Pete Hackett

Sammelband 5 eisenharte Western Juni 2019


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      „Die Riemen sollen verhindern, dass jemand die Tasche schnell ausräumen kann.“

      „Ich glaube nicht, dass sich die Banditen so viel Mühe machen werden. Sie werden die Tasche an sich bringen, wie sie ist.“

      „Sie sollten sich darüber wirklich nicht so viel Gedanken machen, Cory. Außerdem langweilen Sie mich damit.“

      Schlagartig veränderte sich der Gesichtsausdruck Corys. Ein kalter, brutaler Zug beherrschte es eine Minute lang.

      „Nie in meinem Leben ist mir ein Mensch begegnet, der arroganter war als Sie“, knurrte er.

      „Soll das heißen, dass mancher andere mit sich hätte über das Geld reden lassen?“

      „Ich will nur, dass es nicht in unrechte Hände fällt, sollte Ihnen etwas zustoßen, Calhoun“, erwiderte der Spieler, während sich ein hämisches Grinsen in seinem Gesicht breitmachte. „Sie müssen doch zugeben, dass ich sehr besorgt um Sie und das Ihnen anvertraute Geld bin.“

      „Sie sind so besorgt, dass der Teufel viel Freude an Ihnen haben wird. Ich bin sicher, dass er Sie bald holt, Cory.“

      Unbeeindruckt schaute der Spieler aus dem Fenster.

      Tom Calhoun blickte zu dem Gefangenen hinüber. Ben Warthon saß zusammengesunken auf der Bank. Er musste an die Worte des Jungen denken, der ihm über Cory und das Mädchen etwas hatte erzählen wollen. Seither war der Junge sehr schweigsam. Tom überkam ein eigenartiges Gefühl und er ertappte sich bei dem Gedanken, dass man vielleicht doch nachforschen sollte, ob es in Texas einen Farmer gab, der Warthon hieß und Bens Vater war. Aber was hätte das an den Tatsachen noch geändert. Selbst wenn Ben Warthon wirklich von zu Hause fortgelaufen war, besagte das nicht, dass er nicht zu einem Banditen geworden war.

      *

      Als die Kutsche vom Hügelrücken herunterkam, öffnete Jeff Kieler das Tor. Tom konnte ihn vom Fenster aus sehen. Die Kutsche hielt an, und das Tor wurde wieder geschlossen.

      „Hier haben wir erst die Hälfte der Hölle hinter uns“, sagte der Fahrer und kletterte vom Bock.

      Tom öffnete den Schlag und stieg aus. Dann reichte er Ben Warthon die Hand und half ihm aus der Kutsche heraus, weil er durch die Fesseln arg behindert war.

      „Du kannst heute auch in einem Bett schlafen“, sagte er rau. Plötzlich hatte er das Gefühl, als habe er sich bei Ben für irgend etwas entschuldigen wollen. Am liebsten hätte er seine Worte wieder rückgängig gemacht. Doch das ging nicht mehr, denn die anderen hatten alles gehört.

      „Falton, Sie werden die erste Wache übernehmen, und zwar sofort“, sagte Tom zu dem Mann, der noch auf dem Bock saß, sich nun aber erhob und heruntersprang. Dann wandte er sich um und schob Ben Warthon vor sich her in das Stationshaus hinein.

      Das Innere des Hauses unterschied sich kaum von Harpers Station. Auch hier stand im Vordergrund ein Tisch mit Stühlen, und im Hintergrund wurde der Schlafraum von herabhängenden Decken abgetrennt.

      Tom hob den Arm mit der Tasche und ließ sie auf den Tisch fallen. Neben ihm klapperte die kurze Kette zwischen Bens Handgelenken. Er hatte sich auf einen Stuhl fallen lassen, und Tom sah. dass sein Gesicht grau und eingefallen aussah. Sicher dachte er mit Grauen daran, dass Shelton Falls trotz aller Gefahren immer näher rückte.

      In diesem Moment betrat Lola Starr den Raum. Sie schloss die Tür und blieb an ihr stehen.

      Tom hatte den Eindruck, als würde sie sich in dem großen Raum einsam und verlassen Vorkommen.

      „Die nächste Kutsche kommt in vier Tagen hier an“, sagte er. „Das ist keine allzu lange Zeit.“

      „Sparen Sie sich jedes weitere Wort darüber, Mr. Calhoun“, sagte sie. „Ich bleibe nicht hier.“

      Tom schaute aus dem Fenster und sah Sam Cory, der dem Fahrer half, die Pferde auszuschirren. Dann brachten sie sie in den Stall.

      „Es ist Ihre Sache, und Sie müssen wissen, was Sie tun“, sagte er, ohne sich umzudrehen.

      Der Stationer verschwand in der Küche. Bald darauf kam er wieder zum Vorschein und hatte einen Topf in der Hand, in dem sich eine dicke Mehlsuppe befand.

      „Leider kann ich nichts anderes anbieten“, sagte er entschuldigend. „Der Vorratswagen ist noch nicht angekommen.“

      „Das ist nicht schlimm“, erwiderte Tom Calhoun. „Wir sind nicht verwöhnt, nicht wahr, Miss Starr?“

      „Das stimmt. Aber trotzdem muss jeder leben, Mr. Calhoun. Das haben Sie doch gemeint.“

      „Sie wissen genau, dass ich es nicht so gemeint habe. Es ist auch nicht meine Absicht, auf Sie einzureden, wie auf ein krankes Kind, von dem man schließlich kein Verständnis für eine bestimmte Lage erwarten kann. Ich weiß, dass irgendwann die Stunde kommen wird, wo ich vergessen werde, dass Sie eine Frau sind, die man eigentlich bedauern müsste.“

      „Könnten Sie mir ein bisschen helfen, Miss?“, fragte der Stationer..

      „Ja“, antwortete sie und folgte ihm in die Küche.

      Tom ließ sich Ben Warthon gegenüber auf einen Stuhl nieder.

      „Hast du irgendwo gearbeitet, nachdem du deinem Vater weggelaufen bist?“, fragte er.

      „Nein. Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass ich weit weg wollte. Ich bin nach Westen geritten.“

      „Ja, Ben, das hast du gesagt.“

      „Dachten Sie etwa, dass ich es inzwischen vergessen habe?“

      „Vielleicht, Ben. Vergiss es wieder.“ Tom Calhoun erhob sich und verließ den Raum. Über der Zaunkrone sah er Faltons Schultern und den breitrandigen Hut. Wann würde dieser Mann ausführen, weswegen er gekommen war? Für Tom stand es fest, dass Falton zu den Banditen gehörte, die John Monk um sich versammelt hatte.

      Jetzt spürte Tom die Müdigkeit, die wie ein schleichendes Gift seinen Körper überfiel. Außer dem Kutscher hatte er niemanden, dem er vertrauen konnte. Aber eins wusste Tom auch: Der Kutscher würde sich bestimmt nicht ärgern, wenn das Geld plötzlich verschwinden würde. Dann hätte sich die Lage schlagartig für ihn geändert, und endlich wäre die Gefahr für ihn vorbei gewesen.

      Tom musste lächeln, als er an die Dollars dachte. Darum ging es eigentlich gar nicht mehr ...

      Vom Stall her kam der Spieler langsam auf ihn zu. Er hatte die Hände tief in die Taschen versenkt und blieb dicht vor ihm stehen.

      „Wer wird auf die Tasche aufpassen, wenn Sie heute Ihre Wache übernehmen?“, fragte er.

      „Ich natürlich.“

      „Ich hatte gedacht, Sie würden mir Weavers Stern geben.“

      „Wie kommen Sie darauf?“

      „Nun, ich bin doch derjenige, der in Frage käme. Oder?“

      „Was wollen Sie damit eigentlich sagen? Sie müssen schon deutlicher werden, Cory.“

      „Bis jetzt habe ich keine Pflichten auf dieser Reise. Wenn Sie mir aber Weavers Stern anstecken, wird alles anders, Calhoun. Oder meinen Sie nicht?“ Tom lächelte den Spieler an, und seine Miene zeigte, wie geringschätzig er darüber dachte.

      „Sie müssen mich für einen kompletten Narren halten, Cory“, gab er zurück.

      „Wieso?“

      „Weil ich Sie und Männer Ihres Schlages kenne. Ein Stern hat für Sie nicht mehr Bedeutung als irgendein anderes Stück Blech. Dabei spielt es für Sie keine Rolle, ob Sie den Stern selbst tragen oder ob er an der Jacke eines anderen steckt.“

      Cory hob die Schultern langsam an und ließ sie mit einer Bewegung, die