Pete Hackett

Sammelband 5 eisenharte Western Juni 2019


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Hügels hatte er etwas aufblitzen gesehen. Fast gleichzeitig dröhnte das Krachen eines Schusses über das Land. Unter Tom fraß sich die Kugel mit einem dumpfen Pochen in den starken Zaun. Mit einem Satz sprang Tom nach rechts und bückte sich.

      Ein zweites Mündungsfeuer blitzte auf. Diesmal sirrte die Kugel mit einem giftigen Misston über ihn hinweg und verlor sich in der Dunkelheit.

      Tom Calhoun riss seine Waffe hoch und drückte ab. Beißender Pulverdampf wehte ihm ins Gesicht und brannte ihm in der Nase. Er blickte über die Schulter und sah. dass sich der Spieler unter die Zaunkronen duckte.

      Weaver kam aus dem Haus gerannt. In der Linken hatte er die Tasche mit dem Geld. Seine Rechte schloss sich fest um den Kolben des Gewehrs. Als er am Zaun angekommen war, warf er die Tasche mit einem kraftvollen Schwung auf die Planke und sprang dann neben Tom.

      „Da drüben — bei den Büschen“, sagte Tom. „Sie scheinen gar nicht angreifen zu wollen. Vermutlich liegt ihnen nur daran, ein paar von uns zu treffen.“

      Wieder dröhnte seine Waffe auf.

      Auch Weaver schoss zu den Büschen hinüber.

      „Verdammt, was ist denn los?“, fragte die Stimme des Kutschers vom Haus her.

      „Nicht der Rede wert, Dreek. Sie können sich wieder hinlegen!“

      Die nächste Stichflamme sprang im Geäst des Busches auf. Die Kugel lag zu tief und riss eine Furche in den Boden. Dreck spritzte in die Höhe.

      „Das scheint nur einer zu sein!“, rief Weaver und drückte wieder ab. „Den müssten wir uns doch holen können.“

      „Das hat keinen Sinn. Es ist möglich, dass sie draußen liegen und nur darauf warten, uns abknallen zu können. Und hier werden sich ein paar die Hände reiben, wenn wir so verrückt sind. Wir bleiben!“

      Plötzlich sah Tom einen Schatten drüben bei den Büschen auftauchen. Fast gleichzeitig schossen die beiden Männer. Bei dem ungewissen Licht konnten sie aber nicht richtig zielen. Ein Reiter jagte hinter den Büschen entlang. Er verschwand in dem Einschnitt zwischen den beiden Hügeln.

      Tom ließ die Hand mit dem rauchenden Gewehr sinken.

      „Cory. Sie können sich wieder aufrichten!“, rief er über den Hof.

      Vorsichtig tauchte der Kopf des Spielers über dem Zaun auf.

      „So ein elender Feigling!“, presste der alte Mann durch die Zähne.

      „Ich finde es durchaus erfreulich, dass er nicht besonders mutig zu sein scheint“, erwiderte Tom Calhoun leise. „Anscheinend kann er sich nur schwer zu dem entschließen, was er sich vorgenommen hat. Das ist für uns ein Vorteil.“

      „Und was ist mit der Frau? Was hat sie Ihrer Meinung nach vor?“

      „Sie will das Geld. Sie will irgend etwas anfangen, das sie in Zukunft ernähren könnte. Viele Möglichkeiten stehen ihr offen. Vielleicht hat sie vor, einen eigenen Saloon zu eröffnen. Mit vielen Mädchen und allem was dazugehört. Ich glaube jedenfalls, dass ihr dieser Gedanke am nächsten liegen dürfte. Aber ganz gleich, was sie vorhat: sie will vorsorgen. Dazu braucht sie das Geld. Achtzehntausend Dollar sind in diesem Land viel Geld.“

      Weaver hatte sein Gewehr frisch geladen und ließ das Messingschloss zuschnappen.

      „Weaver, gehen Sie wieder ins Haus und legen Sie sich hin. Für diese Nacht sind wir die Banditen los. Sie müssen sich erst wieder etwas Neues ausdenken.“

      Weaver nickte und ging zum Stationshaus. Als die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, kam der Spieler auf Tom Calhoun zu.

      „Vielleicht sind Sie jetzt der Meinung, ich sei ein Feigling, Mr. Calhoun“, sagte der Spieler. „Ich kann Ihnen versichern, dass das ein Irrtum ist.“

      „Das ist für mich ziemlich uninteressant, Cory.“

      „Das nehme ich Ihnen nicht ab. Ich wollte Ihnen erklären, dass es nicht meine Absicht ist, meinen Kopf für Dinge hinzuhalten, die mich nichts angehen und die mir nichts einbringen.“

      „Ist in Ordnung, Cory.“

      „Es ist eben nicht in Ordnung. Sie wissen doch, was ich meine! Wie steht es mit der Belohnung?“

      „Mir ist nichts davon bekannt, dass eine ausgeschrieben ist. Sollte es aber der Fall sein, so wird sie zwischen den Beteiligten aufgeteilt.“

      „Und wer sind diese Beteiligten?“

      „Natürlich alle, die in der Kutsche fahren. Möglicherweise auch alle Stationsvorsteher.“

      Cory stieß ein lautes Lachen aus.

      „Dann bekommt jeder nicht mehr als ein Trinkgeld.“

      „Stimmt genau.“

      Einen Moment lang musterte der Spieler Tom Calhoun scharf. Und Tom schien es. als wollte er noch etwas sagen. Dann aber gab sich Cory einen Ruck, wandte sich ab und ging zurück.

      *

      Das erste Sonnenlicht drang durch die Fensterscheiben. Al Dreek hatte die Pferde schon eingespannt. Tom blickte Lola Starr entgegen, die aus dem Schlafraum kam. Er sah die scharfen Linien in ihrem Gesicht und fand, dass sie heute älter aussah als sonst. Irgend etwas schien an ihren Nerven zu zerren. Vielleicht hatte sie sich in etwas eingelassen, dem sie nicht gewachsen war.

      Sie verließ das Stationshaus.

      Ben Warthon hatte dunkle Ringe unter den Augen. Wortlos stieg er in die Kutsche. Tom hatte den Eindruck, als habe er sich in sein Schicksal ergeben. Das Tanzmädchen und der Spieler saßen bereits auf ihren Plätzen. Nur Tom stand noch vor dem Wagenschlag. Er gab dem Stationer die Hand und sagte: „Auf Wiedersehen, Harper.“

      „Gute Fahrt, Mr. Calhoun. Und viel Glück. Ich glaube, das können Sie gebrauchen. Dreek meinte, Sie wären als Vertreter des Marshals zu hart. Ich weiß aber, dass er sich irrt. Wenn ein Mann in diesem Land bestehen will, muss er hart sein.“

      „Danke, Harper. Sie wissen es alle. Aber wenn sie selbst davon betroffen werden, wollen sie es nicht wahrhaben."

      Tom griff nach der Tasche, die neben ihm auf dem Boden stand und stieg ein. Die Satteltasche mit dem Geld legte er zwischen sich und den Spieler.

      Ben Warthon lehnte mit geschlossenen Augen an der Rückwand. Sein Jungengesicht sah müde und alt aus.

      „Gute Fahrt, Al!“, rief der Stationer jetzt auch dem Kutscher zu. Dann warf er den Schlag zu und hob noch einmal grüßend die Hand.

      Der Fahrer brummte einen Gruß. Die Pferde zogen an, und die Kutsche setzte sich in Bewegung. Sie rollte durch das offene Tor, an dem Anny Harper stand und winkte, und in die Prärie hinaus.

      „Hören Sie, Mr. Calhoun“, sagte Ben Warthon, „die beiden fahren nur wegen des Geldes mit. Ich habe es gestern gehört, als sie darüber sprachen.“

      „Für das Geschwätz eines Banditen interessiert sich Mr. Calhoun bestimmt nicht“, meinte der Spieler mit beiendem Spott. „Eigentlich sollte ich dich wegen Verleumdung verklagen. Aber ich kann großzügig sein. Sie werden dich in Shelton Falls sowieso hängen.“ Dicke Wolken trockenen Sandes wehten draußen an der Kutsche vorbei.

      Aus Ben Warthons Gesicht war die Farbe gewichen.

      *

      Nach einer Weile wurde die Kutsche langsamer.

      „Calhoun, da scheint jemand mitzuwollen!“, rief der Kutscher vom Bock herunter.

      Tom schaute zum Fenster hinaus. Draußen neben der ausgefahrenen Straße stand ein Mann. Er hatte sein Gewehr in der Hand