Arthur Rosenberg

Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik


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der linkszionistischen Studentenvereinigung Avukah (Fackel) organisiert wurden.

      Im Herbst 1942 wurden Arthur Rosenbergs Stipendien nicht verlängert. In einem bewegenden Brief an Betty Drury, die Sekretärin des Emergency Committee, schrieb er, seine „Situation hat sich verschlechtert. Während der letzten Monate bekam ich Schmerzen in der Hüfte und begann mit dem rechten Fuß zu hinken. Als die Schmerzen immer stärker wurden, habe ich einen Spezialisten aufgesucht. Dieser sagte mir, eines meiner Beine sei ernsthaft geschädigt und würde die umliegenden Organe des Körpers angreifen. Ich muß mich einer langwierigen Röntgenbehandlung unterziehen. Trotz meiner Krankheit werde ich versuchen, soweit dies irgend möglich ist, meinen akademischen Verpflichtungen nachzukommen. Sie wissen, wie teuer eine solche Röntgenbehandlung ist, und ich weiß zur Zeit nicht, wie ich mir das leisten kann. Ohne die Behandlung muß ich in naher Zukunft meine akademische Tätigkeit aufgeben. Bitte informieren Sie das Komitee über diese neue Lage. Ein Stipendium ist deshalb dringender denn je zuvor.“21

      Am 1. Februar 1943 wurde Arthur Rosenberg in das Long Island College Hospital in Brooklyn eingeliefert. Sechs Tage später starb er im und wohl auch am Exil. Sein Freund und Kollege Hans Rosenberg, der nicht mit ihm verwandt war, erreichte, dass das Brooklyn College der Familie die einmalige Summe von 2000 Dollar zukommen ließ. Eine Mitteilung hielt fest, das Geld werde aufgrund einer Verzögerung nicht vor Mai eintreffen. Rosenbergs Grab befindet sich auf dem Friedhof Cypress Hills in Brooklyn.

       II. Der Historiker der Weimarer Republik

      Neben seiner politischen und seiner Lehrtätigkeit machte sich Rosenberg einen Namen als Verfasser alt- wie zeithistorischer Werke. Bis 1918 war er ausschließlich als Experte für altrömische Geschichte bekannt. Neben wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Büchern schrieb er Aufsätze für Zeitschriften und Handbücher, darunter Paulys Real-Encyclopaedie der classischen Altertumswissenschaft. Als KPD-Politiker hatte er weder Zeit noch Gelegenheit zur wissenschaftlichen Arbeit. Doch publizierte er nach seiner Abwendung von der KPD in rascher Folge seine Bücher zur Entstehung der deutschen Republik und zur Geschichte des Bolschewismus. Diese zeugten von seinem Außenseiter-Status in der „Zunft“, erwiesen sich aber nach seinem Tod als wissenschaftlich haltbarer als die Arbeiten fast aller, damals etablierter Kollegen in Deutschland.

      Sein zeitgeschichtliches Debüt war das 1928 erstmals bei Rowohlt erschienene Buch Die Entstehung der deutschen Republik.22 Es richtete sich nicht nur an einen eng begrenzten Kreis von Spezialisten, sondern an das gebildete Massenpublikum, nicht zuletzt an politische interessierte Arbeiter. Doch sollten die zentralen Thesen zwar nicht unmittelbar, doch in späteren Jahrzehnten die wissenschaftliche Debatte stark beeinflussen, denn Rosenberg arbeitete in diesem Buch als Erster einige der Merkmale des deutschen Kaiserreichs heraus, die heute zum Kernbestand historischer Erkenntnis zählen. Dazu gehören der konstitutionelle Dualismus von ziviler und militärischer Gewalt, die bonapartistischen Elemente des Kaiserreichs und seine halbabsolutistische Struktur, der Klassenkompromiss des Bürgertums mit dem Adel nach 1848 und besonders nach 1871, die allmähliche Integration der Sozialdemokratie in den Staat bei Festhalten an der revolutionären Rhetorik und – last but not least – die Definition der Novemberrevolution als bürgerlich-demokratisch.

      Den Bonapartismus, wie Rosenberg ihn im Anschluss an Marx’ Schrift Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte verstand, kennzeichnete einen Herrscher, der dem Bürgertum die Akkumulation von Kapital und damit den wirtschaftlichen Erfolg sicherte, ihm aber die reale politische Macht vorenthielt, die in der Hand des Herrschers konzentriert blieb. So legte die von Bismarck erdachte halbabsolutistische Verfassung des deutschen Kaiserreichs von 1871 das Schicksal Deutschlands in die Hand des Kaisers. Die lange Friedensperiode und der wirtschaftliche Aufschwung schoben die darin liegenden Konflikte nur auf, ohne sie zu lösen.

      Denn die staatliche Konstruktion Deutschlands schloss die Arbeiterklasse aus der Gestaltung der Politik aus. Dies galt besonders für Preußen, den wichtigsten deutschen Teilstaat, mit seinem undemokratischen Dreiklassenwahlrecht. Somit wurde die Forderung nach voller Parlamentarisierung des Reiches zur Angelegenheit der Sozialdemokratie, da alle Fraktionen des Bürgertums, schließlich sogar der preußenkritische politische Katholizismus, mit den politischen Zuständen ihren Frieden machten und sie in der erfolgreichen wirtschaftlichen Betätigung gewissermaßen einen Ersatz für ihre politische Zweitrangigkeit gegenüber dem Adel fanden. Denn dieser besetzte die Schlüsselpositionen in der Staatsverwaltung, der Diplomatie sowie beim Militär. Der wirtschaftliche Erfolg habe das deutsche Bürgertum politisch geschwächt.

      So wurde der SPD-Parteivorstand mitsamt seinen Forderungen, die eigentlich auf der Aganda des Bürgertums standen, zur heimlichen Gegenregierung und August Bebel auf der Höhe seines Einflusses eine Art von Gegenkaiser. Doch hatte dies eine Kehrseite: Die SPD verstand sich immer mehr als Sachwalter sogenannter gesamtnationaler Interessen, nicht mehr der Klasseninteressen der Arbeiter. Die sozialistische Revolution, obwohl immer noch beschworen, wurde zum abstrakten Fernziel. Die alltägliche Opposition der Partei richtete sich immer mehr nur gegen die kastenmäßig abgesonderten Junker als gegen die Kapitalisten.

      Den Entschluss der SPD-Führung und der Reichstagsfraktion, sofort nach Kriegsbeginn 1914 Kaiser und Reichsregierung zu unterstützen, verglich Rosenberg mit der Haltung von Marx und Engels zur Frage eines revolutionären Verteidigungskrieges 1871 gegen Napoleon III. Er relativierte diesen ohnehin unglücklichen Vergleich jedoch mit seiner Kritik an der Politik des „Burgfriedens“ der SPD. Deren Verzicht auf politische Opposition gegenüber der Regierung könne keineswegs mit marxistischen Argumenten begründet werden. Vielmehr sei die Politik des Burgfriedens eine verhängnisvolle Erneuerung des Bismarckschen Klassenkompromisses unter Kriegsbedingungen gewesen. Damit aber könne, unabhängig von der militärischen Leistung, auf die Dauer kein Krieg gegen gleichstarke Feinde geführt werden.

      Weite Strecken des Buches basierten auf allgemein zugänglichen Quellen. Doch das letzte Kapitel, das die Vorgeschichte der Novemberrevolution 1918 behandelt, beruhte auch auf Rosenbergs Erfahrungen im Untersuchungsausschuss über die Ursachen des deutschen Zusammenbruchs im Weltkrieg. So entwickelte er die Theorie von „zwei Revolutionen“ während des Krieges. Die erste sei die Errichtung der de facto militärischen Diktatur durch Hindenburg und Ludendorff im Jahre 1916 gewesen. Sie habe den Kaiser wie den Reichstag auf eine bloß symbolische Rolle reduziert. Die zweite Revolution sei der Zerfall der Obersten Heeresleitung im Oktober 1918 gewesen, wodurch die Macht auf die nichtrevolutionäre deutsche Mittelklasse übergegangen sei, die die Monarchie abschaffen wollte. Am 3. Oktober wurde Prinz Max von Baden Reichskanzler und bildete eine Regierung, in der neben dem Zentrum und der Fortschrittspartei erstmals die Sozialdemokraten vertreten waren. Die Regierung bot ihren Kriegsgegnern einen sofortigen Waffenstillstand an. Am 26. Oktober trat Ludendorff von seinem Posten zurück, zwei Tage darauf begann der Aufstand in der Hochseeflotte, die deren Auslaufen verhinderte. Ab dem 3. November griff der Aufstand von Kiel auf immer weitere Gebiete Deutschlands über. Es kam zur Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten. Erst die Aktionen der Räte schufen die politischen Voraussetzungen für die Entstehung der Republik. Eine Mehrheit in diesen Räten wollte die parlamentarische Demokratie mit dem Sozialismus verbinden, über dessen Inhalt jedoch die unterschiedlichsten Vorstellungen bestanden, so dass all diese Bestrebungen keinen Erfolg hatten.

      Rosenbergs nächstes Buch, die Geschichte des Bolschewismus, erschien 1932. Es war die erste seriöse Untersuchung zum Thema und basierte auf seiner politischen Erfahrung als führender KPD-Politiker. Doch stellte er klar, dass er „das Buch keiner Partei oder Gruppe zu Liebe geschrieben“ und „kein Bedürfnis zu ‚Enthüllungen‘ und zu ‚Abrechnungen‘“ habe. „Wer in meinem Buch Anekdoten über Stalin und die ‚Schreckenskammern‘ der GPU sucht, wird sehr enttäuscht sein.“23 Rosenberg betonte, der Bolschewismus sei trotz seiner diktatorischen Elemente ein für Sowjetrussland fortschrittliches Gesellschaftsexperiment, hingegen könne die Politik der von Moskau abhängigen Komintern für die Arbeiterbewegung der westlichen Länder nur noch negative Folgen zeitigen.

      Arthur Rosenbergs Geschichte der deutschen Republik (so der ursprüngliche Titel), die 1935 erschien, wurde eines der wichtigsten Geschichtsdokumente des deutschen Exils. Rosenberg arbeitete