Tessa Hofreiter

Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman


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Kopfhörer auf und schlief.

      Sie lief wieder zur Haustür, rief Ines auf ihrem Handy an und drückte gleichzeitig auf den Klingelknopf. Als das nichts half, hämmerte sie mit der Faust gegen die Tür. Endlich hörte sie Schritte in der Diele.

      »Ist etwas mit meinem Großvater?«, fragte Ines mit zitternder Stimme, weil ihr klar war, dass etwas passiert sein musste, wenn Anna so einen Aufstand machte, um sie zu erreichen.

      »Nein, nicht mit deinem Großvater. Es geht um Marc, zieh dich an, wir fahren zu Seefelds, du musst Marc von einer Dummheit abhalten.«

      »Aber was ist denn?«

      »Wir haben es eilig, Ines.« Anna nahm das hellblaue Baumwollkleid, das auf einem Bügel am Dielenschrank hing, und drückte es Ines in die Hand. »Mach, ich erzähle dir unterwegs, was los ist.«

      *

      »Es ist so weit.« Marc ging zur Haustür, als er das Taxi in den Hof fahren sah.

      »Du machst einen Fehler, Marc«, wiederholte Sebastian, was er dem Freund in den letzten Minuten schon so oft gesagt hatte.

      »Lass es gut sein, Sebastian, ich weiß, du traust ihr nichts Böses zu, was wohl auch jedem schwer fallen würde, der sie kennt. Aber auch Engel haben ihre Schattenseite.«

      »Ja, sicher, aber in diesem Fall liegst du falsch.«

      »Anna kommt!«, rief Emilia, die mit Nolan in der Küche am Fenster stand und den Hof beobachtete.

      »Endlich«, sagte Sebastian und zog die Tür auf.

      »Was soll das?«, fragte Marc, als er Ines aus Annas Auto steigen sah.

      »Ich denke, du wirst nicht abreisen. Ich kümmere mich um das Taxi«, erklärte Sebastian.

      »Ich muss dir etwas gestehen«, sagte Ines, die sofort zu Marc lief und ihn an die Hand nahm.

      »Ich weiß es schon, du musst mir nichts gestehen«, entgegnete er und versuchte, sich von ihr zu lösen.

      »Du weißt gar nichts, komm mit.« Sie hatte kaum glauben können, was Anna ihr unterwegs erzählt hatte, aber wie es aussah, war Marc tatsächlich davon überzeugt, dass sie bereits vergeben war und ihm nur etwas vorgemacht hatte.

      »Mein Taxi wartet«, sagte er, als sie ihn in den Garten vor dem Haus zog, um mit ihm allein reden zu können.

      »Nein, tut es nicht, es fährt gerade wieder fort«, antwortete sie und schaute auf das Taxi, das den hell erleuchteten Hof verließ.

      »Ich werde meinen Flug verpassen.«

      »Egal, du hörst mir erst einmal zu. Setzen wir uns«, forderte sie ihn auf.

      »Und was jetzt?«, fragte er, als sie nebeneinander auf der obersten Stufe der Treppe saßen und über das schlafende Dorf hinwegschauten.

      »Bis vor zwei Tagen hatte ich Panik vor offenen Gewässern. Weil ich dich nicht gleich wieder verlieren wollte, wollte ich diese Angst bekämpfen, und ich wollte schwimmen lernen«, gestand sie ihm.

      »Das soll ich glauben?«

      »Ja, das sollst du glauben. Der Schönling, wie du ihn nennst, ist Schwimmlehrer. Sebastian hat ihn mir empfohlen.«

      »Warum hat Sebastian mir das nicht gesagt?«

      »Weil ich ihn darum gebeten hatte. Eine Frau, die sich vor Wasser fürchtet, die nicht einmal ein Hausboot betreten würde, was hättest du mit ihr anfangen sollen? Ich wollte erst herausfinden, ob ich es schaffen kann. Schließlich trage ich diese Angst schon fast mein ganzes Leben mit mir herum«, sagte sie und erzählte ihm, was sie empfunden hatte, als sie über die Reise zu den Niagara-Fällen sprachen.

      »Ines, es tut mir so leid! Dann auch noch das Missgeschick auf dem See, ich will mir gar nicht vorstellen, was in diesem Moment in dir vorging. Ich hatte doch keine Ahnung, und Miriam ...«

      »Miriam? Was ist mit ihr?«

      »Sie war bei mir«, sagte er, und dann hörte sie, dass ihre Cousine ihn zum See gelockt hatte. »Sie hat mir bestätigt, was ich zu sehen glaubte, und das tat weh. Verzeih mir, dass ich es einfach hingenommen habe. Du warst bereit, dich für mich mit deinen Ängsten zu konfrontieren, und was mache ich?«

      »Du verlässt dich auf das Urteil einer schönen Frau, von der du annimmst, dass sie mich gut kennt.«

      »Ich habe mich hinters Licht führen lassen.«

      »Ich hätte dir die Wahrheit sagen sollen, dann wären wir nicht in diese Lage gekommen.«

      »Dann sollten wir in Zukunft unsere Geheimnisse teilen.«

      »Einverstanden.«

      »Und vergiss das Hausboot! Wenn du mit mir nach Kanada kommst, dann verkaufe ich es, und wir werden an Land wohnen. Und die Schönheiten meiner Heimat kann ich dir auch auf dem Landweg zeigen.«

      »Ich möchte das Leben auf einem Hausboot aber gern einmal ausprobieren, und ich möchte auch richtig schwimmen lernen.«

      »Und ich möchte einfach nur, dass du bei mir bist.« Er nahm sie in seine Arme, betrachtete sie mit einem langen Blick und küsste sie. »Wir sollten uns bei Sebastian, Emilia und Anna bedanken, dass sie so tatkräftig eingeschritten sind«, sagte er, als er sie wieder losließ.

      »Und danach bringst du mich nach Hause. Ich will mich heute nicht mehr von dir trennen.«

      »Das würde ich auch nicht zulassen. Das sieht gefährlich aus«, stellte Marc lachend fest, als sie gleich darauf in die Küche der Seefelds kamen und Traudel in einem schwarzen Seidenmorgenmantel und weißen Pantoffeln mit einem Baseballschläger in der Hand dort antrafen.

      »Wollte jemand Einbrecher vertreiben?«, fragte sie und schaute auf Emilia und Sebastian, die zusammen mit Anna am Küchentisch saßen.

      »Ich denke, es waren böse Geister, die sie vertrieben haben«, sagte Benedikt, der in seinem Schlafanzug und einem kurzen hellen Morgenmantel hereinkam.

      »Könnte es sein, dass Miriam mal wieder diese Geister gerufen hat?«, fragte Emilia und schaute in die Runde.

      »Miri ist eben ein bisschen speziell«, seufzte Ines.

      »Sehr speziell«, sagte Traudel. »So, und nun koche ich uns einen Kakao, und dann möchte ich wissen, wer hier wen wirklich vertrieben hat. Oder muss ich Nolan danach fragen?« Sie legte den Baseballschläger auf einem Stuhl ab und schaute den Hund an, der mitten in der Küche hockte und von einem zum anderen sah.

      »Kakao hört sich gut an«, sagte Emilia.

      »Was ist mit euch beiden, ihr seid auch eingeladen«, wandte sich Traudel an Ines und Marc.

      »Danke, Traudel, aber Marc bringt mich jetzt nach Hause. Gute Nacht, ihr Lieben, wir danken euch für alles«, sagte Ines.

      »Danke, dass du mich vor dieser Dummheit bewahrt hast, Sebastian, bis morgen«, verabschiedete sich Marc und legte seinen Arm um Ines.

      »Ich habe von Anfang an gesagt, das passt«, erklärte Traudel und schaute den beiden nach. »Und jetzt zum Thema. Baseballschläger, Dummheit, was war da los?«

      »Bevor wir uns darüber unterhalten, habe ich euch auch noch etwas mitzuteilen«, sagte Anna. »Ich wollte eigentlich bis nächste Woche damit warten, aber wenn wir schon mitten in der Nacht hier zusammen sitzen...«

      »Willst du Bergmoosbach wieder verlassen?«, fragte Emilia leise, weil sie sich vor der Antwort fürchtete.

      »Nein, das will ich nicht, im Gegenteil. Ich möchte dir sagen, dass deine neue Fußballtrainerin gerade neben dir sitzt. Ich habe vor ein paar Tagen meine Lizenz erhalten, und Matthias und der Verein meinen, ich sei eine gute Wahl.«

      »Die beste Wahl!«, jubelte Emilia und fiel Anna um den Hals.

      »Auch überrascht?«, fragte Benedikt und zwinkerte seinem Sohn zu.

      »Angenehm überrascht«, sagte Sebastian