als Propagandaminister.81 Von nun an durften nur ausgesuchte NS-Autoren Bücher, Filme, Theateraufführungen, Kunstwerke und Ähnliches besprechen. Weil all dies nunmehr ohnehin von nationalsozialistischem Geist beseelt sein sollte, gab es per definitionem nichts zu kritisieren. So wurde aus dem »Kunstkritiker« der »Kunstbetrachter«, der die vorbestimmten Gegenstände nur noch zustimmend beschreiben durfte, statt sie analytisch zu zergliedern, wollte er nicht in den Ruch der Regimekritik geraten. Wer sich in der NS-Ideologie auskannte, brauchte nun nicht mehr viel Talent, um voranzukommen.82 Das SS-Blatt Das Schwarze Korps hielt die neue Verordnung für ideal in einer Situation, in der man »das Kunstwerk als Totalität betrachtet«; so könne niemand sein Expertenwissen durch Analyse missbrauchen.83 Rudolf Kircher, Chefkorrespondent der einstmals renommierten Frankfurter Zeitung, bemerkte beifällig, dass ein Autor sich künftig »in den Dienst einer bewussten Kulturpolitik« zu stellen habe, die »als ein entscheidender Teil der Arbeit des Nationalsozialismus am Staat und im Staat gedacht ist«.84
Wer Bücher schrieb, der wurde warnend auf die schwarzen Listen hingewiesen, die fortwährend erneuert und deren Kriterien ständig ausgeweitet wurden. Abgesehen von Goebbels und seinen Spürhunden verfügte auch die Kripo über die Möglichkeit, bei entsprechender Verfügung sogar Privatbibliotheken zu durchsuchen und zu beschlagnahmen. Und so übten Autorinnen und Autoren im Bewusstsein bedrohlicher Beispiele Selbstzensur, bevor sie ihr Manuskript bei den zuständigen Instanzen einreichten, damit es geprüft, registriert und für unbedenklich befunden werde.85 Während Goebbels und die Polizeikräfte des Innenministeriums in dieser Frage immer enger zusammenarbeiteten, wollte auch Rosenberg, der mit dem Propagandaminister ständig wetteiferte, ein Stück vom Kuchen. Doch sein im Juni 1934 parteiintern eingerichtetes Amt für Schrifttumspflege, mit dem er Kontrolle über Autoren und Verleger auszuüben trachtete, blieb letztlich machtlos. So, wie der Kampfbund für deutsche Kultur 1935 angesichts Goebbels’ stetiger Machtzuwächse zur Bedeutungslosigkeit verkommen war, so wurde auch das Zensuramt von Rosenbergs Rivalen in den Schatten gestellt und entfaltete nur im beschränkten Rahmen der Partei eine gewisse Wirkung.86
Am 5. Mai 1934 hatte Goebbels sich mit einem Gesetz zur Regulierung des Bühnenwesens den Zugriff auf eine weitere Kulturgattung gesichert. Alle Angelegenheiten des Theaters, der Oper und der Operette fielen nun unter die Jurisdiktion des Propagandaministers (ausgenommen waren die preußischen Staatsbühnen sowie die Staatsorchester von Berlin, Kassel und Wiesbaden, die weiterhin Hermann Göring als Preußischem Ministerpräsidenten unterstanden). Die Paragrafen 3 und 4 des neuen Theatergesetzes regelten die Aufsicht über die Eigner und Direktoren deutscher Bühnen, privater wie staatlicher, während Paragraf 5 bestimmte, welche (neuen) Stücke – Tragödie, Komödie oder Oper – zur Aufführung geeignet waren.87 Ausführendes Organ mit der Macht, Stücke zu akzeptieren oder abzulehnen, war der sogenannte Reichsdramaturg. Rainer Schlösser, Weltkriegsveteran und promovierter Literaturwissenschaftler, versah dieses Amt bis 1945. (Er wurde von der Roten Armee verhaftet und noch im selben Jahr hingerichtet.) Alle Theater mussten ihre Aufführungsvorschläge bei Schlösser einreichen, dessen Urteile so beschaffen waren, dass die Bühnenautoren, Komponisten und Librettisten schon bald wie die Buchautoren Selbstzensur übten, um Schwierigkeiten zu vermeiden.88
Es ist bereits geschildert worden, wie das Propagandaministerium viele Facetten der Kulturverwaltung zu bündeln und entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen vermochte. Im Hinblick auf die Personalpolitik wurde eine solche Klammer schon am 22. September 1933 geschaffen, als Goebbels’ Ministerium durch das Reichskulturkammergesetz die zentrale Koordination von Künstlern, Schriftstellern und Journalisten, verteilt auf berufsspezifische Einzelkammern, übertragen wurde. Diese Kammern schufen eine horizontale Ordnung in Übereinstimmung mit dem für faschistische Regimes typischen Korporationsprinzip, das Benito Mussolini schon Anfang der zwanziger Jahre durch Einführung von (syndikalistischen) Kammern umgesetzt hatte, um Klassenkämpfe zu vermeiden. Mit dem Reichskulturkammergesetz wurden sechs Kammern ins Leben gerufen, jeweils eine für Schriftsteller, Journalisten, Rundfunkmitarbeiter, Theaterleute, Musiker und bildende Künstler (die vorläufige Filmkammer von 14. Juli wurde später in die Kulturkammer integriert, die Rundfunkkammer aufgelöst).89 Der Historiker Alan Steinweis sieht in der Verbindung zweier Interessengruppen mögliche Vorteile für beide: »Indem Goebbels die Bereitschaft des Regimes bekundete, Staatstreue mit der Aussicht auf materiellen Gewinn und Spielraum für berufliche Autonomie zu belohnen, konnte er die Kooperation von konservativen (oder unpolitischen) Kräften gewinnen, die keiner NS-Organisation angehörten, aber glaubten, dass ein auf sich selbst regulierenden Körperschaften beruhendes Kammersystem beruflichen Vorhaben zuträglich sei, die in den wirtschaftlich schwierigen Jahren der Weimarer Republik unerfüllt geblieben waren.«90 Als die Mitgliedschaft in diesen Kammern verpflichtend wurde, oblag »arischen« Deutschen – jüdische Deutsche wurden nach und nach ausgeschlossen – die Entscheidung, ob sie mit dem Regime gemäß den immer enger gefassten Richtlinien zusammenarbeiteten. Verstießen sie dagegen wie der Romanautor Jochen Klepper, Mitglied der Reichsschrifttumskammer (RSK), konnten sie stärker überwacht oder mit einem Schreibverbot belegt werden, das zum Ausschluss führte. So erging es Klepper, der, im Grunde ein konservativer Patriot, das Verbrechen begangen hatte, sich nicht von seiner jüdischen Frau zu trennen. Als deren Tochter aus erster Ehe auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs in den Osten deportiert werden sollte, ging die ganze Familie, ehe die SS sie holen konnte, im Dezember 1942 in den Freitod.91
Ein beredtes Beispiel dafür, welche Rolle die Reichskulturkammer in der Musik spielte, bietet die Affäre Hindemith. Hindemith hatte jüdische Verwandte, war in der Vergangenheit mit prominenten jüdischen Musikern wie dem Cellisten Emanuel Feuermann aufgetreten und hatte Musik an der Grenze zur Avantgarde komponiert. Damit hatte er sich die Ablehnung Hitlers und die Feindschaft von Rosenbergs Kohorten eingehandelt. Dabei war Hindemith anfänglich von der Möglichkeit, im Dritten Reich Neues zu wagen, durchaus angetan, und Sympathisanten aus Goebbels’ Umkreis sahen ihn, ungeachtet seiner Nähe zur Moderne, in der Rolle eines nationalen Erneuerers. So wurde er im Februar 1934 eingeladen, in den Präsidialrat der Reichsmusikkammer (RMK) einzutreten. Seine Entscheidung wurde ihm durch die Tatsache erleichtert, dass Richard Strauss bereits das Präsidentenamt der RMK und der Dirigent Wilhelm Furtwängler das seines Stellvertreters übernommen hatten. Im März 1934 führte Hindemith eine sinfonische Version seiner im Entstehen begriffenen Oper Mathis der Maler auf; Furtwängler stand am Dirigentenpult. Das Ereignis wurde auch in NS-Kreisen positiv aufgenommen. Aber Rosenberg und Hitler blieben bei ihrer Gegnerschaft, die sich nun insbesondere gegen die geplante Premiere der Oper richtete. Um Hindemith beizustehen, veröffentlichte Furtwängler einen lobenden Artikel, in dem er dessen frühere Nähe zur Avantgarde zu entschuldigen und ihn als unpolitisch darzustellen suchte. Das fasste Goebbels, der Präsident der übergeordneten Reichskulturkammer, als Störfeuer auf und wandte sich nun offen gegen Furtwängler und Hindemith, die daraufhin von ihren Posten an der Berliner Hochschule für Musik zurücktraten. Zudem verloren sie ihre Stellung in der RMK; Furtwängler war zeitweilig dem NS-Regime entfremdet. Ohne offizielle Anbindung an die RKK sah die Zukunft für die beiden Musiker düster aus.92
Neben der Reichskulturkammer bediente sich das Regime der Berufsverbände, um die Künstler auf Linie zu bringen. Der Reichsverband der Deutschen Presse (RDP) beispielsweise übte die berufsspezifische Rechtsprechung für alle im Zeitungsbereich Tätigen aus (die Mitgliedschaft war verpflichtend). Die quasi-rechtliche Basis dafür bot das Schriftleitergesetz vom Oktober 1933. Im Rahmen dieser Zuständigkeit konnte der Verband einen Journalisten vor ein Berufstribunal zitieren, wenn die Annahme bestand, er habe sich gegen die ästhetischen oder politischen Richtlinien des Regimes vergangen. Wie ein Fall in Franken aus dem Jahr 1936 zeigt, konnten verdächtigte Journalisten auf diese Weise monatelang von launenhaften Vorgesetzten in Schach gehalten werden.93
Außerdem wurden einige Sektoren ständig und engmaschig überwacht. Das passierte indirekt bei der Filmproduktion und direkt bei Presse und Rundfunk, galten diese beiden doch als entscheidend für die öffentliche Meinungsbildung und insofern als politisch besonders bedeutsam. Das Rundfunkprogramm wurde wöchentlich, mitunter täglich umgebaut.94 Für die Presse hatte Goebbels regelmäßige Konferenzen in Berlin angesetzt, an denen Vertreter der wichtigsten deutschen Zeitungen teilzunehmen hatten. Goebbels’ Helfershelfer verordneten der Presse Richtlinien, die von den Herausgebern aufs Wort befolgt und geheim gehalten werden mussten. So erhielten sie im Dezember 1935 die Weisung,