„Sie wissen so gut wie ich, dass er ein Bandit ist.“
„Nichts wissen wir, Cory. Wir können nur manches vermuten.“
„Wenn wir schlafen, wird er seinen Freunden ein Zeichen geben. Sie können dann hereinkommen und werden mit uns leichtes Spiel haben.“
„Hören Sie auf, Cory. Ihre ganze Sorge gilt doch nur der Tasche. Sie haben Angst, sie könnte in Hände geraten, aus denen Sie sie nicht mehr zurückholen können. Doch ich sage Ihnen, wir werden nicht schlafen. Wir werden aufpassen. Natürlich darf er davon nichts merken. Ich will von jetzt an Klarheit in die Sache bringen, Zug um Zug. Das gilt für alle Dinge, die mit dieser Reise in Zusammenhang stehen.“
Cory gab sich den Anschein, als habe er nicht verstanden.
„Na gut“, knurrte er. „Dann wollen wir uns postieren.“
„Nicht so hastig. Erst gehen wir noch einmal hinein. Vorhin habe ich gesehen, dass an der Seite ein Fenster ist. Anscheinend gehört es zur Küche. Dort kommen wir wieder hinaus. Noch eins, Cory: denken Sie daran, dass ich Sie nie hinter mir haben möchte. Ich denke, Sie wissen warum.“
Mit hölzernen Schritten betrat Cory vor ihm das Haus. Tom Calhoun folgte ihm.
Lola Starr saß noch immer an dem Tisch. Ihre schlanken Hände bemalten die Platte mit unsichtbaren Figuren.
„Du solltest endlich schlafen gehen“, sagte Cory zu ihr.
„Ich habe doch gewusst, dass ihr euch besser kennt, als ihr zugeben wollt“, sagte Tom und lächelte. „Wie ich sehe, kommen wir der Sache immer näher.“ Sie gingen weiter in die Küche. „Denken Sie nicht, dass er Sie nur prüfen will. Er macht einen cleveren Eindruck.“
„Er hat keine Gelegenheit, jemanden zu prüfen, Cory. Das ist entscheidend. John Monk will das Geld jetzt. Er hat Angst, dass sich schnell Verfolger an seine Fersen hängen könnten, wenn wir erst zu nahe an Shelton Falls sind. Es bleibt nur noch diese Nacht. Also hat Falton keine Zeit.“
Der Spieler trat zum Fenster und öffnete es leise. Kurz nacheinander stiegen sie hinaus. Tom Calhoun hatte die Satteltasche noch immer in der Hand. Sie behinderte ihn stark. Doch er wusste nirgends einen Platz, an dem er sie lassen konnte.
*
„Da!“, zischte Cory, als Falton die Hand mit dem Gewehr hob und offenbar ein Zeichen gab. Mit einem Satz wollte er vorwärtsspringen. Tom konnte ihn noch an der Schulter fassen und zurückhalten.
„Immer langsam, Cory“, flüsterte er. „Daraus können wir ihm noch keinen Strick drehen.“
„Sie wollen die Banditen doch nicht erst hereinkommen lassen?“
„Das nicht. Aber sie müssen so nahe sein, dass Falton schießen müsste. Los, wir gehen nach rechts.“
Schon wollte Cory losgehen, da wandte sich Falton um. Aber der Spieler stand noch so, dass ihn Falton in der Dunkelheit nicht erkennen konnte. Er schaute wieder nach draußen.
„Jetzt!“, drängte Tom Calhoun.
Cory duckte sich zusammen und lief am Palisadenzaun entlang. In seinem Schutz kam er bis zum Stall, der ihm wieder volle Deckung gab.
Dicht hinter ihm folgte Tom. Schnell huschte Cory weiter. Da ließ Tom die Tasche in eine Regentonne fallen. Cory blieb stehen.
„Auf die Planke“, raunte Tom. „Wir müssen die Gegend übersehen können.“
Sam Cory nahm Anlauf und sprung lautlos zur Planke hinauf. Tom folgte seinem Beispiel.
„Geht alles in Ordnung, Duke?“, ertönte in diesem Moment eine Stimme.
„Gar nichts ist in Ordnung, ihr elenden Schurken!“, keifte Cory, und die erste Kugel fuhr aus seinem Navy Special 38.
Draußen erschallte infernalisches Geschrei. Schüsse peitschten auf. Tom fuhr auf dem Absatz herum. Faltons Gesicht leuchtete ihm spitz und bleich durch die Dunkelheit entgegen. Dann rannte er vorwärts. Fauchend fuhr ihm ein Flammenblitz entgegen, ein Schlag traf seine Hüfte und ließ ihn zusammenzucken. Als er mit der Schulter gegen den Palisadenzaun schrammte, sah er die zweite Feuerblume aufblühen. Doch die Kugel ging an ihm vorbei. Mit schwankender Hand hob er die Waffe und schoss. Falton warf die Arme in die Höhe und taumelte zurück.
Schweratmend wandte er sich um. Noch zweimal brüllte Corys Revolver auf, dann war draußen ein Schrei zu hören. Vor Toms Augen tanzten bunte Kreise, aus denen Feuer zu springen schien. Ihm war speiübel, dennoch tappte er vorwärts, dann aber fiel er von der Planke.
Ein rasender Schmerz durchzuckte ihn, als er auf die Erde schlug. Doch plötzlich sah er alles wieder klar vor sich.
Nicht weit vor ihm lag Falton auf dem Boden. Er bewegte sich nicht mehr. Irgendwo in der Ferne ertönte Hufschlag, der rasch leiser wurde. Da glaubte Tom hinter sich Schritte zu hören und wollte sich aufrichten. Aber er schaffte es nicht.
Cory beugte sich über ihn.
Aus dem Haus kamen die Männer gelaufen. Cory fluchte leise und wälzte Tom auf den Rücken. Finster starrte er ihn an.
„Tot bin ich nicht, Cory“, murmelte Tom Calhoun. Dann wurde es finster um ihn. Er hatte das Bewusstsein verloren.
*
„Ich muss die Wunde ausbrennen“, knurrte Al Dreek. „Halten Sie ihn fest, Cory.“
„Wie steht es mit ihm?“
„Es ist nicht weiter schlimm. Nur eine kleine Fleischwunde.“
„Wird er lange liegen müssen?“, fragte der Spieler und blickte auf den immer noch bewusstlosen Tom Calhoun, dessen Gesicht grau und eingefallen aussah.
„Ungefähr drei Tage“, erwiderte der Postfahrer. „Aber bei ihm bin ich mir da nicht sicher. Sie kennen ihn vielleicht nicht so gut wie ich “
Cory packte Tom an den Schultern und hielt ihn so fest.
Dreek gab dem Stationer ein Zeichen, worauf der eine weißglühende Stange aus der Küche holte.
Ein Frösteln kroch über Lola Starrs Rücken, obwohl es warm im Stationsraum war. Mit bleichem Gesicht wandte sie sich ab und ging fort.
Sie trat vor die Tür und sah Falton, der noch immer neben dem Palisadenzaun lag. Die Männer im Haus schienen ihn vergessen zu haben.
Als ein Stöhnen an ihre Ohren drang, überlief sie ein heftiges Zittern.
Momentan schien niemand im Haus daran zu denken, dass die Station unbewacht war. Vielleicht wäre das die günstigste Stunde für die Banditen gewesen. Doch sie konnten es nicht wissen.
Lolas Blick wanderte von einer Palisadenkrone zur anderen. Von überall glaubte sie fratzenhafte Gesichter auf sich zukommen zu sehen. Plötzlich verschwand der Spuk wie dünner Nebel, der sich aufgelöst hatte.
Schritte näherten sich. Dann stand der Spieler neben ihr.
„Calhoun hatte die Tasche nicht mehr bei sich, als er verwundet wurde. Er muss sie irgendwo versteckt haben.“
Sie schwieg.
„Warum sagst du nichts?“, fragte er heftig.
„Es tut mir leid, Sam. Aber ich habe Angst. Unbeschreibliche Angst.“
„Du Angst?“
„Ja.“
„Wovor?“
„Das ist es ja, ich weiß es nicht. Siehst du Falton? Dort liegt er. tot.“ Sie zeigte mit dem ausgestreckten Arm zu dem Toten hinüber. „Vor kurzer Zeit glaubte er noch,