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der Diakonie Katastrophenhilfe wieder. Nach Geist und Buchstaben der Konvention von 1951 beruht der Flüchtlingsschutz auf folgenden Grundideen:

      ■ dass Flüchtlinge nicht dahin zurückgeschickt werden sollten, wo sie der Verfolgung ausgesetzt sind oder Verfolgung droht (Prinzip des non-refoulement)

      ■ dass allen Flüchtlingen ohne Unterschied und Diskriminierung Schutz zu gewähren ist;

      ■ dass das Flüchtlingsproblem ein soziales und humanitäres Problem ist und nicht Anlass zu Spannungen zwischen Staaten geben sollte;

      ■ dass die Versorgung von Flüchtlingen nur durch internationale Zusammenarbeit erreicht werden kann;

      ■ dass von Personen, die vor Verfolgung fliehen, nicht erwartet werden kann, dass sie beim Verlassen ihres Landes und bei der Einreise in ein anderes Land alle Vorschriften einhalten, und dass sie daher wegen illegaler Einreise in das Land, in dem sie Asyl suchen, oder wegen illegalen Aufenthalts in diesem Land nicht bestraft werden sollten.

      Angesichts der immer wiederkehrenden Fluchtwellen vor Gewalt fordert die Diakonie Katastrophenhilfe mehr Schutz und Hilfe für das Millionenheer von Flüchtlingen und Vertriebenen weltweit. Die am 28. Juli 1951 verabschiedete UN-Flüchtlingskonvention muss wieder mit Leben erfüllt werden. Die Armen tragen die Hauptlast: 80 Prozent aller Flüchtlinge leben in Entwicklungsländern. Pakistan nahm zum Beispiel 2013 mit 1,6 Millionen Flüchtlingen weltweit die meisten Menschen auf, gefolgt von Iran, Libanon, Jordanien und der Türkei. In den ärmsten Ländern Afrikas leben Millionen entwurzelter, vertriebener und verzweifelter Menschen.

      Die Diakonie Katastrophenhilfe setzt sich insbesondere auch für das Los Binnenvertriebener ein. Laut UN waren 2013 etwa 33,3 Millionen Menschen im eigenen Land auf der Flucht. Schätzungen zufolge sind mindestens die Hälfte davon Kinder, die am meisten unter der Entwurzelung leiden. Binnenflüchtlinge fallen allerdings nicht automatisch unter den Schutz der UN-Konvention. Sie erhalten deshalb oft von keiner Seite offizielle Hilfe, sondern sind auf die Solidarität selbst schon armer Haushalte angewiesen und der Willkür von Behörden und Militärs ausgeliefert.

       Helfen, wo immer es nötig ist: Internationale Katastrophenhilfe im Diakonischen Werk

      Die Katastrophenhilfe war ein wesentlicher Bestandteil der Ökumenischen Diakonie. Die Flutkatastrophe in den Niederlanden 1953 war einer der letzten Anstöße, die sie mit ins Leben rief. Im Zuge der Nothilfe nach den politischen Unruhen in Ungarn 1956 erreichte das deutsche Spendenaufkommen Millionenhöhe. Mit diesem Geld konnte für die Ungarnflüchtlinge erstmals systematische Katastrophenhilfe geleistet werden. Es machte sich deutlich bemerkbar, dass es den Deutschen wieder besser ging – so gut, dass sie zunehmend bereit waren, etwas abzugeben. Nach diesem Durchbruch blieb die dann so genannte Not- und Katastrophenhilfe unter der Leitung von Ludwig Geißel eine feste Größe im 1957 aus Hilfswerk und Innerer Mission hervorgegangenen Diakonischen Werk.

      Eine Besonderheit der Diakonie Katastrophenhilfe war von Anfang an, stets auf die weltweit vorhandene kirchliche Infrastruktur zurückgreifen zu können. Kirchen sind überall und an jedem Ort, wo Katastrophen stattfinden. Durch das partnerschaftliche Verhältnis zu kirchlichen Organisationen in den betroffenen Gebieten ist sie über die Verhältnisse vor Ort gut unterrichtet und kann sich den kulturellen Gegebenheiten und aktuellen Bedürfnissen anpassen. Bis heute ist die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in den Katastrophengebieten ein wesentlicher Bestandteil. Helfende und Hilfsgüter kommen überwiegend aus den betroffenen Gebieten selbst, die Hilfe ist so kulturell angepasst und die regionale Wirtschaft wird gestärkt. Schnell entwickelte sich auch ein komplexes Verständnis von Katastrophenhilfe, eben nicht nur punktuell und kurzfristig im Katastrophenfall zu helfen. Die enge Kooperation mit der 1959 gegründeten Schwesterorganisation Brot für die Welt als Trägerin der evangelischen Entwicklungshilfe macht es jeweils möglich, akute Nothilfe in längerfristige Hilfsprogramme überzuleiten.

      Von Anfang an richtete sich die Katastrophenhilfe stark an ethischen Prinzipien, entsprechend dem christlichen Menschenbild, aus: „Der Mensch in Not steht im Mittelpunkt, unabhängig von Nationalität, Rasse oder Glaube“, hielt Hannelore Hensle, die spätere langjährige Leiterin der Diakonie Katastrophenhilfe, diese Grundsätze fest. Daneben war die Organisation von Anfang an von starkem Pragmatismus und Schnelligkeit geprägt.

       Was ist eine Katastrophe?

      Der Begriff „Katastrophe“ bedeutet eine plötzliche oder allmählich sich entwickelnde tiefgreifende Störung des natürlichen, ökologischen, kulturellen Geschehens und des menschlichen Verhaltens.

      Diese Störung geht – je nach Ursache, Zeit und Umständen – mit nachhaltigen Veränderungen und Zerstörungen einher, so dass eine Wiederherstellung des Status quo ante oder die Möglichkeit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung in Frage gestellt ist. Not- und Katastrophenhilfe wird damit zum systematischen Bemühen, die existenzbedrohenden Folgen von Ereignissen verschiedenster Art und Intensität für einzelne Gruppen oder Bevölkerungsteile durch eine dem Kontext im Notgebiet angepasste humanitäre Hilfe zu mildern und/oder deren Ursachen beseitigen zu helfen.

      Das Motto „fly now, pray later“ (fliege jetzt, bete später), hatte ihr der erste Leiter Ludwig Geißel mit auf den Weg gegeben.

       Von der Ungarnhilfe zum Syrienkonflikt

      So wie in der Ungarnhilfe folgten in den kommenden Jahrzehnten viele weitere Einsätze bei humanitärer Not infolge von politischen Krisen: In den 1960er Jahren war das die Nothilfe in Nord- und Südvietnam sowie der Einsatz in der nigerianischen Kriegsprovinz Biafra. Die von Ludwig Geißel organisierte Biafra-Luftbrücke gehört bis heute zu den Meilensteinen der internationalen Katastrophenhilfe. Seit den 1970er und 1980er Jahren folgten viele weitere Einsätze bei Hunger- und Kriegskatastrophen in Afrika, beispielsweise in Äthiopien, Somalia, Sudan oder Kongo.

      Die 1990er Jahre und das Ende des „Kalten Kriegs“ brachten Europa zurück auf die Agenda der Diakonie Katastrophenhilfe. Die Not war oft groß in den Nachfolgestaaten der zerfallenen Sowjetunion. Dann kam mit dem Jugoslawienkrieg längst überwunden geglaubtes Kriegselend zurück nach Europa. Hier engagierte sich die Diakonie Katastrophenhilfe auch langfristig beim Wiederaufbau von Häusern, Schulen und Krankenhäusern im Sinne einer nachhaltigen Hilfe zur Selbsthilfe.

      Das 21. Jahrhundert brachte erneut Krieg nach Afghanistan und Irak. Dort minderte die Diakonie Katastrophenhilfe die humanitären Katastrophen. Die Einsätze beim Hochwasser 2002 in Deutschland, beim Tsunami 2004 in Süd- und Südostasien und weiteren Ländern, beim Erdbeben 2010 auf Haiti, im Bürgerkrieg in Syrien seit 2011 sowie andauernde Hilfe in Kriegs- und Hungerkrisen in verschiedenen afrikanischen Ländern waren wichtige Einsätze der letzten Jahre. Nach der unmittelbaren Nothilfe nachhaltige Unterstützung zu leisten, die künftige Katastrophen vermeidet oder abmildert und die Betroffenen so weit wie möglich zur Selbsthilfe befähigt, rückte dabei immer mehr auch die Prävention von Katastrophen in den Mittelpunkt. Denn Katastrophen passieren nicht einfach, sie werden von Menschen gemacht und sind Ergebnis vom Raubbau an der Natur oder von machtpolitischen Interessen.

      Nach den Anfängen mit einer Handvoll Mitarbeitern und viel ehrenamtlichem Engagement ist die Diakonie Katastrophenhilfe inzwischen zu einer hochprofessionellen spendenbasierten Organisation mit ca. 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwachsen. Es gibt mehrere Regional- und Projektbüros in Afrika, Asien und Amerika, derzeit im Tschad, im Südsudan, in Kenia und im Kongo, in der Türkei, in Pakistan, in Kolumbien und auf Haiti.

      Im Jahr 2012 erlebte das humanitäre Hilfswerk eine bedeutende Umstrukturierung. Seit Ende der 1950er Jahre war es Teil des Diakonischen Werks mit Sitz in Stuttgart. Nun gehört es zum neu gegründeten „Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.“ Dieses Werk entstand aus der Fusion des Diakonischen Werks mit der Diakonie Katastrophenhilfe, Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst. Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel ist Vorstandsvorsitzende des Werks und Präsidentin von Brot für die Welt, wo heute die Diakonie Katastrophenhilfe angesiedelt ist.

      Die Abteilung Diakonie Katastrophenhilfe leitet heute als Nachfolger von Ludwig Geißel, Hannelore Hensle, Thomas Hoerz und Volker Gerdesmeier Martin Keßler. Die Fusion brachte