Tessa Hofreiter

Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman


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leichte Anämie sollten wir in Auge behalten, Frau Bartels. Laut Mutterpass ist wieder eine Blutuntersuchung fällig. Ich empfehle Ihnen die Praxis von Doktor Seefeld, dort können wir auch gleich den nächsten Ultraschall machen. Und falls Sie länger in Bergmoosbach bleiben, könnten Sie sich auch für den Geburtsvorbereitungskursus anmelden.«

      »Ja, bitte tragen Sie mich ein, und wann könnte ich den Ultraschalltermin in der Arztpraxis bekommen?«

      »Wenn Sie wollen, gleich morgen Nachmittag, zu Beginn der Sprechstunde.«

      »Schön, dann werde ich dort sein.«

      Die erfahrene Hebamme musterte die Schwangere. Eigentlich war jetzt alles erledigt, und sie hätte gehen können, aber Fiona Bartels zögerte ihren Aufbruch hinaus.

      »Haben Sie noch etwas auf dem Herzen? Kann ich Ihnen noch irgendwelche Fragen beantworten?«

      Fiona lächelte schüchtern. »Ja, schon. Ich …, können die werdenden Väter mit zu den Vorbereitungskursen kommen?«

      »Selbstverständlich kann Ihr Mann mit dabei sein!«

      »Ich bin nicht mit dem Vater meines Babys verheiratet«, antwortete Fiona stockend. »Und unsere Situation ist ein wenig kompliziert. Vielleicht geht es nicht.«

      »Warten Sie ab. Reden Sie mit ihm. Er wird Sie bestimmt unterstützen wollen! Ein liebevoller Partner ist das Beste für eine gut verlaufende Geburt.«

      »Danke!« In Fionas hübschen Augen verlor sich der verzagte Ausdruck. »Ja, ich werde mit ihm reden. Bis morgen, Frau Bergmann.«

      »Bis morgen, Frau Bartels.« Anna lächelte der Schwangeren aufmunternd zu. Fiona war eine dieser Frauen, die in der Schwangerschaft besonders gut aussahen. Haare, Haut, Augen – alles hatte einen besonderen Schimmer. Das feine Leuchten, das von ihr ausging, wirkte ansteckend. »Sie schaffen das!«

      Jetzt lächelte die junge Frau ihr sanftes, süßes Lächeln. »Ja, inzwischen glaube ich das auch.«

      In der Küche des Sonnenhofs war der Ansturm der Mittagsgäste abgeflaut, und der Chefkoch konnte sich eine kleine Pause gönnen. Felix holte sich ein großes Glas Rhabarberschorle und ging zu dem kleinen Sitzplatz hinaus, der für das Personal eingerichtet worden war. Mit einem zufriedenen Seufzer öffnete er die oberen Knöpfe seiner Kochjacke und wollte sich entspannt zurücklehnen, als sich die Gartenpforte öffnete und Fiona eintrat.

      »Grüß Gott, Felix. Du hast gerade Mittagspause? Dann will ich dich nicht lange stören, du hast dir die freie Zeit wirklich verdient.«

      »Hallo, Fiona«, grüßte Felix unbehaglich zurück. »Wie geht es dir?«

      »Gut! Ich war eben bei der Hebamme zur Untersuchung, und alles ist in Ordnung. Ich habe nur eine leichte Anämie, aber das ist normal in der Schwangerschaft und wird überwacht, deswegen habe ich morgen einen Arzttermin bei eurem Doktor Seefeld.« Fiona holte etwas aus ihrer Handtasche und reichte es mit einem schüchternen Lächeln zu Felix hin­über. »Hier, das ist mein Mutterpass. Und das sind die Fotos vom Ultraschall. Ich dachte, vielleicht interessiert es dich, wie es unserem Kind geht und wie es aussieht?«

      Sprachlos starrte Felix auf das seltsame schwarz-weiße Foto, das er in der Hand hielt. Unser Kind. Sein Kind! Je länger er starrte, desto mehr konnte er erkennen: die Rundung des Rückens, das Köpfchen … Er schluckte, sagen konnte er nichts.

      »Morgen habe ich diesen Vorsorgetermin, bei dem auch wieder ein Ultraschall gemacht wird. Wir können unser Baby sehen, wie es sich bewegt, Felix! Und wir hören sein Herzchen schlagen! Das ist …, das ist einfach unbeschreiblich.« In Fionas blauen Augen schimmerten Tränen. »Ich bin in diesen Augenblicken immer allein gewesen, Felix, immer. Es wäre so schön, wenn du dieses Mal mitkommst. Du kannst dein Baby kennenlernen, deinen kleinen Jungen.«

      »Wa-was?«, stammelte Felix, völlig überrumpelt. »Ja, ich, ja, ich komme gern mit.«

      »Das ist sehr, sehr nett von dir!« Fionas Gesicht leuchtete. »Du ahnst nicht, wieviel mir das bedeutet, danke!« Sie verstaute den Mutterpass wieder in ihrer Tasche, das Ultraschallbild ließ sie auf dem Tisch liegen. »Das kannst du gern behalten, wenn du magst.«

      »Ja«, flüsterte Felix.

      Die junge Frau verabschiedete sich lächelnd. »Jetzt habe ich dich aber lange genug von deiner Pause abgehalten. Mach’s gut und bis morgen Nachmittag vor der Praxis Seefeld, in Ordnung?«

      Felix nickte, die Augen auf das Foto gerichtet. Sein kleiner Junge! »Bis morgen, Fiona.«

      Als er abends mit Caro am großen Esstisch über den Plänen für den nötigen Küchenumbau saß, fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder kreisten seine Gedanken um dieses unbekannte kleine Etwas, das sein Kind war.

      Für das er die Verantwortung trug.

      »Äh, übrigens hat Fiona morgen einen Termin in eurer Praxis«, sagte er.

      »Ich weiß«, antwortete Caro, »mor­gen ist Hebammensprechstunde und Ultraschall. Ich habe ihren Termin gesehen.«

      »Ich werde Fiona begleiten«, erwiderte Felix so ruhig, wie es ihm möglich war.

      »Oh!« Caro blickte auf, in ihrem Blick lag mildes Staunen. »Warum musst du denn mitgehen? Es ist doch nichts Beunruhigendes, nur eine Routineuntersuchung.«

      »Ich muss nicht mitgehen, ich möchte es!« Felix klang leicht gereizt. »Und warum sollte ich Fiona nicht begleiten? Immerhin ist es unser gemeinsames Kind, und bisher hat sie alles allei bewältigen müssen.«

      Caro schluckte ihre bissigen Worte hinunter und bemühte sich um eine ruhige Antwort. »Du nimmst deine Verantwortung sehr ernst.«

      »Gegenüber dem Kind, ja! Es kann nichts für diese seltsame Situation! Und irgendwie …, irgendwie denke ich, habe ich auch eine gewisse Verantwortung gegenüber der Mutter, das lässt sich nicht so einfach trennen.«

      »In Ordnung, Felix. Dann erwarte ich euch morgen also zu zweit.«

      Der junge Mann atmete auf und griff nach ihrer Hand. »Danke Caro! Ich kann mir vorstellen, wie seltsam dir das vorkommen mag. Ohne dein Verständnis wäre alles noch viel komplizierter.«

      Caro gelang ein Lächeln.

      »Schon gut, Partner. Lass uns jetzt weiter die Pläne des Architekten durchgehen.«

      »Küsschen, Küsschen!«, krächzte Kondor von seiner Stange herüber.

      »Gute Idee!«, grinste Felix. »Tante Magdalena hat gesagt, man soll ihm nicht widersprechen, sonst regt er sich nur fürchterlich auf.«

      Sein Mund streifte Caros Lippen, und dann wandte er sich wieder den Plänen zu. Die junge Frau schaute zu dem Papagei hinüber, der leise »Caro-Caro-Caro« gurrte. Was hätte wohl Magdalena Albers zu diesem ganzen Schlammassel gesagt!, dachte sie.

      *

      Wie immer, warteten schon Leute auf der Bank vor dem Doktorhaus, als Caro die Tür aufschloss. Gerti saß über ihre Papiere gebeugt, als der erste Patient an ihren Tresen trat.

      »Grüß Gott, Gerti Fechner!«, sagte eine warme Männerstimme, unter der ein Lächeln lag.

      Gerti schaute auf, und ihr Herz blieb stehen. Blieb einfach für einen Sekundenbruchteil stehen und stolperte dann wieder los. Bilder längst versunkener Erinnerungen rasten an der älteren Frau vorbei. »Korbinian!«, hauchte sie. »Korbinian Wamsler!«

      »So sehen wir uns wieder«, lächelte er. »Du, eine gestandene Frau als rechte Hand des Doktors, und ich ein älterer Mann, dem der Blutdruck zu schaffen macht.«

      »Ja, äh, nein«, stammelte Gerti. »Fast fünfzig Jahre …«

      »Ja, es ist lange her, dass du mir in der Tanzstunde den Kopf verdreht hast.«

      »Ich …, was?« Fassungslos schaute Gerti zu dem Mann auf, der einmal ihre heimliche große Liebe gewesen war.

      »Tanzschule Walthershof in der