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Betroffenen unabhängig von Religion, Hautfarbe und Nationalität in akuten Notlagen gemäß ihrem Hilfsbedarf so zu helfen, dass sie so bald als möglich wieder auf die eigenen Beine kommen, bleibt durch die Fusion ebenso unverändert wie ihre Arbeitsweise“, hält die Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel fest.

       Organigramm der Diakonie Katastrophenhilfe

      DIE 50ER JAHRE + +

      Über die alte „Nibelungenstraße“ Regensburg-Passau-Linz rollten Ende Oktober 1956 zwei Viertonner, randvoll beladen mit Lebensmitteln und Medikamenten. Ihr Ziel war Wien. Die LKWs gehörten dem Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland, das dort eine Zweigstelle zur Unterstützung der Flüchtlinge aus Ungarn eingerichtet hatte.

      Zahlreiche Ungarn flohen zu dieser Zeit vor den einmarschierenden sowjetischen Truppen ins Nachbarland Österreich, das mit der Aufnahme der mehr als 200.000 Flüchtlinge vollkommen überfordert war. Der ungarische Aufstand gegen die Regierung löste 1956 in der Bundesrepublik Deutschland eine beispiellose Welle von Hilfeleistungen und Spenden aus. Die im Aufbau begriffene Katastrophenhilfe des Hilfswerks der Evangelischen Kirche erlebte ihre erste große Bewährungsprobe.

      UNGARN

      NIEDERLANDE

      GRIECHENLAND

      PALÄSTINA

      HONGKONG

      Ungarn 1956

      „Im Namen Jesu Christi: Kommt und helft uns! Das meiste, was wir auf Erden besessen haben, ist uns verloren gegangen …“ Dieser Hilferuf des ungarischen Bischofs Lajos Ordass erreichte die Ökumene am 2. November 1956 über Radio Budapest. Zu diesem Zeitpunkt waren vor den Augen der Welt alle Hoffnungen auf einen reformsozialistischen Kurs in Ungarn durch sowjetische Truppen gewaltsam zunichte gemacht worden. Zuvor hatten Budapester Studenten gegen die sowjetische Besatzungsmacht protestiert: für mehr Demokratie, freie Wahlen, den Abzug der sowjetischen Truppen und wirtschaftliche Reformen. Auch nach dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956, der ein politisches „Tauwetter“ im Ostblock einleiten sollte, hatte sich die ungarische Regierung geweigert, ihren stalinistischen Kurs zu revidieren. Seit Oktober 1956 erschütterten deshalb heftige Demonstrationen die ungarische Hauptstadt. Dies war der Beginn des Ungarn-Aufstandes. An die Spitze der Bewegung hatte sich der reformsozialistische Politiker Imre Nagy gestellt und am 2. November im Namen einer inoffiziellen Gegenregierung den Austritt seines Landes aus der Staatengemeinschaft des Warschauer Vertrages erklärt. Die Sowjetunion griff ein und sowjetische Truppen lieferten sich auf den Straßen Budapests blutige Schlachten mit den Aufständischen. Die Lage eskalierte. Hatten schon in den Wochen zuvor zahlreiche Ungarn ihr Land verlassen, setzte nun eine Massenflucht ein: Mehr als 200.000 Menschen verließen ihre Heimat.

       Mehr als 200.000 geflohene Ungarn müssen versorgt werden.

       Fieberhafte Überlegungen

      Im Stuttgarter Hauptbüro des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland überlegte man fieberhaft, wie der ungarischen Katastrophe begegnet werden könnte. Bereits im Oktober reiste Ludwig Geißel, der spätere Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, nach Österreich. Mit einer Sofortspende von 20.000 D-Mark für das Österreichische Hilfswerk im Gepäck informierte er sich vor Ort über die Lage. Schon wenige Tage später rollten Lastzüge randvoll mit Decken, Lebensmitteln und Medikamenten von Passau nach Wien. Das sollte die schlimmste Not lindern, reichte aber lange nicht aus. In Zusammenarbeit mit der Inneren Mission, dem Lutherischen Weltdienst und anderen Organisationen initiierte das Hilfswerk eine groß angelegte Soforthilfeaktion für Ungarn. Leitstelle für die „Aktion Ungarnhilfe“ wurde das Hilfswerkbüro in Nürnberg, das zunächst Hilfstransporte direkt in die ungarischen Städte Budapest und Györ schickte. Als sich die Sowjetunion zur blutigen Niederschlagung des Aufstandes entschlossen hatte und sich die Situation vor Ort zuspitzte, konnte sich das Hilfswerk nur noch auf Paketsendungen nach Ungarn und auf Hilfe für die rund 70.000 Flüchtlinge konzentrieren, die in österreichischen Lagern untergekommen waren. Das Hilfswerk stand vor einer bislang unbekannten und mit der vorhandenen Infrastruktur kaum zu lösenden Aufgabe. An die deutsche Bevölkerung erging ein Aufruf zu großzügigen Spenden – mit Erfolg.

       Gerettet: Eine Flüchtlingsfamilie kommt im Flüchtlingslager des Hilfswerks an.

       Eine „neue ökumenische Tat“ die Aktion Ungarnhilfe

      Uber 500 Tonnen Sachspenden kamen innerhalb kurzer Zeit zusammen, dazu Geldspenden in Höhe von 1,6 Millionen D-Mark. Das war der bis dahin höchste Betrag, den Deutsche für humanitäre Hilfe im Ausland gespendet hatten.

       Ludwig Geißel

      (geb. 1916 in Alzey/Rheinhessen; gest. 2000 in Stuttgart)

      war im Zweiten Weltkrieg Soldat im Frankreich- und Russlandfeldzug. Im Diakonischen Werk leitete er von 1957 bis 1981 die Abteilung „Finanzen und Notstandshilfe“. Er engagierte sich im Aufbau einer internationalen Not- und Katastrophenhilfe. Mit ihm verbunden ist die Organisation der „Joint Church Aid“ für Biafra und die Leitung zahlreicher Hilfsaktionen für den Lutherischen Weltbund und den Ökumenischen Rat der Kirchen. Von der Bundesregierung wurde er mit der Abwicklung des Gefangenenfreikaufs aus der DDR betraut. 1991 erschienen seine Memoiren unter dem Titel „Unterhändler der Menschlichkeit“, darin hält er fest: „Unser oberstes Gebot lautet: Wenn Menschen in Gefahr sind, muss sofort gehandelt werden. Ich habe das einmal auf die Formel gebracht: ‚Erst fliegen, dann beten‘.“

      Auch die evangelischen Kirchen in der DDR beteiligten sich mit einer Weihnachtskollekte von umgerechnet 400.000 D-Mark an der Ungarnhilfe. Alle zwei Tage konnte ein Waggon mit Hilfsgütern von Nürnberg nach Österreich geschickt werden. Schon zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass die Ungarnhilfe zum bislang größten Auslandseinsatz des Hilfswerks werden würde.

       Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK)

      ist ein weltweiter Zusammenschluss von 349 Mitgliedskirchen (2013). Die Mitgliederbasis des ÖRK umfasst mehr als 500 Millionen Christen in Kirchen, Denominationen und kirchlichen Gemeinschaften in aller Welt: Zu ihnen zählen die Mehrzahl der großen Kirchen der evangelischen Traditionen (Lutheraner, Reformierte, Methodisten, Baptisten etc.), die anglikanischen Kirchen, die altkatholischen Kirchen und die meisten orthodoxen und altorientalischen Kirchen sowie viele vereinigte und unabhängige Kirchen.

      Die römisch-katholische Kirche gehört dem ÖRK nicht an. Während die meisten ÖRK-Gründungsmitglieder europäische und nordamerikanische Kirchen waren, setzt sich die heutige Mitgliedschaft vorwiegend aus Kirchen in Afrika, Asien, der Karibik, Lateinamerika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie dem pazifischen Raum zusammen. Aus verschiedenen Wurzeln hervorgehend war seine Gründung ursprünglich für 1938 vorgesehen, musste dann aber wegen des Kriegsausbruches auf die Nachkriegszeit verschoben werden. Nach dem Krieg ermutigte der Ökumenische Rat die Kirchen zum Ausbau ihrer Entwicklungshilfe und führte selbst Hilfsprogramme unter Flüchtlingen, Migranten und mittellosen Bevölkerungsgruppen durch.

      Als der ÖRK 1948 dann auf seiner Ersten Vollversammlung gegründet wurde, zählte er zunächst 147 Mitgliedskirchen. Er dient der Förderung der Einheit und der Mission der Kirchen, dem theologischen Dialog und dem gemeinsamen Dienst an der Welt. Dazu gehören gemeinsame Advocacy- und Lobbyarbeit der Kirchen gegenüber den Vereinten Nationen und der Weltöffentlichkeit,