Tom Calhoun kam den Büschen immer näher. Da lenkte er das Pferd nach links und trieb es durch einen lauten Ruf zum Galopp an. Seine Hände krampften sich in die Mähne des Tieres. Er war das Reiten ohne Sattel nicht gewöhnt und es strengte ihn mehr an, als er geglaubt hatte. Ihm fiel Falton ein, und er fragte sich, warum er ihn nicht um seinen Sattel gebeten hatte. Aber es war wohl besser so. Er traute Falton ebensowenig wie Cory und dem Tanzmädchen. Schließlich hätte Falton es ihm auch anbieten können. Doch genau das hatte er vermieden.
Plötzlich krachten rechts von ihm fast gleichzeitig zwei Schüsse. Die Kugeln gingen knapp über ihn hinweg und jaulten misstönig zum Himmel. Er warf sich flach auf den Hals des Pferdes. Zweige peitschten Toms Gesicht, als das Tier in die Büsche hineinbrach. Trockenes Holz zerbarst unter den Hufen. Kugeln pfiffen hinter ihm her. Heiß fuhr eine über seine Schulterspitze.
Da lagen die Büsche hinter ihm. Schnell ritt er weiter.
Hinter ihm klang Hufschlag auf. Er riss den Colt aus der Halfter, wandte sich um und schoss zurück. Schattenhaft sah er die Gestalten, die ihn verfolgten. Plötzlich brach ein Pferd getroffen zusammen. Ein Mann wurde durch die Luft geschleudert und fiel dann zu Boden. Die anderen schwenkten nach den Seiten und blieben zurück. Hätten sie gewusst, welchen der Reisenden sie verfolgten und was er bei sich hatte, wären sie sicher hartnäckiger gewesen.
Tom jagte über einen Hügel, hinter dem das Land flach und weit zu übersehen war.
Immer wieder schaute er zurück. Doch sie folgten ihm nicht.
Kurz darauf sah er die Umrisse eines massiven Hauses aus der Dunkelheit auftauchen. Schwacher Lichtschein drang durch die geschlossenen Fensterläden.
Als Tom näherkam, sah er, dass ein Palisadenzaun an das Haus angebaut war und es in einem Halbkreis umlief. Die Rückwand des Hauses bildete einen Teil der Befestigungsanlage.
Vor dem Haus hielt er an. Der Kopf eines Mannes tauchte auf, und Tom sagte: „Machen Sie auf. Ich bin Tom Calhoun, der Vertreter des Marshals von San Angelo. Drei Meilen von hier liegt die Postkutsche fest. Wir wurden überfallen. Die Pferde sind tot.“
„Schön langsam, Mister. Können Sie denn beweisen, dass Sie der sind, für den Sie sich ausgeben?“
Tom griff nach dem Stern an seiner Weste, machte ihn ab und warf ihn über die Palisaden.
Der Kopf des Mannes war verschwunden. Bald darauf wurde das Tor geöffnet. Tom Calhoun ritt in den Hof. Neben dem Brunnen rutschte er vom Rücken des Pferdes. Ihm schmerzten alle Glieder, und die Tasche hing wie ein schwerer Stein in seiner Hand. Auf der anderen Seite des Brunnens stand ein gesatteltes Pferd. Hinter dem Sattel waren zwei große Taschen befestigt. Jetzt sah Tom auch den zweiten Mann. Er trug Lewishosen und ein Buschhemd. Auf dem Kopf trug er eine Biberfellmütze. Er hielt ein Henrygewehr in der Hand.
Der Stationer schloss das Tor und kam dann über den Hof. Bei Tom blieb er stehen und gab ihm den Stern zurück.
„Wer ist der Mann?“, fragte Tom und zeigte zu dem Fremden hinüber.
„Das ist der Postreiter. Er kommt von Fort Worth.“
Tom ging auf den Mann zu. Als er dicht vor ihm stand, erkannte er ihn.
„Wenn ich nicht irre, waren Sie es, der die Nachricht mitbrachte, dass Nat Leet eine Postkutsche überfallen und achtzehntausend Dollar erbeutet hat.“
„So war es, Mr. Calhoun. Der sind Sie doch, nicht wahr?“
„Ja“, sagte Tom und hielt die Satteltasche hoch. „Hier ist das Geld. Leet ist tot. Einer seiner Kumpane konnte uns entkommen. Er hat neue Leute um sich versammelt und will mir das Geld abjagen. Aber es gibt noch mehr, die darauf scharf sind. Reiten Sie von hier aus nach Shelton Falls?“
„Ja.“
„Das freut mich. Ich möchte gern noch etwas mit Ihnen besprechen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“
*
Tom Calhoun ritt auf die Buschmauer zu. Die Pferde hinter sich hielt er dicht beisammen. Er hatte in der Hoffnung, nicht bemerkt zu werden, einen Bogen geschlagen. Als er aber bis auf wenige Yard an die Büsche heran war, schlug ihm Gewehrfeuer entgegen.
Den Colt in der Linken, feuerte er zurück. Ein Schrei wehte zu ihm herüber und verriet ihm, dass er getroffen hatte. Er trieb die Pferde vor sich und schoss hinter ihnen in die Luft.
Von panischer Angst getrieben rannten sie los. Irgendwo ertönte ein Schrei. Da jagte er schon in das Buschwerk hinein. Dicht vor sich sah er die Pferde in einer großen Staubwolke.
Auf der anderen Seite angekommen, schossen sie hinter ihm her. Harmlos wehten die Kugeln vorbei. Tom war voll damit beschäftigt, die Zügel der Pferde wieder in die Hände zu bekommen. Er hatte es gerade geschafft, da tauchte die Kutsche vor ihm in der Dunkelheit auf.
Das Gewehrfeuer hinter ihm war verstummt. Die Banditen wagten sich offenbar nicht näher heran. Plötzlich krachte vor ihm ein Schuss. Der Mündungsblitz schien ihm direkt entgegenzurasen. Instinktiv hatte er sich geduckt. Über seinem Kopf hörte er das bösartige Sirren der Kugel.
„Verdammt, ich bin es, Calhoun!“, rief er und ritt weiter. Als er näherkam, sah er, dass es Faltons Gewehr war, aus dem geschossen worden war. Ein dünner Rauchfaden kräuselte sich noch vor der Mündung.
„Ich konnte schließlich nicht wissen, dass Sie es sind“, knurrte der Mann. „Die Banditen haben uns zweimal angegriffen.“
„Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Tom statt einer Antwort. „Los, schirrt die Pferde ein!“ Dann nahm er die Satteltasche in die linke Hand und ging auf Ben Warthon zu. Schnell prüfte er dessen Handschellen und die Kette.
„Hatten Sie etwa Angst, der Kutscher könnte ihn befreien?“, fragte das Tanzmädchen.
Tom richtete sich auf und maß sie mit einem kalten Blick.
„Natürlich nicht“, entgegnete er. „Aber ich überzeuge mich am liebsten selbst, ob alles noch in Ordnung ist. Übrigens, konnten Sie mich erkennen, als ich aus den Büschen kam?“
„Nein. Wenigstens nicht genau.“
Fragend blickte sie ihm ins Gesicht.
„Ich hätte gern gewusst, ob Falton mich wirklich für einen Banditen halten konnte. Es war also möglich.“ Tom nahm die Tasche, die er für einen Moment auf die Erde gestellt hatte, hoch und warf sie in die Kutsche. Er wandte sich ab, um zu den Männern zu gehen, die dabei waren, die Pferde einzuschirren, da fielen wieder Schüsse. Dicht neben seiner Wange spürte er den heißen Atem einer Kugel.
Er riss den Colt aus der Halfter und fuhr herum. Noch in der Drehung schlug er mit der linken Hand über den Hammer.
Die Kugeln fuhren in die Büsche. Vorn hörte Tom den Navy Special 38 aufbrüllen. Cory schoss ebenfalls auf die Buschmauer.
Tom Calhoun schaute zu Falton, der unentschlossen bei den Pferden stand. Langsam glitten die Zügel aus seinen Händen. Tom wusste, dass Falton, sollte er wirklich zu den Banditen gehören, die undankbarste Aufgabe hatte, die ein Mann überhaupt haben konnte.
„Tun Sie doch was, Falton!“, schrie Tom. „Stehen Sie nicht so herum.“
Der Mann zuckte zusammen, als wäre er bei etwas ertappt worden. Dann bückte er sich und nahm hastig die Zügel wieder auf.
Langsam ging Tom zurück. Er sah, dass sich das Mädchen gerade von der offenen Tür abwandte. Ein kleines Lächeln lag um seine Mundwinkel. Er wusste, dass sie auf die Tasche geschaut hatte. Vielleicht hatte er sich einen Augenblick zu früh umgedreht.
„Warum