Tessa Hofreiter

Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman


Скачать книгу

– und dann musste sie sich setzen.

      Veilchen. Die Blumen, die für sie untrennbar mit ihrer heimlichen Liebe verbunden waren. Ein fast fünfzig Jahre altes Sträußchen lag getrocknet und gepresst zu Hause in ihrem Lieblingsbuch in ihrem Zimmer.

      Liebe Gerti, las sie auf der beiliegenden Karte, ich habe Dir schon einmal Veilchen geschenkt, vor vielen Jahren bei unserem Abtanzball, erinnerst Du Dich? Gerti, das Mädchen im silber-weißen Kleid, und der Duft von Veilchen gehören seitdem für mich zusammen.

      Aus dem zarten Kleid ist inzwischen ein gestärkter Arztkittel geworden, und der dünne Junge von damals ist – nun, lass es mich so sagen – in seinen Namen Wamsler hineingewachsen.

      Mach mir die Freude und triff Dich mit mir, wir könnten über alte Zeiten und alles, was das Leben uns gebracht hat, reden. Darf ich Dich morgen um 20:00h zum Essen abholen?

      Es freut sich auf Dich

      Korbinian

      Gerti ließ die Karte sinken. Es war zu viel auf einmal, sie konnte es gar nicht ganz fassen, was da eben passiert war. Korbinian, ihre große, heimliche Liebe, schickte Blumen und wünschte sich eine Verabredung mit ihr? Sie begegnete Caros Blick mit leuchtenden Augen.

      »Gerti, ist alles in Ordnung bei Ihnen?«, erkundigte sich ihre junge Kollegin.

      »Wie? Ja, ich glaube, schon«, antwortete Gerti. Ihr Blick wanderte zwischen den Blumen und der Karte hin und her, und ihr Gesicht strahlte, wie Caro es noch nie erlebt hatte. »Es ist alles in Ordnung!«

      »Wie schön, das freut mich«, antwortete Caro aufrichtig. Sie schaute zu, wie Gerti die Karte sehr behutsam in ihrer Handtasche verstaute.

      Für den Rest des Nachmittags schwebten Veilchenduft und Gertis Lächeln wie eine nicht fassbare, zarte Verheißung durch die Praxisräume und sorgten trotz der drückenden Hitze für Leichtigkeit.

      Ein wenig von dieser Leichtigkeit begleitete Caro, als sie abends nach Hause ging. Vor ihr lag ein schöner Abend mit ihrem Freund, den sie ohne Gespräche über oder gar mit Fiona verbringen wollte. »Liebling, bin jetzt zu Hause!«, rief sie in der Vorhalle und seufzte vor Behagen, als sie die Kühle des alten Hauses umfing. Sie schleuderte ihre Schuhe von den Füßen und lief über die Steinfliesen hinüber zu Felix, der in der Küche Salat zubereitete. Caro ließ sich in seine Umarmung fallen und rieb zärtlich ihre Nasenspitze an seiner. »Du Armer, hast heute am Herd stehen müssen! Gut, dass du dich wenigstens jetzt nur mit Salat beschäftigen musst.«

      »Ja, Fiona meinte auch, dass Salat das einzige ist, was man heute Abend essen kann.«

      So, Fiona meinte das also … Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Caro auf die große Salatschüssel, in der sich das Gemüse häufte. »Fiona hat noch nicht gegessen?«

      »Caro, sie ist bei uns zu Gast! Wäre das nicht ein bisschen merkwürdig, wenn wir sie allein essen ließen?«

      »Hier ist so einiges merkwürdig!«, murmelte Caro. Weil sie gerade herzhaft in einen Apfel gebissen hatte, schien Felix es nicht gehört zu haben.

      »Ich gehe jetzt in die Badewanne«, verkündete sie. »Darauf habe ich mich schon den ganzen Tag gefreut.«

      »Hm, da musst du erst gucken, ob Fiona schon fertig ist.«

      Caro glaubte, sich verhört zu haben.

      »Wie bitte? Was macht Fiona oben in unserem Badezimmer?«

      »Sie nimmt ein Bad!«, antwortete Felix mit leichter Ungeduld in der Stimme. »Unten gibt es nur eine Dusche.«

      »Und das war unbedingt nötig? Dass sie badet? Oben in dem Bad, das hinter unserem Schlafzimmer liegt?«

      »Mensch, Caro, jetzt hab dich nicht so!« Felix war genervt. »Sie ist schwanger, es ist heiß, ihre Knöchel waren geschwollen, und sie hatte Rückenschmerzen. Warum soll sie sich nicht in der Wanne entspannen dürfen?«

      »Weil es unser persönlichster Bereich ist! Man muss durch unser Schlafzimmer gehen, und dort haben Dritte nichts verloren! Außerdem ist mir auch heiß, meine Füße sind auch dick, und ich will mich nach einem langen Arbeitstag in meiner Wanne entspannen!«

      »Geh halt unter die Dusche und hör auf, dieses Theater zu veranstalten! Ist doch wurscht, ob du nun duschst oder badest.«

      »Ist es nicht! Außerdem geht es …«

      »Merkst du eigentlich, wie kindisch du dich anhörst?«, unterbrach Felix sie gereizt.

      Caro blieb der Mund offen stehen. »Du verstehst aber auch rein gar nichts!«, fauchte sie und schlug wütend die Küchentür hinter sich zu. Mit wenigen Sätzen rannte sie die Treppe nach oben, durch ihr Schlafzimmer und bummerte heftig gegen die geschlossene Badezimmertür. »Fiona? Komm raus! Jetzt gehört meine Badewanne mir!«

      Von innen antworteten leises Wasserplätschern und ein erschrockenes Stimmchen: »Oh, je, du klingst sauer. Entschuldige bitte, ich bin gleich fertig.«

      Mit wütenden Bewegungen zerrte Caro frische Kleidung aus ihrem Schrank. Als die Badezimmer aufging, drehte sie sich mit einem Ruck um und schleuderte der anderen jungen Frau einen bitterbösen Blick zu. Fiona ließ den Kopf hängen. »Entschuldige bitte, ich wollte nicht aufdringlich sein! Felix hat mir euer Bad angeboten, und ich dachte, es sei in Ordnung.«

      »Nein, das ist nicht in Ordnung! Es ist mir viel zu dicht!« Böse starrte Caro die andere Frau an. »Du strapazierst meine Gastfreundschaft und meine Nerven.«

      »Es tut mir leid«, wisperte Fiona, und dann kamen die Tränen. »Ich wusste nicht, dass du dich so aufregen würdest. Ich wollte dich doch nicht verärgern! Es ging mir nicht besonders, und das Baden hat uns so gutgetan.« Wie beschützend legte sie die Hände auf ihren Bauch. Mit einem zittrigen Lächeln fragte sie: »Ist jetzt wieder alles in Ordnung zwischen uns?«

      Caro schluckte die eigentliche Antwort hinunter und nickte. »Lass uns beim Essen weiterreden.« Sie wartete, bis die andere junge Frau das Zimmer verlassen hatte, dann verriegelte sie die Türen und ließ frisches Wasser in die Wanne laufen. Es war kühl, duftend und angenehm, aber die gewünschte Entspannung brachte es leider nicht.

      Dunkle Gewitterwolken zogen sich langsam zusammen, als die drei jungen Leute in der Veranda am Abendbrottisch saßen. Fiona bemühte sich um gute Stimmung und versuchte, über unverfängliche Themen zu plaudern.

      Felix schien den Streit in der Küche vergessen zu haben und unterhielt sich gut mit der jungen Frau.

      Caro aß schweigend. Irgendwann legte sie das Besteck zur Seite und schob den noch halbvollen Teller von sich. »Ich glaube, es ist an der Zeit, ein paar Dinge zu klären«, begann sie. »Felix weiß jetzt von der Vaterschaft, und ihr werdet Dinge wie Unterhalt, Besuchsrecht usw. mit unserem Anwalt klären können.«

      »Anwalt?« Fiona schaute erschrocken auf. »Aber wieso brauchen wir denn einen Anwalt? Wir verstehen uns doch auch so.«

      »Es ist besser so, diese Dinge von einem Juristen festlegen zu lassen«, antwortete sie ruhig. »Das betrifft aber nur Felix und dich. Etwas anderes ist es mit deinem Besuch hier im Haus. Das geht so nicht mehr und deshalb frage ich ganz direkt, wann du nach München zurückfährst.«

      Fiona biss sich auf die Lippen und warf Felix einen hilfesuchenden Blick zu. »Weißt du, das ist nicht so einfach«, begann sie zögernd. »Ich habe meine Wohnung in München aufgegeben. Das Leben dort ist teuer, und ich werde es mir mit dem Baby nicht leisten können. Außerdem finde ich, dass ich nicht das Recht habe, unseren Sohn von seinem Vater fernzuhalten oder Felix seinen Sohn vorzuenthalten. Deshalb wäre es das Beste für das Kind, wenn Felix und ich uns das Sorgerecht teilen, einvernehmlich und ganz ohne Streit. Ich werde hier in Bergmoosbach leben, und Felix und ich kümmern uns gemeinsam um die Erziehung unseres Sohnes.«

      Caro blieb jede Antwort im Hals stecken. Sie starrte Felix an, der wie betäubt zwischen den beiden Frauen hin und her schaute.

      »Hast du davon gewusst?«, fragte Caro.

      »Was? Ich, nein, hab ich nicht«,