Luca Baschera

Die reformierte Liturgik August Ebrards (1818-1888)


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als Lehre der applicatio gleichsam das Pendant zu den anderen, auf den Erwerb der doctrina zielenden Disziplinen.146

      Ebrard betont, dass die Praktische Theologie nicht als autonome Disziplin betrachtet werden darf, denn die Prinzipien der Anwendung, um die es in ihr geht, werden im Rahmen einer anderen Disziplin festgesetzt, nämlich der christlichen Ethik.147 Diese und nur diese zeigt nämlich, wie die durch alle anderen Disziplinen gewonnenen theologischen Erkenntnisse »sich zum Leben gestalten«, und muss deshalb als die eigentliche »Krone, die fruchttragende Blüthe, welche von den übrigen Disziplinen ihren Saft, ihre Nahrung empfängt«, anerkannt werden.148 Praktische Theologie als Lehre der applicatio ist für Ebrard also eine Funktion der »Krone« aller theologischen Disziplinen – der christlichen Ethik.

      Während aber die Ethik sich mit der Heilsaneignung – d. h. mit der Heiligung bzw. mit der Herausbildung einer »christlichen Persönlichkeit«149 – in jedem Bereich menschlichen Lebens befasst, gilt die praktisch-theologische Reflexion ausschließlich der »kirchlichen Tätigkeit«, die ihren Zweck darin hat, »die Mittel darzureichen, durch welche es möglich wird, zum Heil zu gelangen«.150 Praktische Theologie ist für Ebrard also gleichsam eine Form von angewandter Ethik, die das kirchliche Handeln als ihren Geltungsbereich hat. Oder anders formuliert: Praktische Theologie ist Ebrard zufolge die Lehre der Anwendung theologischer Erkenntnisse in einem kirchlichen Kontext, wobei das Handeln der Kirche immer auf die Ermöglichung des Heils zielt.

      Daraus folgt, dass die innere Artikulation des Fachs Praktische Theologie bei Ebrard derjenigen des kirchlichen Handelns entsprechen muss. Letztere wird zunächst in eine »metanoetische« und eine »metamorphotische« Tätigkeit eingeteilt.151 Die Kirche handle metanoetisch, wenn sie die Umkehr (metanoia) des Menschen, »das bewußte Ergreifen des durch Christi Tod und Auferstehung erworbenen Rechtes an die Gnade« zum Ziel habe. Nachdem die Bekehrung stattgefunden habe, müsse die Kirche aber auch das »Wachsthum des neuen Menschen« fördern. Gerade in einer solchen Förderung bestehe die »metamorphotische Tätigkeit« der Kirche, die »in Betreff der Wiedergeborenen« dafür zu sorgen |35| habe, dass der Glaube erhalten bleibe und die Heiligung immer weiter fortschreite, damit der neue Mensch – im Sinne von Gal 4,19 – immer mehr Gestalt (morphe) gewinne.152 Sowohl die metanoetische als auch die metamorphotische Tätigkeit zerfallen aber weiter in je zwei Unterkategorien. Je nachdem, ob sich die metanoetische Tätigkeit der Kirche auf Kinder oder auf Erwachsene richte, nehme sie die Form der Katechese oder der Mission an.153 Die metamorphotische Tätigkeit könne sich ihrerseits entweder auf den Menschen als Glied der christlichen Gemeinde oder auf den Menschen als »einzelne Persönlichkeit« richten: Im ersten Falle ist sie »Cultus«, im zweiten Seelsorge.154 Die theoretische Reflexion auf diese vier verschiedenen kirchlichen Tätigkeiten geschieht im Rahmen von vier praktisch-theologischen Teildisziplinen, nämlich der Katechetik, der Halieutik (oder Missionswissenschaft), der »Cultuswissenschaft« und der Poimenik (oder Pastoraltheologie).155

      Die »Cultuswissenschaft« umfasst bei Ebrard sowohl die Liturgik als auch die Homiletik. Ebrard betont, dass die Predigt »ja nicht als ein dem Cultus fremdes, neben ihm hergehendes« betrachtet werden darf, sondern vielmehr als »ein integrirender Theil, ja […] als die Hauptsache im Gottesdienst« anzusehen ist.156 In gewisser Hinsicht sei die Liturgik sogar der Homiletik übergeordnet, denn Erstere habe den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Teilen des Gottesdienstes, dem »sacramentlichen« und dem »predigenden« zu untersuchen: Während die Homiletik die Theorie eines Teils des Gottesdienstes darstelle, sei die Liturgik Theorie des gesamten »Cultus als solchen«.157 Gleichzeitig scheine die Liturgik im Gegensatz zur Homiletik mehr eine historische als eine praktische Disziplin zu sein. Man beschäftige sich nämlich mit ihr »nicht sowohl, um eine Tüchtigkeit oder Fertigkeit sich zu erwerben, […] sondern um die geschichtlich und objektiv gegebene Cultusordnung in ihrer inneren Bedeutung und Zweckmäßigkeit zu verstehen«.158 Dieses so erworbene historische Wissen könne dennoch praktisch relevant werden, wenn der Prediger dazu berufen werde, »auf Synoden oder sonstwie über einzuführende Veränderungen und Modificationen mitzureden«.159

      Bei einer allgemeinen Übereinstimmung in der Argumentationsstruktur zeigen sich in den Vorlesungen gegenüber Ebrards früheren liturgiewissenschaftlichen Schriften leichte wie auch gewichtigere Modifikationen, auf die es im nächsten Kapitel einzugehen gilt. Ein Novum, das allerdings Ebrards »Cultustheorie« als |36| solche nicht betrifft, stellt darüber hinaus der ausführliche Exkurs zur Geschichte des Gottesdienstes von der apostolischen Zeit bis zur Reformation dar,160 der auch der einzige Teil der Vorlesungen ist, den Ebrard im Blick auf die Drucklegung »wesentlich bereichert« hatte.161

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