin [DDR] 1975, S. 29.

      52 Gerd Voigt, Russland in der deutschen Geschichtsschreibung 1843-1945. Phil. Diss. B, Berlin (Akademie der Wissenschaften der DDR) 1986; textidentische Buchausgabe: Berlin 1994, dort S. 187; Ja. S. Drabkin, Problemy i legendy v istoriografii Germanskoj revoljucii 1918–1919gg., Moskau 1990, S. 98f., 180f.

      53 Francis L. Carsten, Arthur Rosenberg als Politiker, in: Gerhard Botz u. a. (Hg.), Geschichte und Gesellschaft. Festschrift für Karl R. Stadler zum 60. Geburtstag, Wien 1974, S. 277.

      54 Hier zit. nach der leicht gekürzten Wiederveröffentlichung der Schrift in: Arthur Rosenberg, Demokratie und Klassenkampf. Ausgewählte Studien, hg. von Hans-Ulrich Wehler, Frankfurt a. M. 1974, S. 275.

      55 Ebenda, S. 289.

      56 Nazis, Nazism, Nazidom. Published by the Labour Party, London 1934, S. 2f.

      57 Ebenda, S. 32.

      58 Dies vermuten auch Beate Hagenauer im bibliographischen Anhang zu: Müller/Schäfer (Hg.), Arthur Rosenberg, S. 156, und Riberi, Arthur Rosenberg, S. 336.

      59 Helmut Berding, Arthur Rosenberg, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Deutsche Historiker, Bd. IV, Göttingen 1972, S. 94.

      60 Vgl. sehr früh Giuseppe Motta, Gli eretici del Bolscevismo, Siracusa 1946, S. 19–29.

      61 Hans-Ulrich Wehler, Einleitung zu: Rosenberg, Demokratie und Klassenkampf, S. 12; auch in: Hans-Ulrich Wehler, Historische Sozialwissenschaft und Geschichtsschreibung. Studien zu Aufgaben und Traditionen deutscher Geschichtswissenschaft, Göttingen 1980, S. 265.

I

       Vorwort zur Erstausgabe

      Die Anregung zu dem vorliegenden Buche empfing ich als Mitglied des Untersuchungsausschusses des Reichstags für die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs. Ich gehörte dem Untersuchungsausschuß von 1925-28 an und war Referent für die sog. Dolchstoßfrage. Es war eine Gelegenheit, Material aus erster Hand kennenzulernen, wie sie sich dem Historiker nur selten bietet. Die Mitglieder des Ausschusses gehörten den verschiedensten politischen Parteien an. Aber sie waren doch alle bemüht, ungeachtet aller Differenzen in der Weltanschauung, zur geschichtlichen Wahrheit vorzudringen. Von meinen ehemaligen Kollegen im Ausschuß verdanke ich zweien besonders viel: Professor Bredt hat durch sein Gutachten „Der Reichstag im Weltkrieg“ eine Fülle neuer Probleme und Zusammenhänge aufgedeckt, und Professor Bergsträsser hat in seinen Beiträgen zum Werk des Untersuchungsausschusses vor allem die so wichtigen volkspsychologischen Gesichtspunkte betont.

      Zum Abschluß meines Buches habe ich den 10. November 1918 gewählt, obwohl es sachlich besser gewesen wäre, bis zur Annahme der Weimarer Verfassung in der Nationalversammlung herabzugehen; aber für die Forschung liegt heute der Einschnitt beim 10. November: Für die Zeit vorher sind die Akten der wissenschaftlichen Untersuchung wenigstens zum größten Teil zugänglich, für die Zeit danach aber nicht. Eine kritische Geschichte Deutschlands nach dem 10. November 1918 zu schreiben, ist heute noch unmöglich. Die Arbeiten des Untersuchungsausschusses bezogen sich nur auf die Zeit nach Ausbruch des Weltkrieges. Ich mußte jedoch, um die Gesamtentwicklung verständlich zu machen, bis 1871 zurückgreifen.

      Ich habe in der Zeit bis zum 10. November 1918 keiner politischen Partei oder Organisation angehört. Meine persönlichen Erlebnisse in jener Zeit waren so unbedeutend, daß sie mich zu keiner nachwirkenden Voreingenommenheit veranlassen konnten. Ich habe dieses Buch ohne Rücksicht auf irgendeine Parteimeinung oder irgendein Parteiprestige geschrieben. Ich glaube auch nicht, daß meine politische Wirksamkeit im letzten Jahrzehnt mich zu ungerechten Urteilen veranlaßt hat. Ich habe bei der Niederschrift des Buches immer nur einen Feind vor mir gesehen: die historische Legende, ganz gleich ob sei von „rechts“ oder von „links“ kam. Selbstverständlich ist mein Buch auch keine Publikation des Untersuchungsausschusses. Sondern die gesamte Verantwortung für meine Darstellung trage ich allein.

      Die Eigenart der politischen Entwicklung Deutschlands hat es mit sich gebracht, daß bei uns das leere politische Schlagwort, die Illusion und die politische Lebenslüge eine viel größere Rolle spielt als bei anderen Völkern. Wenn ich meinen Lesern im Kampf mit diesen Gespenstern ein wenig helfen könnte, hätte ich alles erreicht, was ich mit meinem Buch beabsichtige.

      Berlin-Zehlendorf, im August 1928.

      Arthur Rosenberg

      Der Text der zweiten Auflage (5.–7. Tausend) ist der alte, bis auf einige kleine Berichtigungen, besonders von Druckfehlern.

      Berlin-Zehlendorf, im Dezember 1929.

      Arthur Rosenberg

      Von Dr. Arthur Rosenberg

      Privatdozent an der Universität Berlin

      Referent des Untersuchungsausschusses des Reichstags

      für die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs

      1930 Ernst Rowohlt Verlag, Berlin

       I. KAPITEL

       Die gesellschaftlichen Kräfte unter Bismarck

      Das Reich Bismarcks, 1871 in Versailles gegründet, ist 1919 im gleichen Versailles zerstört worden. Die in Weimar geschaffene Republik, die darauf folgte, knüpft zwar in vielen bedeutsamen Einzelheiten an das alte System an. Aber sie ist doch etwas im Wesen Neues: die entscheidende Neuerung liegt nicht in der Absetzung des Hohenzollernhauses und der anderen Dynastien. Das Reich Bismarcks wäre mit einem gewählten Reichspräsidenten durchaus denkbar. Das Neue liegt auch nicht darin, daß in der Republik Sozialdemokraten Minister werden können, denn sie wurden es bereits in der letzten Periode des Kaisertums. Ebensowenig machen die Grenzen des Versailler Friedens die entscheidende Veränderung aus: Bismarck hätte sein Reich auch ohne Elsaß-Lothringen gründen und Deutschlands Beziehungen zu den Polen und zu Österreich anders gestalten können. Sondern die entscheidende Neuerung liegt in der Zertrümmerung der alten preußischen Armee durch die militärische Niederlage im Westen, durch die Revolution und durch die Versailler Friedensbedingungen.

      Bismarcks Reich und das preußische Heer gehören untrennbar zusammen. Bismarck hat es immer als seine wichtigste Leistung betrachtet, daß er den König von Preußen und die preußische Armee für die nationale Einheitsidee Deutschlands gewann. Er sah den Fehler von 1848 darin, daß das Bürgertum aus eigener Kraft, ohne Rücksicht auf die deutschen Dynastien und vor allem ohne Rücksicht auf das historisch gewordene Preußen, die Reichsgründung vollziehen wollte. Bismarck ging anders vor: Er hat die militärische Aristokratie Preußens mit dem deutschen Bürgertum vereinigt, an die Spitze des Ganzen das Hohenzollernhaus gesetzt