rümpfte die Nase. Dann zog er die Tastatur heran und schrieb:
„Der Kampf ist eröffnet! Wir übernehmen die Verantwortung für die Versenkung der Yacht des zionistischen Finanzhais und die Vernichtung des Wochenendhauses des Niggerarztes! Beides verstehen wir als erste Warnschüsse! Der Kampf geht weiter!
Weißer Widerstand zur Befreiung von Gottes eigenem Land‟
7
Marion Thompson öffnete die Tür. Obwohl sie den hochgewachsenen, dicken Burschen kannte, wich sie unwillkürlich ein Stück zurück.
„Hi‟, sagte der Koloss mit auffallend hoher Stimme. „Bin mit Ricky verabredet.‟ Er schnaufte, als hätte er einen Dauerlauf und nicht vier lächerliche Treppen hinter sich.
Klein und zierlich, wie Marion Thompson nun einmal gebaut war, machte das Gigantische an Jack O′Neills Erscheinung einen fast furchterregenden Eindruck auf sie.
„Hi.‟ Sie zog die Tür auf. Jack O′Neill schob sich an ihr vorbei. Wie kann man nur so fett sein, dachte Marion. „Ricky ist in seinem Zimmer.‟
Jack voran steuerte die knapp vierzigjährige Frau mit den kurzen, schwarzen Haaren das letzte Zimmer des langen Ganges an. Sie glaubte Jacks Blicke auf ihrem Rücken zu spüren. Ihre Nackenhaare richteten sich auf.
Der Junge gefiel ihr nicht. Er gefiel ihr ganz entschieden nicht. Schon als er vor drei oder vier Monaten zum ersten Mal vor der Apartmenttür gestanden hatte, war Marion nicht wohl gewesen. Irgendetwas Kaltes, Glitschiges ging von dem Fettsack aus.
Aber was sollte sie tun? Ricky war fast achtzehn. Welcher Achtzehnjährige ließ sich schon die Freunde von den Eltern aussuchen? Außerdem tat Ricky schon seit zwei Jahren, was er wollte. Eigentlich tat er schon immer, was er wollte.
Eine martialische Grimasse fletschte sie von dem Poster auf Rickys Zimmertür an. Sie zog die Stirn kraus, als sie klopfte, wartete auf Rickys „Herein‟ und öffnete schließlich die Tür. Ricky saß vor seinem PC. Wo sonst? „Besuch für dich.‟
Eigentlich hätte Marion Thompson Jack nicht zu Rickys Zimmer führen müssen. Jack O′Neill wusste selbst, hinter welcher Tür sein Klassenkamerad residierte. Er war ja oft genug im Apartment der Thompsons gewesen, viel zu oft nach Marions Geschmack.
Sie führte ihn aber persönlich ins Zimmer – und zwar fast jedes Mal, wenn zufällig sie ihm die Apartmenttür öffnete – weil es sonst nicht viele Anlässe gab, das Zimmer ihres einzigen Kindes zu betreten. Außerdem lauerte sie jedes Mal auf Rickys Reaktion, wenn er diesen etwas unheimlichen Jack sah. Marion hatte da nämlich einen bestimmten Verdacht.
„Hi, Jack. Komm ’rein, hab schon auf dich gewartet.‟ Mehr sagte Ricky nicht. Und Jack sagte gar nichts. Nickte nur, ging zum Schreibtisch, und zog sich einen Stuhl neben Ricky. Das Holz ächzte, als der Koloss sich auf die Sitzfläche fallen ließ.
Marion hatte auf jedes Wort geachtet, noch mehr auf den Tonfall und natürlich auf Rickys Mimik. Sie hatte einen bestimmten Verdacht, wie gesagt. Aber da war nichts Auffälliges. Nur, dass Rickys schmales, bleiches Gesicht sich zu einem scheuen Lächeln verzogen hatte. Er lächelte nicht oft.
„Wollt ihr nicht ein bisschen an die Luft gehen?‟ Die Klinke in der Hand blieb sie an der Tür stehen. „Die Sonne scheint. Es ist wieder richtig warm geworden.‟
Haifische schwammen über den 21-Zoll-Monitor auf Rickys Schreibtisch – ein Bildschirmschoner. Marion versuchte sich zu erinnern, ob sie bei ihren seltenen Besuchen in Rickys Zimmer je etwas anderes auf dem Monitor gesehen hatte, als den Bildschirmschoner.
„Wir haben ein paar Sachen am PC zu erledigen‟, sagte Ricky.
„Würde dir gut tun, Ricky – siehst krank aus.‟ Ricky antwortete nicht, sah seine Mutter nur an. Der fette Jack warf seine Lederkappe aufs Bett und zog ein Kuvert aus der Brusttasche seines rot-schwarz-kariertem Thermohemds.
„Okay‟, sagte Marion. Sie blickte auf ihre Armbanduhr. „Ich bin in einer Viertelstunde wieder im Büro. Das Essen steht im Kühlschrank. Musst es dir nur warm machen.‟
„Danke, Mom.‟
Während sie die Tür zuzog, sah sie ein schwarzes Stück Stoff auf dem Teppichboden liegen, nicht größer als eine Zigarettenschachtel. Der Stoff, den Ricky mit Reißzwecken vor sein Schlüsselloch geheftet hatte. Als würde irgendjemand in der Familie an Türen lauschen!
Marion zog die Tür zu. Sie betrachtete das Poster. Ein Kerl in Kampfanzug und mit Riesenwumme in den Händen. Eine Figur aus irgend einer Comic-Serie, einem Computerspiel, oder weiß der Kuckuck aus was. Sein stumpfes Gesicht zog jedenfalls eine angriffslustige Grimasse.
Er hat sich gefreut, ihn zu sehen, dachte Marion. Na klar, außer diesem Jack O′Neill kommt ja sonst keiner vorbei. Sie seufzte und ging zurück in die Küche. Was findet er bloß an diesem Fettkloß?
Sie trank ihren Kaffee aus. Danach packte sie im Arbeitszimmer ein paar Unterlagen zusammen und verstaute sie in ihrer Aktentasche. Es war kurz vor sechs. Die Nacht würde wieder einmal lang werden.
Für den Montag nächster Woche hatte sich die Steuerbehörde angekündigt. Steuerprüfung – der Albtraum jedes Unternehmers! Marion und Henry Thompson hatten ein Architektenbüro in Lower Manhattan. Marion führte die Buchhaltung und managte das Büro. Henry war Architekt. Zwei weitere Architekten und ein Bauzeichner arbeiteten für die Thompsons.
Es war eine gute Entscheidung gewesen, von Marions Erbschaft vor zwei Jahren das große Apartment am Nordrand der Village in der fünfzehnten Straße zu kaufen. Mit seinem Umzug aus Sheridan, Wyoming, hatte das Paar sich selbstständig gemacht.
Das Büro hätte nicht besser laufen können. Natürlich fraß es jede freie Minute. Aber von nichts kommt nichts, pflegte Marion immer zu sagen. Und mit nur einem Kind, das zudem aus dem Gröbsten heraus war, konnte man schon eine Menge Zeit investieren.
Und jetzt eben die erste Steuerprüfung ...
Marion war aufgeregt. Seit zwei Tagen nahm sie Schlaftabletten, um während der kurzen Nächte wenigstens drei oder vier Stunden schlafen zu können. Sie schlüpfte in ihren Trenchcoat, klemmte sich die Aktentasche unter den Arm, und angelte den Wagenschlüssel vom Schlüsselbrett.
Schon fast an der Apartmenttür, zögerte sie. Sie blickte auf den Comic-Krieger an Rickys Zimmertür. Dieser unheimliche Fettkloß – was mag Ricky nur an dem finden? Sie seufzte. Und wenn mein Instinkt mich nun doch nicht täuscht?
Der schwarze Stofffetzen auf dem Teppichboden in Rickys Zimmer fiel ihr ein. Sie stellte die Aktentasche zurück auf die Kommode unter der Garderobe. Auf Zehenspitzen schlich sie zu Rickys Zimmertür.
Zuerst lauschte sie nur. Keine Stimmen drangen aus dem Zimmer. Was zum Kuckuck trieben die beiden? Sie hörte Stoff rascheln. Dann knarrte das Bett. Ich wusste es!
Blitzartig ging Marion in die Knie. Und tat etwas, was sie nie zuvor getan hatte: Sie spähte durch das Schlüsselloch ins Zimmer ihres Sohnes.
Was sie dort zu sehen bekam, war enttäuschend. Auf eine erleichternde Art enttäuschend. Es entsprach weder ihren Befürchtungen, noch den Fantasien, welche die Geräusche in ihr geweckt hatten.
Jack, der sich wohl gerade das Thermohemd