habe keine Ahnung, was ich jetzt tun soll, Caro! Am liebsten würde ich mit dir ein paar Tage wegfahren, irgendwo auf eine Berghütte, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber ich kann die Sonnleitners nicht sitzenlassen, es ist unmöglich, jetzt Urlaub zu nehmen.«
»Und ich habe eben erst bei Doktor Seefeld angefangen zu arbeiten, freie Tage stehen mir noch nicht zu.«
»Dann lass uns wenigstens am Sonntag eine Wanderung machen, damit wir auf andere Gedanken kommen.« Felix zog Caro auf seinen Schoß und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals. »Es ist so schön, dass du da bist, mein Schatz. Ohne dich würde ich jetzt mächtig ins Schwimmen geraten, es ist halt das erste Mal in meinem Leben, dass ich Millionär geworden bin.«
Die junge Frau streichelte zärtlich durch seine blonden Haare. »Ich glaube, es gibt Schlimmeres, an das man sich gewöhnen muss.«
Felix’ Anspannung löste sich in einem lauten, unbeschwerten Lachen.
»Ich glaube, damit hast du recht!«
Er sprang auf, hob Caro in seine Arme und drehte sich übermütig mit ihr im Kreis.
»Sag mir, was du dir wünschst, und ich erfülle es dir!«
Auch Caro lachte, aber in ihren grünen Augen schimmerte gleichzeitig eine tiefe Ernsthaftigkeit. »Ich wünsche mir nur eines, und das kann man nicht für alle Millionen dieser Welt kaufen: deine Liebe.«
Felix hörte auf, sich im Kreis zu drehen, setzte Caro behutsam auf die Füße und zog sie an sich. »Sie gehört dir, meine wundervolle Caro. Dir allein!«
*
Wer in Bergmoosbach neben dem Rathaus den Weg wählt, der nach auswärts führt, wird auf einen sanft ansteigenden Spazierweg in einen hohen Tannenwald gelangen. Erst hinter der Jugendherberge geht es steiler durch den Wald hinauf. Wenn sich dann die Bäume lichten, hat man einen wunderschönen Ausblick hinunter ins Tal.
Hier legten Caro und Felix bei ihrer Wanderung am Sonntag eine kleine Verschnaufpause ein und genossen den Anblick ihres Heimatortes, der sich zu ihren Füßen am schimmernden Sternwolkensee ausbreitete.
»Weißt du, Caro«, sagte Felix nachdenklich, »ich bin schon ein ganzes Stück in der Welt herumgekommen und finde es schön, neue Eindrücke gewonnen zu haben. Aber am wohlsten fühle ich mich hier, zu Hause. Und am allerwohlsten bei dir.«
»Das geht mir genauso mit dir.« Caro legte ihrem Liebsten die Arme um den Hals und versank in seinem Kuss. »Wenn wir wirklich noch zur Burgruine hinauf wollen, dann sollten wir jetzt lieber mit Küssen aufhören«, murmelte sie atemlos.
»Vielleicht könnten wir Wandern und Küssen miteinander verbinden?«
»Mhm-m«, schnurrte Caro und kuschelte sich tiefer in seine Umarmung. »Vielleicht brauchen wir nicht bis hoch zur Burgruine zu steigen, um uns Gedanken um unsere Zukunft zu machen?«
»Kluge Frau!« Felix zog Caro mit sich auf ein weiches Moospolster, das im Schutz eines dichten Strauchwerks war. Er legte die Arme um sie und schaute sie voller Liebe an. »Ich habe mir Gedanken um die Zukunft gemacht. Mein Traum ist immer gewesen, einmal ein eigenes Restaurant zu besitzen. Dank Tante Magdalena kann der sich jetzt erfüllen und das, ohne dass ich mich in unglaubliche Schulden stürzen muss.
Was hältst du von der Idee, wenn ich im Kapitänshaus mein eigenes Restaurant eröffne?«
»Felix, das ist perfekt! Du kannst deinen Traum verwirklichen und kümmerst dich damit in einer Weise um ihr Haus, die deine Großtante begeistert hätte!«
»Und du, begeistert es dich auch? So ein Vorhaben kann nur gelingen, wenn auch du dem für unser Zuhause zustimmst.«
»Für … unser Zuhause?« Ruckartig setzte Caro sich auf. »Was meinst du damit?«
Felix griff nach ihren Händen und hielt sie sehr fest in seinen. »Dass wir uns eine gemeinsame Zukunft aufbauen sollten, Caro! Willst du mit mir zusammen ins Kapitänshaus ziehen, und wir planen und verwirklichen alles gemeinsam? Nicht allein meinen Traum, sondern unseren?«
»Ob ich das will, fragst du?« In Caros grünen Augen tanzte ein Freudenfeuer. »Und ob ich das will! Ich kann mir keinen schöneren Ort für unsere Zukunft vorstellen!«
Felix sprang auf die Beine. »Dann schenken wir uns den Rest des Weges und gehen zurück, setzten uns zusammen und fangen an zu planen? Oh, Caro, ich habe so gute Ideen für das Essen und die Inneneinrichtung und ich kann kaum abwarten, deine Vorschläge zu hören!«
»Dann los!« Caro lief einige Schritte, trat an den grünen Abhang, legte trichterförmig ihre Hände an den Mund und rief übermütig ins Tal hinab: »Bergmoosbach, wir kommen! Mach dich bereit für neues Leben im Kapitänshaus!«
Dann griff sie nach Felix’ Hand, und lachend und voller Begeisterung ging es hinunter ins Dorf, ihrer aufregenden, strahlenden Zukunft entgegen.
*
»Und ihr wollt tatsächlich in Magdalenas Wohnräumen ein Restaurant eröffnen, das Das Esszimmer heißen soll? Finde ich krass! Das wird bestimmt super gemütlich!«, schwärmte Emilia einige Tage später. Die Praxis hatte Mittagspause, und Caro saß mit Familie Seefeld und Gerti zusammen und erzählte von Felix’ Zukunftsplänen.
Die Nachricht von der ›verrückten‹ Erbschaft hatte natürlich längst die Runde gemacht, und im Ort wurde wild spekuliert, was Felix mit dem vielen Geld vorhaben könnte. Die Menschen im Doktorhaus gehörten zu den wenigen, die sich nicht an den Mutmaßungen beteiligten. Sebastian Seefeld freute sich, dass seine junge Mitarbeiterin jetzt ihnen gegenüber so offen von den Plänen sprach.
»Ich freue mich sehr für Sie und Herrn Messner«, sagte er aufrichtig. »Aber bedeutet das auch, dass wir Sie als Mitarbeiterin verlieren?«
»Wie bitte? Oh, nein, ganz und gar nicht! Das Restaurant ist Felix' Berufung und Beruf, meiner ist hier in der Praxis. Natürlich arbeite ich weiter für Sie, Doktor Seefeld. Das Einzige, was sich ändert, ist meine Adresse. Ich bin ins Kapitänshaus eingezogen.«
»Dann viel Glück und Erfolg bei allen Ihren Plänen!«, wünschte der Senior der Familie, Doktor Benedikt Seefeld.
»Danke!« Caro schaute sich mit einem strahlenden Lächeln um. »Es ist einfach schön, wenn andere sich mitfreuen!«
»Wir freuen uns wirklich aufrichtig mit Ihnen«, warf Gerti ein, »aber ich möchte darüber die Arbeit nicht vergessen. Die Praxis braucht einige Bögen Briefmarken; denken Sie daran, sie heute noch zu besorgen?«
»Gerti, die kann ich doch mitbringen, ich wollte gleich sowieso zur Bahnpost fahren« bot Emilia an. »Meine bestellten Fußballschuhe sind immer noch nicht gekommen, und ich wollte nachfragen, wo das Päckchen abgeblieben ist.«
»Schön, wenn du das erledigst. Dann kann ich gleich damit anfangen, die Bestände an Verbandsmaterial zu überprüfen und die Nachbestellungen fertig zu machen.« Caro händigte dem jungen Mädchen Geld aus der Portokasse aus und ging hinüber in das andere Zimmer. Durch die angelehnte Tür hörte man ihr halblautes, unbekümmertes Singen.
»Meine Mutter sagte immer: ›Den Vogel, der am Morgen singt, holt am Abend die Katze‹«, sagte Gerti plötzlich.
»Freu dich doch einfach daran, dass du eine glückliche und gut gelaunte Kollegin hast! Es ist doch nett, hier mal jemanden singen zu hören«, antwortete Traudel. Sie sammelte die Reste der Brotzeit zusammen, und die Mittagspause in der Praxis war beendet.
In der Zwischenzeit war Emilia zur Bahnpost geradelt, hatte wegen ihres Päckchens nichts erreicht, aber die bestellten Bögen mit Briefmarken gekauft. Gerade als sie sich wieder auf ihr Mountainbike schwingen wollte, fiel ihr eine junge Frau auf, die in der winzigen Bahnhofshalle stand und etwas verloren wirkte. Sie schaute sich suchend um, und als ihr Blick dem des jungen Mädchens begegnete, lächelte sie schüchtern.
Emilia ging zu der Frau hinüber. »Grüß Gott! Ich möchte mich nicht aufdrängen, aber suchen Sie jemanden? Kann ich Ihnen vielleicht helfen?«
»Danke,