Thomas West

Sammelband 3 Thriller: Neue Morde und alte Leichen


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      Von Ricky sah sie den Rücken und dunkelblonden Lockenkopf. Dieser kleine, schmale Rücken ... Gott, die beiden passen zusammen, wie Karnickel und Elefant ...

      Ricky hantierte mit der Maus, seine Linke stach auf die Tastatur. Marion sah eine Graphik auf dem Bildschirm – die dreidimensionale Ansicht eines Gebäudes.

      Sie begriff, dass ihr Sohn mit der Software arbeitete, die sie im Büro für die Bauplanung und die Visualisierung geplanter Gebäude verwendeten. Ich glaub’s nicht – mein Sohn beschäftigt sich mit Architektur!

      Das Bett knarrte, der Fleischkloß stand auf. Er griff sich ein Kuvert vom Schreibtisch – das Kuvert, das er mitgebracht hatte – entnahm ihm ein Foto, klappte den Scanner auf und legte das Foto aufs Glas. „Okay‟, hörte sie ihren Sohn sagen. „Ich hol mir das Bild.‟

      Wenig später wurde die Computergraphik vom Foto eines Hauses überblendet. Marion erkannte eine kleine Vortreppe, kleine, dorische Säulen rechts und links der dunklen Haustür, ein kleines Zierdach über der Tür und einen Erker im ersten Obergeschoss. „Ich hab’s‟, hörte sie Ricky sagen.

      Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte Marion. Sie richtete sich auf und schlich zur Apartmenttür. Sie lächelte. „Ich bin weg, Ricky!‟, rief sie von der Tür aus.

      „Schon klar!‟, kam es zurück.

      Marion lächelte noch, als sie vor dem Haus in ihren Volvo stieg. Henry wird stolz sein, wenn ich ihm das erzähle.

      8

      „Ich hatte doch keine Ahnung!‟ Curseley schrie. „Ihr glaubt doch nicht, dass ich mit Terroristen Geschäfte mache!‟ Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Wenn ich gewusst hätte, dass der Typ ein bescheuerter Fanatiker ist, hätte ich ihm das Zeug doch nicht angeboten!‟

      „Allmählich zeigt er doch Nerven‟, sagte Clive.

      Wir standen vor der Glasfront des Verhörraums. Jay und Leslie nahmen Curseley in die Mangel. Den dritten Tag inzwischen. Ein Lautsprecher übertrug ihre und Curseleys Stimmen aus dem Verhörraum zu uns in den kleinen Konferenzsaal.

      „Sie machen also nur mit Leuten Geschäfte, die das Zeug nicht benutzen, das Sie ihnen verkaufen.‟ Wir sahen, wie Jay sich mit den Fäusten auf den Tisch stemmte, an dem Curseley saß. „Habe ich das richtig verstanden? Wer jemanden in die Luft sprengen will, der soll sich den Sprengstoff woanders kaufen, aber nicht bei Alex Curseley – wollten Sie das sagen?‟

      „Ich bin gerührt, Curseley.‟ Die Händen in den Hosentaschen stand Leslie hinter Curseley. „Doch wirklich – soviel Anständigkeit rührt mich.‟

      „Ja, gut!‟ Schon wieder brüllte Curseley los. „Ich hab Sprengstoff verkauft – aber doch nicht an Leute, denen der Teufel ins Hirn geschissen hat!‟

      „Das war doch schon fast ein Geständnis.‟ Ich stand auf und blickte auf die Uhr. Kurz vor zehn. Die Konferenz beim Chef lag an diesem Dienstagmorgen bereits hinter uns. „Wie ist es, Partner? Brechen wir auf?‟

      „Was bleibt uns übrig?‟ Milo zog sein Jackett von der Stuhllehne und hängte es sich über die Schulter. „Die Arbeit kommt nicht zu uns, also müssen wir zu ihr gehen.‟

      Der Bombenanschlag auf das Wochenendhaus in Coney Island hatte eine Menge Arbeit aufgeworfen. Wir wollten das soziale Umfeld Jerry Richards durchleuchten – Freundes- und Bekanntenkreis, Nachbarschaft, Familie und berufliche Konkurrenten.

      Wenn einer sich die Mühe macht, einen seiner Mitmenschen in die Luft zu sprengen, hatte er in der Regel etwas davon: Befriedigung von Rachegelüsten, einen Rivalen weniger, oder Geld von irgendeiner Versicherung. Kurz: Es musste ein Motiv geben. Wir würden es finden.

      Außerdem hatten unsere Kollegen von der Spurensicherung mal wieder eine Glanzleistung hingelegt: Aus zahllosen Splittern, Metallteilen und Trümmerstücken hatten sie den Wecker, den der Täter für seine Zeitzündung benutzt hatte, immerhin soweit rekonstruiert, dass sie das Modell bestimmen konnten. Und die Firma, die es herstellte.

      Geschäfte zu finden, die es verkauften, war ebenfalls unser Job. Milos und meiner. Unser Wochenprogramm stand fest.

      „Für eine Anklageschrift reicht es schon.‟ Clive stellte den Lautsprecher ab. Kein Ton drang mehr aus dem schalldichten Verhörraum. „Jetzt müssen wir nur noch diesen Ägypter zum Reden bringen.‟

      „Vergiss es‟, sagte Orry. „Der Mann hat keine Nerven. Außerdem betrachtet er sich als Kriegsgefangenen. Und uns als ungläubige Strauchdiebe, die seinen gerechten Kampf vereiteln wollen. Vergiss es.‟

      Der Mann hieß Hassan Al Turabi. Orry und Clive hatten den Auftrag herauszufinden, für welche Terrorgruppe er Anschläge vorbereiten sollte. Eine erste Spur führte zur palästinensischen Hamas. Clive und Orry arbeiteten eng mit der CIA zusammen.

      Milo und ich schlenderten zur Tür. Ich winkte den Kollegen einen Abschiedsgruß zu. In dem Moment öffnete sich die Tür, und Jonathan McKee kam in den kleinen Konferenzraum. Und zwar ziemlich stürmisch für seine Verhältnisse.

      „Gentlemen – ich habe zwei Neuigkeiten!‟ Einen Bogen Papier in der Hand blieb er unter dem Türrahmen stehen. Die Art, wie er uns anblickte – ernst, fast ein wenig erschrocken – verhieß keine allzu guten Nachrichten.

      „Das St. Vincents Hospital hat angerufen.‟ Der Chef drückte die Tür hinter sich zu. „Larry Hershel ist außer Lebensgefahr. Der leitende Arzt der Intensivstation glaubt, dass er bis zum Ende der Woche vernehmungsfähig sein wird.‟

      Er tat zwei Schritte in den Raum hinein. „Und dann haben verschiedene Zeitungsredaktionen angerufen.‟ Milo, der ihm am nächsten stand, drückte er das Blatt in die Hand. „Dieses Schreiben fanden sie heute morgen auf ihren Servern.‟

      Während der Chef zu einem Stuhl ging, las Milo den Brief. „O Bullshit! So was Hirnrissiges!‟ Er reichte mir das Papier.

      „Ein Bekennerschreiben.‟ Der Chef ließ sich auf den Stuhl sinken. Er seufzte vernehmlich.

      Orry und Clive kamen zu mir. Zu dritt lasen wir die E-Mail.

      „Der Kampf ist eröffnet! Wir übernehmen die Verantwortung für die Versenkung der Yacht des zionistischen Finanzhais und die Vernichtung des Wochenendhauses des Niggerarztes! Beides verstehen wir als erste Warnschüsse! Der Kampf geht weiter!

      Weißer Widerstand zur Befreiung von Gottes eigenem Land‟

      „Die E-Mail wurde über den Server der Columbia University verschickt‟, sagte der Chef. „An die New York Times, an die Daily News und an die New York Post. Und zwar gestern Nachmittag schon. Sie sehen es an der Zeitangabe in der Kopfzeile.‟

      14.18 Uhr, las ich dort. Und in der Adresse des Absenders die Worte Butler Library. „Es ist von der Hauptbibliothek aus verschickt worden. Wenn ich’s recht in Erinnerung habe, müssen Studenten eine persönliche Codenummer angeben, wenn sie den Server der Universität benutzen.‟

      Der Chef wandte sich an Orry. „Clive und Medina – fahren Sie bitte gleich zur Columbia University und prüfen Sie das nach.‟ Die Kollegen nickten.

      „Weißer Arischer Widerstand hab ich schon gehört, Nationalsozialistische