der Woche liegen blieben.
Paul gähnte herzhaft. Esthers Haar kitzelte ihn an der Brust. Sie schnarchte. Er spürte ihre warme Haut auf seiner. Genau wie er war sie nackt.
Normalerweise wachte Paul spätestens um sieben Uhr auf. Auch ohne Wecker. Manchmal schon früher, durch das Moped des Zeitungsboten. Aber heute ...
Die Nacht war anstrengend gewesen. Erst die Suche nach den bösen Gangstern, die Esther schon ins Haus eindringen wähnte, und dann die Liebe. Der Sex zwischen Esther und ihm – der so seltene Sex – artete manchmal zum Hochleistungssport aus. Wenn Paul sein Weib denn mal in einer günstigen Stunde erwischte.
Vorsichtig löste er seine Arme von Esthers Körper. Er schaffte es aufzustehen, ohne sie zu wecken. Her mit dem Morgenmantel, und dann auf leisen Sohlen hinaus aus dem Schlafzimmer.
Im Bad rasierte er sich. Nicht elektrisch, wie an Schultagen, sondern nass. Danach die Dusche – erst so heiß, dass der Spiegel beschlug, und abschließend eiskalt. „Wow!‟ Paul fühlte sich wie neugeboren, während er sich vor dem Spiegel abtrocknete. Und um die Augen herum sah er auch ein bisschen so aus. Was guter Sex doch gleich ausmachte.
Im Morgenmantel stieg er die Treppe hinunter. Er ging in die Küche und zog den Kühlschrank auf. Das Glas Milch am Morgen war obligatorisch für Paul. Während er es trank, schaltete er den Tuner ein. Sein Lieblingssender war eingestellt – ein New Yorker Kultursender. Ein Allegro von Vivaldi jubelte aus den Boxen neben der Tür.
Wunderbar, dachte Paul.
Er ging zum Fenster und sah in den Vorgarten und zum Bürgersteig hinunter. Die Astern vor der Hecke standen in voller Blütenpracht. Eine Frau schob einen Kinderwagen an der Garteneinfahrt vorbei. Eine Katze hockte auf der Kühlerhaube eines am Straßenrand parkenden Mercedes.
Paul lachte in sich hinein. „Auf dem einzigen Wagen, den ich vom Küchenfenster aus sehen kann, sitzt eine Katze – wenn das kein gutes Zeichen ist ...‟
Er leerte das Milchglas. Die Milch, Paulie, nicht vergessen, heute Abend wird ein Teller mit Milch auf die Vortreppe gestellt ... für die Katzen, und Gott segne sie.
In die Spüle mit dem leeren Milchglas. Oder nein, gleich in die Spülmaschine. Und jetzt die Zeitung. An der Tür fiel sein Blick auf den Kalender. Der heutige Samstag war rot angestrichen. Paul klatschte sich an die Stirn. Die Sektparty bei den McMillans! Glatt vergessen! Prallvoller Samstag mal wieder! Aber morgen wird gefaulenzt. Aber morgen ...
Er schlurfte zur Haustür. Im Obergeschoss hörte er Esthers Schritte. „Bist du wach, Darling?‟
„O nein!‟ Sie beugte sich über das Treppengeländer. „Ich schlaf noch und träum von dir.‟ Ihre Lippen spitzten sich zu einem Kussmund.
„Ich liebe dich, Darling!‟, rief er.
„Ich dich auch.‟ Ihr Lächeln verschwand genauso schnell vom Geländer, wie es dort aufgetaucht war. Paul hörte die Badezimmertür.
Er grinste, während er die Haustür öffnete. Auch als er die Zeitung aus der Röhre zog, grinste er noch. Sein Blick fiel auf den Rasen. Ein paar rötlich verfärbte Blätter des Weinstocks lagen dort. Natürlich, es war ja längst Herbst.
Er entfaltete die Zeitung. Noch immer grinste er. Hervorragend, wenn der Tag mit solch leichten Gedanken begann. Mit solch süßen Erinnerungen.
Er drehte sich noch einmal nach den Blumen um. Im Asternbeet vor den Rosen stimmte etwas nicht. Paul sah genauer hin. Zwei oder drei Blumen waren abgeknickt. Astern, deren Blüten sich noch nicht einmal ganz geöffnet hatten.
Paul runzelte die Stirn. Zwangsläufig fiel ihm die Nacht wieder ein. Aber nicht der Höhenflug mit seiner Frau, sondern das, was ihn überhaupt erst möglich gemacht hatte.
Ich hab es rascheln gehört ... Esthers ängstliche Stimme füllte seinen Kopf plötzlich aus. Ich hab sogar Schritte gehört. Und später fuhr ein Auto weg ...
Paul ging wieder hinaus. Er lief die Treppe hinunter. Der Rasen war feucht. Vor dem Asternbeet bückte er sich. Spuren. Deutlich war das Profil der Sohlen in der feuchten Erde zu erkennen.
Ein Wagen rollte auf der Straße vorbei. Paul registrierte kaum. Er richtete sich auf und sah zu den Weinblättern neben der Treppe auf dem Rasen. Ein Farbton, der nicht dazugehörte, lugte durch das Herbstlaub des Weinstocks. Schwarz.
„Was ist das denn?‟
Mit drei großen Schritten war Paul an der Hauswand. Er ging in die Hocke und drückte das Geäst des Weinstocks auseinander. Und sprang augenblicklich zurück – ein schwarzer Kasten stand dort neben dem Wurzelstrunk des Weinstocks in dem schmalen Streifen Erde, der die Jugendstilvilla umgab. Ein schwarzer Kasten von der Größe einer Autobatterie. War es nicht sogar eine Autobatterie?
Vorsichtig begab Paul sich erneut in die Hocke, vorsichtig drückte er das Laub zur Seite. Ja – es sah aus wie eine Autobatterie. Aber was sollten diese Drähte bedeuten? Sie ragten aus dem Inneren des schwarzen Kastens und waren mit einem kleinen, runden Gehäuse verbunden, das Paul an eine Uhr erinnerte ...
Schlagartig schien sein Bauch sich mit Eis zu füllen. Er sprang auf. „Ich muss die Polizei verständigen!‟ Er hastete die Treppe hinauf. „Esther!‟, rief er. „Esther ...‟
Die Detonation ließ noch in den Nachbargebäuden Fensterscheiben zerklirren. Und Pauls Bewusstsein löschte sie von einem Augenblick auf den anderen aus.
13
Jerry Richards wohnte an der Ecke 3rd Avenue, Stuyvesant Street. Ganz in der Nähe der Grace Church, und schräg gegenüber der Cooper Union. Eine schöne Gegend eigentlich.
Die Cooper Union ist eine bekannte Universität, die mittellosen Studenten eine kostenlose Ausbildung ermöglicht. Ja, richtig – eine kostenlose Ausbildung. Auch so etwas gibt es bei uns in New York City.
Wir parkten auf dem Gelände der Universität, weil sonst weit und breit keine Parklücke zu finden war. Das Haus, in dem der Arzt wohnte, gehörte zu einem Block aus sechzehn recht ansehnlichen Häusern, über hundertfünfzig Jahre alt und im englisch-italienischen Stil gebaut.
Dieser Häuserblock heißt Renwick Triangle. Renwick hieß vermutlich der Architekt, aber dafür leg ich die Hand nicht ins Feuer. Und Triangle, weil der Block wie eine dreieckige Insel zwischen der 3rd Avenue, der 10th und der Stuyvesant Street liegt. Soviel zur Orientierung.
„Scheint gut zu verdienen, der Junge.‟ Milo blickte an der schmuckvollen Fassade des Hauses empor, in dem Richards wohnte.
„Oder seine Frau verdient gut.‟ Ich drückte den Klingelknopf neben dem Schild mit Richards’ Namen. Die Familie wohnte im zweiten Obergeschoss.
„Wer ist da?‟ Richards Stimme aus der Gegensprechanlage.
„Special Agents Trevellian und Tucker. Wir müssen Sie noch einmal sprechen, Dr. Richards.
„Kommen Sie hoch.‟ Der Türöffner summte. Es war gegen halb zehn. Die Konferenz der Sonderkommission hatte nicht lange gedauert an diesem Samstagmorgen.
Wir stiegen die Treppe hinauf. In einer offenen Apartmenttür erwartete uns ein dunkelhäutiger Junge von vielleicht sechzehn Jahren. Richards Sohn, nahm ich an.