Tessa Hofreiter

Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman


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Schmuckstücke, ebenso der jungen Fanny Lechner, die sie mit Lebensmitteln beliefert hatte. Ihre treue Haushälterin wurde ebenso liebevoll bedacht wie ihr Gärtner und andere Menschen, die ihr etwas bedeutet hatten.

      Korbinian Wamsler las weiter vor: »Der Einrichtung ›Das weiche Nest‹, welche Zufluchtsort und Zuhause für junge werdende Mütter und ihre Babys ist, vermache ich einhunderttausend Euro.«

      »Was, was, was!« Einen dicken Mann mit Schnauzbart und hochroten Wangen hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl. »Das nannte man früher Heim für gefallene Mädchen, und denen schmeißt die Alte einhunderttausend Euro in den Rachen! Das lass ich mir nicht bieten! Die war doch verrückt, die Magdalena.«

      »Mäßigen Sie sich!« Alle Freundlichkeit war aus Stimme und Gesicht des Notars gewichen, Korbinian Wamsler schaute den Störenfried mit schneidender Kälte an. »Noch ein einziges Wort in diese Richtung, und Sie verlassen augenblicklich diesen Raum!«

      Beleidigt nahm der Mann wieder Platz, und die Verlesung konnte weitergehen.

      »Meinen Verlobungsring, meinen eigenen Ehering und den meines geliebten Heinrich hinterlasse ich meinem Ur-Großneffen Felix Messner.«

      Der Notar bemerkte, wie bei diesen Worten ein sanftes, sehr liebevolles Lächeln auf dem Gesicht des jungen Mannes erwachte.

      »Meinen gesamten restlichen Schmuck vermache ich Frau Caroline Böttcher als Dank für die Freude, die sie in meinen allerletzten Lebensabschnitt gebracht hat.«

      Ein erstickter Laut ließ den Notar aufblicken. Caro saß da mit riesengroßen Augen, die Hände hatte sie überrascht vor den Mund geschlagen. »Aber …, aber …, warum ich? Womit hab ich das denn verdient?«

      Der Notar lächelte über diese Reaktion, die er in seinem Beruf sehr selten erlebte. »Ein Erbe verdient man sich nicht, das bekommt man geschenkt«, antwortete er freundlich.

      »Was für ein Schmarrn!«, knurrte der rotgesichtige Schnauzbart aus dem Hintergrund.

      Korbinian Wamsler schoss ihm einen warnenden Blick zu und fuhr fort: »Mein Papagei Kondor ist mit mir in diesem Haus alt geworden, und er liebt es ebenso wie ich. Deshalb verfüge ich, dass das Kapitänshaus bis zu seinem Tod sein Zuhause bleiben soll. Als Person, die sich um ihn und das Haus kümmert, bestimme ich meinen Ur-Großneffen Felix Messner. Als Treuhänder hat er unbeschränkte Verfügungsmacht über mein restliches Vermögen, das ich in voller Höhe meinem lieben Papagei Kondor vermache.«

      Einen Moment war es sehr still im Raum, es schien, als ob alle Anwesenden den Atem anhielten. Dann stand das Rotgesicht plötzlich vorn am Schreibtisch, stütze sich mit den Fäusten auf und schnaufte: »Und von welcher Höhe des Vermögens, das ein Papagei geerbt hat, reden wir hier?«

      »Einen Moment …«, der Notar blätterte in seinen Papieren, »das lässt sich jetzt nicht auf den Cent genau sagen, aber grob geschätzt handelt es sich um zwei Millionen Euro.«

      »Zwei …« Der Mann schien kurz vor einem Schlaganfall zu stehen. »Für das vermaledeite Federvieh? Und wir gehen leer aus? Das lasse ich mir nicht bieten! Die war doch nicht mehr zurechnungsfähig, die alte Hexe! Diesen verrückten Wisch, dieses sogenannte Testament, das fechte ich an!«, brüllte er.

      Plötzlich erwachte Kondor zum Leben. Er reckte seinen Kopf vor, vollführte einen aufgeregten Tanz auf seiner Stange und krächzte: »Ver-maledeit! Ver-maledeit! Mistkerl, Mistkerl, raus-raus-raus!«

      »Dieses kluge Tier hat mir das Wort aus dem Mund genommen«, sagte Korbinian Wamsler trocken und schloss die Mappe mit seinen Unterlagen. »Die Verlesung ist beendet.«

      »Sie …, Sie hören von mir!« Wütend stapfte der Schnauzbärtige zur Tür, im Schlepptau die anderen, bitter enttäuschten Gierigen, die leer ausgegangen waren.

      Endlich kehrte wieder Stille ein. Korbinian schaute zu Caro und Felix hinüber, die wie betäubt auf ihren Stühlen saßen. Sie hielten sich wie Kinder, die nicht verloren gehen wollen, an den Händen. Der ältere Mann unterdrückte ein Lächeln. »Nun, ihr beiden, ist alles in Ordnung mit euch?«

      »Ich …, ich weiß nicht so recht«, antwortete Caro mit dünner Stimme. »Die …, die Leute haben immer über Magdalenas Schmuck geredet und gesagt, er sei ein Vermögen wert. Das …, das kann doch wohl nicht sein, dass Frau Albers das mir zugedacht hat?«

      »Doch, Caro, das ist so. Und ich glaube, wenn Sie sich erst von dieser Überraschung erholt haben, dann können Sie sich auch daran freuen.«

      Die junge Frau nickte vorsichtig.

      Felix saß immer noch mit gerunzelter Stirn auf seinem Stuhl. »Onkel Korbinian, kannst du mir bitte noch einmal genau erklären, was es mit der treuhänderischen Verwaltung von Tante Magdalenas Nachlass auf sich hat?«

      Der Notar setzte sich neben den sichtlich erschütterten jungen Mann. »Das ist ganz einfach. Du sollst dafür sorgen, dass das Kapitänshaus erhalten bleibt und dass Kondor es bis an sein Lebensende hier gut hat. Dafür steht dir das gesamte Vermögen zur Verfügung.«

      »Ich hab Geld für zehntausend Jahre Vogelfutter und Tierarztrechnungen«, ächzte Felix.

      »Mindestens!« Korbinian Wamsler lachte leise. »Und nicht nur dafür, mein Junge. Das Schlüsselwort ist: Unbeschränkt! Im Grunde genommen hast du das gesamte Vermögen geerbt und kannst frei darüber verfügen, vorausgesetzt, Kondor hat es gut, und das Haus bleibt erhalten.«

      »Ich …, ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stammelte Felix.

      Sein Onkel klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »Musst du auch nicht. Erholt euch beide erst einmal von dieser Überraschung. Ich habe hier noch einen persönlichen Brief deiner Tante für dich. Lies ihn in aller Ruhe, und dann schaut ihr, wie es mit allem weitergeht.«

      »Ich hab Kondor versprochen, dass wir nach diesem Termin raus in den Garten gehen«, murmelte Caro. »Ich glaube, wir brauchen jetzt alle ein bisschen frische Luft.«

      Der Papagei hüpfte von seiner Stange auf Caros Schulter und begann, an ihrer blauen Haarsträhne zu knabbern. Dabei gurrte er etwas, das wie ‚Caro-Caro-Caro’ klang. Felix schlang seinen Arm um ihre Taille, und die drei wanderten durch die gläser­ne­ Veranda hinunter in den alten Garten.

      »Diese Kinder …«, sagte Korbinian Wamsler leise vor sich hin. Sein Blick glitt durch das geöffnete Fenster hinaus ins unendliche Blau des Sommerhimmels, und er lächelte. »Das hast du mal wieder genau richtig gemacht, Magdalena Albers!«

      *

      Caro und Felix saßen in einem alten Pavillon aus Gusseisen, der von einer weißen Kletterrose üppig überrankt war. Es duftete süß nach den unzähligen, kleinen Blüten, und die Luft war erfüllt vom Summen der Bienen. Haltsuchend hatte Felix seine Hände mit Caros verschränkt. »Ich glaube, ich träume«, sagte er, noch immer ziemlich fassungslos. »Was das alles im Einzelnen bedeutet, kann ich mir noch gar nicht vorstellen.«

      »Ich auch nicht.« Caro schüttelte den Kopf. Sie deutete auf den Brief, welcher der Notar an Felix übergeben hatte. »Vielleicht hilft dir das ein bisschen?«

      Der junge Mann öffnete ihn und las, dann reichte er ihn an Caro weiter.

      Mein lieber Felix,

      für mich bist Du immer ein wenig der Sohn gewesen, den mein geliebter Heinrich und ich nicht bekommen haben. Ich weiß, dass Du Dich auch ohne dieses Testament liebevoll um Kondor gekümmert hättest, und auch das Kapitänshaus hättest Du nicht in fremde Hände gegeben! Ich vertraue Dir voll und ganz. Warum also bin ich den Umweg über Kondor gegangen, um Dir unser Vermögen zu vermachen? Ganz einfach: ich wollte den Neidern und den Missgünstigen etwas zum Ärgern geben! Erst haben viele mir das Glück geneidet, später das Vermögen, dafür sollen sie einen kleinen Denkzettel bekommen.

      Heinrichs und meine guten Wünsche begleiten Dich in Deine Zukunft. Für die bist Du allein verantwortlich, trotz des Geldes, das Du nun besitzt, vergiss das nie!

      Es umarmt Dich und Kondor

      Deine »spinnerte«