Pete Hackett

Sammelband 5 eisenharte Western Juni 2019


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      „Du kannst reden so viel du willst. Ich habe trotzdem Angst.“

      „Lola, Calhoun ist verletzt. Der Kutscher sagte, dass er drei Tage liegen muss. Sie sind gerade dabei, ihn zu verbinden.“

      Verächtlich lachte das Tanzmädchen auf.

      „Du weißt so gut wie ich, dass er morgen wieder auf den Beinen sein wird und mit der Kutsche fährt.“

      „Ja, Lola, das denke ich auch. Kommt nur darauf an, wie lange er durchhält. Aber ich bin zu einem anderen Entschluss gekommen: sie sind jetzt alle aufgeregt. An die Tasche mit dem Geld denken sie nicht. Das ist unsere Chance. Jetzt müssen wir verschwinden. Sie werden es nicht so bald merken, und außerdem werden sie es nicht wagen, uns zu folgen.“

      „Hast du die Banditen vergessen?“

      „Nein. Einen habe ich erschossen. Nur drei entkamen. Ihnen wird der Spaß für diese Nacht vergangen sein. Sie sind bestimmt nicht mehr in der Nähe. Wenn es uns jemals gelingen sollte, dann jetzt.“

      Lolas Haltung veränderte sich schlagartig. Ein neuer Lebensstrom schien sie bei dem Gedanken zu durchpulsen. Sie blickte den Spieler an und nickte heftig. „Also, gut.“

      Cory grinste.

      „Dann geh jetzt ins Haus. Wir müssen uns möglichst unauffällig benehmen. Sollten sie mich vermissen, dann komm vor die Tür. Ich werde die Tasche suchen. Sie muss in Faltons Nähe liegen. Ich werfe sie zunächst einmal hinaus.“

      Das Mädchen nickte.

      Cory wandte sich um und ging schnell über den Hof.

      Lola Starr betrat das Haus. Auf der Schwelle blieb sie stehen. Sie sah Ben Warthon, der sie anblickte, und in seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht zu deuten vermochte. Doch er schien irgend etwas zu ahnen.

      Sie gab sich einen Ruck und ging weiter, bemüht, harmlos zu erscheinen. Doch sie wurde das Gefühl nicht los, dass man ihre Gedanken von ihrer Stirn ablesen konnte.

      „Das hätten wir“, sagte Dreek und richtete sich auf. „Nun wird er wohl wissen, dass jedem Grenzen gesetzt sind.“

      Lola war an den Tisch getreten und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Immer noch hingen Ben Warthons Blicke vielsagend an ihr. Er hatte die Lippen fest zusammengepresst, dass sie wie ein schmaler Strich in seinem Gesicht standen.

      Der Stationer verschwand in der Küche, und Al Dreek folgte ihm. Knarrend schlug die Tür hinter ihnen zu.

      Immer wieder huschten Lolas Blicke zu Ben Warthon hinüber.

      „Jetzt seid ihr eurem Ziel nahe. Sie dem Ihren und Cory dem seinen. Ich bin nur gespannt, ob er mit Ihnen teilen wird.“

      „Was sollen die dummen Reden?“, fuhr sie ihn gereizt an.

      „Ich habe Sie vorhin beobachtet. Jetzt ist Cory dabei, die Tasche zu suchen, nicht wahr?“

      „Du bist total übergeschnappt.“

      „Sie wollten, dass er das Geld an sich bringt, ohne dass jemand dabei zu Schaden kommt. Jetzt klappt es.“

      „Du willst es wohl auch haben?“

      „Das wollte ich nie. Sie wissen auch, dass ich von Nat Leet und der Satteltasche nichts gewusst habe.“

      „Ich? Woher sollte ich es wissen? Außerdem interessiert es mich nicht.“

      „Das kann ich Ihnen sagen, die Satteltasche werden Sie nie von hier fortbringen. Wenn Sie hinausgehen, werde ich schreien. Dann werden Dreek und der Stationer kommen.“

      Mit einem Ruck stand Lola Starr auf und ging zu ihm hinüber. Er saß auf der Bettkante und hatte die gefesselten Hände auf den Knien liegen.

      „Weißt du denn nicht, wo er den Schlüssel liegen hat?“, fragte sie leise.

      „Natürlich weiß ich es. Der Kutscher hat ihn an sich genommen.“

      „Schade, Ben. Ich hätte dir gern geholfen, weil ich dich verstehen kann.“

      „Nichts verstehen Sie. Ich bin kein Bandit!“

      „Vielleicht sagst du wirklich die Wahrheit, Ben. Aber sie glauben dir nicht.“

      „Der Richter muss alle meine Angaben nachprüfen.“

      Lola zuckte mit den Schultern.

      „Schon möglich, dass er es müsste, Ben“, sagte sie. „Aber ob er es tun wird ... Ich glaube nicht daran. Dazu kommt, dass sich mit deinen Angaben nicht viel anfangen lässt. Weißt du genau, dass Dreek den Schlüssel bei sich hat?“

      Bens Kopf sank herab.

      „Ja“, sagte er kleinlaut.

      Als Lola Starr sich wieder abwandte, öffnete sich die Küchentür, und Dreek erschien in ihrem Rahmen. .

      „Wo steckt eigentlich Cory?“, fragte er.

      Lola Starr blickte auf den noch immer bewusstlosen Tom Calhoun. dem die Härte noch jetzt im Gesicht stand.

      „Er ist draußen“ erwiderte sie und wandte sich ab. Dann trat sie in den nachtdunklen Hof hinaus.

      Cory tauchte aus der Finsternis auf und kam auf sie zu. Auch Dreek war aus dem Haus getreten.

      „Cory, wo waren Sie die ganze Zeit?“

      „Sie scheinen vergessen zu haben, was da draußen los ist. Ich habe mich ein bisschen umgesehen.“

      „Gut. Ich werde jetzt die Wache übernehmen.“ Der Fahrer ging zurück und holte sein Gewehr. Dann entfernte er sich auf das Tor zu.

      Lola schaute Cory fragend an. Seine Hände waren leer. Also hatte er die Tasche nicht gefunden.

      Für einen Augenblick kreuzten sich ihre Blicke, dann zuckte Cory die Schultern.

      „Wenn ich nur wüsste, wo er sie gelassen haben könnte!“ zischte er. „Eins weiß ich: bei Falton ist sie bestimmt nicht. Schließlich kann ich nicht überall herumschnüffeln. Vielleicht kann ich dann die Wache übernehmen.“

      Das Mädchen wandte sich um und sah den Stationer, der das Haus wieder betrat. Sie folgte ihm.

      „Wir wollen den Toten wegschaffen, Cory“, sagte Kieler, als der Spieler in den Raum kam. „Draußen liegt auch einer.“

      „Sie glauben doch nicht etwa, dass ich hinausgehe?“

      „Es wird uns nichts anderes übrigbleiben. Der Tote lockt nur die Geier und Wölfe an. Also kommen Sie!“

      Lola saß am Tisch und hatte den Kopf in den Händen vergraben.

      „Sie würden mit dem Geld nicht glücklich werden“, drang die Stimme Ben Warthons an ihre Ohren. Sie hob den Kopf und schaute ihn an.

      „Was?“

      „Sie würden keine Ruhe mehr finden. Er würde euch immer an den Fersen hängen und irgendwann einmal stellen. Er ist ein Mann, der hält, was er versprochen hat. Und er hat Marshal Clayburn etwas versprochen.“

      „Das klingt ja so, als würdest du davon etwas verstehen“, gab sie barsch zurück.

      *

      Der Morgen dämmerte bereits grau herauf. Der Gefangene lag auf seinem Bett und schlief. Tom Calhouns Bewusstlosigkeit war einem unruhigen Schlaf gewichen.

      Cory trat an den Tisch, an dem Lola Starr noch immer saß und eingeschlafen war. Als er ihren Arm berührte, fuhr sie erschrocken in die Höhe.

      „Sie ist weg“, sagte er leise. „Einfach verschwunden. Ich konnte sie nirgends finden.“

      Lola strich sich die Haare aus