Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Staffel 20 – Arztroman


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gehen denn so viele Ehen so früh wieder kaputt? Weil der Reiz so schnell vorbei ist, weil sie sich dann anöden, und wenn dann sogar die Finanzen nicht mehr stimmen, kommt die Ernüchterung, und danach leider allzu oft neue Affären, die genauso ausgehen. Was meinst du, was Daniel alles erfährt in seiner Praxis, und«, sie lächelte nachdenklich, »vielleicht hat auch das dazu beigetragen, dass er gefeit ist gegen Versuchungen.«

      »Er weiß genau, dass er solche Frau wie dich nie wieder finden würde.«

      »Er hat seine Erfahrungen vor der Ehe gesammelt«, sagte Fee gelassen, »und ich kann dir sagen, dass ich vor Eifersucht manchmal fast geplatzt bin.«

      »Seltsam, ich habe nie darüber nachgedacht, was vor unserer Heirat war«, sagte Viola.

      »Siehst du, das ist es.«

      »Thomas hat auch nie darüber gesprochen.«

      »Dann hättest du nachhaken sollen. Vielleicht hast du ihm das Gefühl gegeben, dass du überhaupt nicht eifersüchtig sein kannst, dass es dir in gewissem Sinn sogar gleichgültig ist.«

      »Ich habe mich daran gehalten, dass Liebe Vertrauen verlangt und Eifersucht ein Übel ist.«

      »Es ist schon viel dummes Zeug von weisen Leuten verzapft worden«, sagte Fee. »Aber ich meine, dass diese weisen Leute sich allzu erhaben dünkten. Menschen mit Herz, Seele und Geist sind der leidenschaftlichsten Gefühle fähig. Aber sie können einen Menschen, den sie lieben nicht gleichzeitig hassen. Du kannst Thomas nicht hassen, Viola. Du hast Angst um sein Leben.«

      Und welche Angst! Sie stand ihr im Gesicht geschrieben, als Dr. Jenny Behnisch sie zu Thomas’ Zimmer führte.

      »Sie dürfen nicht erschrecken, Frau Anderten, wir müssen ihn jetzt noch künstlich ernähren«, sagte Jenny. »Aber die Gehirnströme sind intakt, und das EKG ist beruhigend ausgefallen, auch die Nierentätigkeit ist wieder intakt.«

      »Aber er ist immer noch nicht bei Bewusstsein«, flüsterte Viola.

      »Er schläft jetzt ganz normal. Er wird viel Schlaf nachzuholen haben. Aber das hilft ihm auch.«

      »Sie sagen mir bitte Bescheid, wenn er bei Bewusstsein ist?«

      »Aber gewiss, Frau Anderten. Sie können jetzt ganz beruhigt heimfahren.«

      Was sollte sie nun den Kindern sagen? Wie es weitergehen würde, wusste sie ja noch nicht. Es gab immer noch eine Son­ja Bertram, die Ansprüche geltend machen würde.

      Und so war es auch. Nachdem Sonja ihren Schrecken überwunden und eine Nacht darüber geschlafen hatte, machte sie sich wieder auf den Weg zu Thomas’ Wohnung.

      Sie erkundigte sich bei dem Hausmeister, ob Dr. Anderten zurückgekehrt sei. Sie hätte es wohl anders formulieren sollen, denn der Mann musterte sie jetzt forschend und nachdenklich.

      »Dr. Anderten ist gestern Nacht ins Krankenhaus gebracht worden, aber so weit ich mich erinnere, sah ich Sie doch gestern Abend bereits hier.«

      Das behagte Sonja nun gar nicht, doch sie machte einen weiteren Fehler. »Sie müssen sich geirrt haben«, erwiderte sie abweisend. »Danke für die Auskunft!« Und schon entschwand sie wieder.

      »Sie war doch hier«, murmelte der Mann, »ich habe mich nicht geirrt. Warum gibt sie es nicht zu?« Da kamen auch ihm ganz seltsame Gedanken. Er war noch draußen bei den Garagen gewesen. Er hatte ihren Wagen kommen sehen, und sie war ausgestiegen. Und dann war sie ziemlich lange im Haus. Er hatte freilich nicht gewusst, zu wem sie wollte. Hier kamen und gingen auch Besucher, und er hätte auch nicht mehr über sie nachgedacht, wenn sie nicht nach Dr. Anderten gefragt hätte und dann leugnete, hier gewesen zu sein.

      Er war ein sehr gewissenhafter Mensch und meinte, Frau Anderten davon unterrichten zu müssen.

      Viola hatte den Kindern gerade mitgeteilt, dass der Papi krank von seiner Reise zurückgekehrt sei und nun einige Zeit in der Klinik liegen müsse.

      »Warum muss er denn auch immer so weit wegfahren«, sagte Benny. »Vielleicht hat er jetzt die Nase voll.«

      Gedanken eines Kindes, das nichts von den anderen Problemen wusste. Sandra fragte nur, ob es ansteckend sei.

      »Können wir ihn besuchen, Mami?«, fragte Benny.

      »Damit müssen wir noch ein Weilchen warten.«

      »Ich weiß schon gar nicht mehr, wie er aussieht«, sagte Sandra.

      Nun läutete das Telefon, und Hilde sagte, dass ein Herr Wuttke am Telefon sei.

      Wuttke? Viola musste sich erst erinnern, dass der Hausmeister so hieß. Allgemein wurde er mit seinem Vornamen Rudolf angeredet.

      Was er ihr erzählte, machte sie stutzig. »Sie meinen, dass Sie sich nicht irren?«, fragte sie.

      »Ich bin ganz sicher, dass sie gestern hier war. Eine knappe Stunde, bevor der Arzt kam. Gestern Abend wusste ich bloß nicht, zu wem sie wollte. Ich kann doch die Leute nicht einfach fragen.«

      Viola kam ein Gedanke. »Haben Sie die Dame schon früher mal gesehen, Herr Wuttke?«

      »Nein, daran kann ich mich nicht erinnern, aber wenn sie schon mal da gewesen wäre, hatte ich sie schon wiedererkannt, auch ihren Wagen. Ich habe ein gutes Gedächtnis, Frau Anderten.«

      Viola dachte lange nach, als sie den Hörer aufgelegt hatte. Sonja war also bei Thomas gewesen. Sie hatte nicht nur mit ihm telefoniert. Aber es konnte ja auch möglich sein, dass er schon vorher zusammengebrochen war und ihr die Tür nicht mehr öffnen konnte. Aber wieso sollte sie dann auf den Gedanken kommen, dass etwas passiert sein könnte?

      Sie ging zu Joana, die gerade beim Zuschneiden war. »Können Sie sich genau erinnern, was die Frau gestern Abend am Telefon sagte, Joana?«, fragte sie.

      »Wie ich es Ihnen schon sagte, Frau Anderten. Sie hätte angerufen, dann hätte sie ein Stöhnen gehört und ein dumpfes Geräusch und dann wäre die Verbindung unterbrochen gewesen.«

      Und so war es nicht, dachte Viola jetzt. Sie war bei ihm. Sie muss anwesend gewesen sein, als er zusammenbrach, und sie hat ihn liegen lassen. Vielleicht dachte sie, dass er tot sei und wollte nicht hineingezogen werden.

      Er hätte sterben können, dachte sie weiter. Sie wollte es mir überlassen, mich um ihn zu kümmern.

      Vielleicht dachte sie gar, ich würde nichts unternehmen.

      Würde es Sonja Bertram wieder wagen, sie hier aufzusuchen oder anzurufen? Oder würde sie gar zur Klinik fahren?

      Einstweilen wusste Sonja jedoch noch gar nicht, in welcher Klinik Thomas lag. Sie war in Unruhe gebracht worden durch die Bemerkung des Hausmeisters, doch kaltblütig wie sie war, redete sie sich rasch ein, dass ihr gar nichts zu beweisen wäre.

      Unterlassene Hilfeleistung könnte man ihr vorwerfen, aber Thomas würde sich wohl hüten, dies zu tun.

      Aber es ging ihr auch nicht aus dem Sinn, was er ihr gesagt hatte, sie zweifelte nicht daran, dass er es fertig bringen würde, mit ihr zu einem Frauenarzt zu gehen, um feststellen zu lassen, ob er als Vater des Kindes überhaupt infrage käme, und was dabei herauskommen würde, musste ihre Pläne endgültig zunichte machen. Diese Pläne waren letztlich darauf aufgebaut, dass Thomas seine Ehe nicht gefährden wollte. Er hätte gezahlt für ihr Schweigen und sie hätte sich zu einer Abtreibung bereit erklärt. Zu einer Abtreibung, die gar nicht stattzufinden brauchte.

      Wenigstens das sah Sonja ein, dass sie einen gewaltigen Fehler gemacht hatte, als sie Viola aufsuchte, dass sie dabei nicht einkalkuliert hatte, dass diese sofort Konsequenzen ziehen würde.

      Was nun? Wie konnte sie sich aus dieser Situation herauslavieren? Immerhin blieb die nackte Tatsache, dass sie kein Geld und keine Stellung hatte, und die Stellung hatte sie durchaus nicht freiwillig aufgegeben. Sie hatte diese aus sehr gewichtigen Gründen aufgeben müssen, und nun musste sie auch noch fürchten, dass Thomas auch dies erfahren würde, bevor sie Geld hatte, um sich abzusetzen.

      Aber warum sollte sie allein über die Klinge springen?