erreichbare Steigerung der maximalen Apnoezeit aus.
Ob die Milz aber tatsächlich eine Bedeutung als Erythrozytenspeicher für trainierte Apnoetaucher besitzt und damit z. B. die maximale Apnoezeit verbessern kann oder ob Konzentrationsänderungen des Hämoglobins bzw. des Hämatokritwerts Einfluss auf die maximale Atemanhaltezeit nehmen können, kann zurzeit nicht endgültig beantwortet werden, da umfangreiche Untersuchungen bislang nicht vorliegen, die eine Erhöhung des Blutvolumens durch Apnoetauchgänge belegen. Zudem ist die Reduzierung des Milzvolumens bei den trainierten Apnoetauchern bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie bei bestimmten Tierarten, z. B. den oben erwähnten Robben. Aktuelle eigene Untersuchungen stellen dementsprechend auch eine herausragende Bedeutung der Milz zumindest in Frage.
9.4 Tieftauchen in Apnoe
9.4.1 „Traditionelles“ Lehrbuchwissen
Beim Thema „Tieftauchen in Apnoe“ gilt gemeinhin, dass es nicht möglich sei, tiefer als ca. 30–40 m in Apnoe zu tauchen, weil es sonst zu einer Schädigung der Lunge käme. Diese Annahme ergibt sich aus dem Umstand, dass vermutet wurde, die Lunge müsse sicher dann Schaden nehmen, wenn sie (dem Gesetz von Boyle-Mariotte entsprechend) bei steigender Tauchtiefe bis auf das Residualvolumen bzw. darüber hinaus komprimiert würde, da ja der knöcherne Brustkorb nicht in gleichem Maße verkleinert werden könne (Abb 9.4). Entsprechend der oben genannten Daten aus den physiologischen Lehrbüchern wäre das dann der Fall, wenn die Lunge über 1/4 ihres Ausgangsvolumens hinaus komprimiert wäre, was einer Tauchtiefe von ca. 30 m (4 bar absoluter Druck) und mehr entspräche.
Abb. 9.4: Schematische Auswirkung der Druckzunahme auf die Lunge des Apnoetauchers. Die Lunge als luftgefüllter, nicht starrwandig abgeschlossener Hohlraum gehorcht bei Zunahme des Umgebungsdrucks dem physikalischen Gesetz von Boyle und Mariotte. Sehr vereinfacht dargestellt wird die Lunge bei zunehmender Tauchtiefe proportional zur Druckzunahme komprimiert (linke Teilgrafik: Lunge beim Schnorcheln an der Oberfläche, rechte Teilgrafik: Lunge in der Tiefe). Zu beachten ist jedoch, dass die tatsächlichen Vorgänge komplexer sind!
Wie bereits weiter oben erwähnt, stellt den wesentlichen Faktor für das Tieftauchen in Apnoe das Verhältnis von TLC zu RV im Taucher dar, wobei dieses Verhältnis keinesfalls immer gleich ist, sondern individuell variieren kann. Doch trotz dieser Variation kommt man bei Berechnungen immer wieder erstaunlich exakt auf die in allen Lehrbüchern angegebene maximale Tiefe von 30–35 m.
Fallbeispiel. Als Beispiel soll der wohl bekannteste Apnoetaucher der Neuzeit dienen: Pipin Ferreras, besser bekannt nur als „Pipin“. Seine Lungenparameter sind bekannt: Seine TLC beträgt 9,6 Liter, sein RV wurde mit 2,2 Litern bestimmt. Bildet man nun das Verhältnis TLC:RV, erhält man die maximale Tiefe in bar. Also: 9,6:2,2 = 4,4, was einer theoretisch maximalen Tauchtiefe von 34 Metern entspräche (4,4 bar = 34 m). Tatsächlich liegt sein Rekord aber mehr als 100 m tiefer und es wurden von anderen Athleten inzwischen sogar Tiefen über 200 m erreicht. Was passiert also wirklich?
9.4.2 Das Geheimnis
Die Annahme, dass das Verhältnis von TLC zu RV die maximale Tiefe limitiert, ist gar nicht so falsch. Wenn es also gelingt, größere Tiefen zu erreichen, muss irgendetwas mit diesem Verhältnis geschehen. Und genau das tut es auch, nämlich: Es kommt ohne Zutun des Tauchers zum Blood-Shift.
Tatsächlich werden durch die Zunahme des Umgebungsdrucks die Alveolen (Lungenbläschen) gemäß dem Gesetz von Boyle und Mariotte zusammengedrückt und das in ihnen befindliche Atemgas entsprechend komprimiert. Neben den Alveolen finden sich aber noch weitere Strukturen in der Lunge, die grundsätzlich ebenfalls in der Lage sind, ihren Innendurchmesser zu variieren, nämlich die Lungengefäße. Durch die Abnahme der Alveolarvolumina kommt es zu einem relativen Unterdruck in der Lunge, der einen vermehrten venösen Rückstrom von Blut in die Lungengefäße zur Folge hat, so dass diese sich vermehrt mit Blut füllen. Diese vermehrte Füllung wiederum hat zur Folge, dass der Durchmesser der einzelnen Blutgefäße größer wird, so dass der durch die Schrumpfung der Alveolen geschaffene Raum (dies ist eine vereinfachte Darstellung!) nun durch die vermehrt gefüllten Blutgefäße eingenommen wird (Abb 9.5). Dies hat einerseits zur Folge, dass es (in gewissen Grenzen) eben nicht zur prognostizierten Lungenschädigung kommt, zum anderen aber, dass das RV um jenen Betrag schrumpfen kann, um den sich das Blut umverteilt.
Gemessen und nachgewiesen sind im Experiment bislang 1,53 Liter Blut, die sich in die Lungengefäße umverteilen.
Rechnet man mit Pipins Daten nun erneut nach, findet sich Erstaunliches: Bei Blutumverteilung von 1,53 l in den Brustkorb kann das RV um genau diesen Betrag bis auf 0,67 l schrumpfen, also:
was einer Tiefe von 133 m entspricht. Und genau hier lag zwischenzeitlich Pipins Rekord.
Der hier beschriebene Effekt wird auch als Blood-Shift bezeichnet. Es ist jedoch herauszustellen, dass es sich dabei nicht um eine Anreicherung von Blut in den Alveolen oder eine Quellung der Alveolarmembranen handelt, wie immer wieder falsch dargestellt wird, sondern um eine vorübergehende vermehrte Füllung der Blutgefäße der Lunge. Es ist zwar richtig, dass in Einzelfällen auch Flüssigkeit in den Alveolen gefunden werden kann, dies aber immer als Folge eines (im Verhältnis zu den Möglichkeiten des Betroffenen) zu tiefen Tauchens. Eine solche Flüssigkeitsansammlung oder gar Einblutung in die Alveolen wird als alveoläres Lungenödem oder (mit Einblutung) Hämorrhagie genannt und ist nicht ohne weiteres umkehrbar. Im Gegenteil, es ist immer potenziell lebensbedrohlich und hat eine intensivmedizinische Behandlung zur Folge. Der Blood-Shift ist, wie dargestellt, etwas völlig anderes.
Abb. 9.5: Schematische Darstellung des „Blood-Shifts“. Ausgehend von den normalen Verhältnissen an der Wasseroberfläche kommt es bereits durch Immersion bis zum Hals zu einem vermehrten venösen Rückstrom in die thorakalen Gefäße. Beim Abtauchen (Submersion) kommt es mit zunehmender Tauchtiefe gemäß dem Gesetz von Boyle-Mariotte zu einer Kompression der Alveolen und dem in ihnen befindlichen Atemgas. Durch die Abnahme der Alveolarvolumina kommt es zu einem relativen Unterdruck in der Lunge, der einen zusätzlichen vermehrten venösen Rückstrom von Blut in die Lungengefäße zur Folge hat, so dass diese sich vermehrt mit Blut füllen. Diese vermehrte Füllung wiederum hat zur Folge, dass der Durchmesser der einzelnen Blutgefäße größer wird, so dass der durch die Schrumpfung der Alveolen geschaffenen Raum (vereinfacht dargestellt!) nun durch diese Blutgefäße eingenommen wird. Deshalb kommt es (in gewissen Grenzen) nicht zur historisch prognostizierten Lungenschädigung, da das Residualvolumen (RV) um jenen Betrag schrumpfen kann, um den sich das Blut umverteilt
Wie beschrieben, verändert der Blood-shift also die eine Seite der Gleichung TLC:RV = Tauchtiefe, und allein durch ihn lassen sich schon so unglaubliche Tiefen wie die noch 1998 geltenden Rekorde erklären. Mittlerweile ist die Tiefengrenze jedoch schon ein Stück weiter nach unten verschoben worden. Dazu ist zu sagen, dass die absolut mögliche Umverteilungsmenge bislang nicht bekannt ist. Die Tauchmediziner wissen, dass bei jedem einzelnen Taucher die Dehnbarkeit der Lungengefäße das jeweilige Tiefenlimit darstellen und dass ein Überschreiten dieses Limits zum lebensbedrohlichen Zerreißen der Lungengefäße führen kann. Wieviel Blut indes maximal verschoben werden kann, bevor es im Einzelfall zu einem solchen fatalen Einreißen kommt, ist nicht bekannt. Es ist daher anzunehmen, dass die nachgewiesenen 1,53 l nicht zwingend das Maximum darstellen, und auf diese Weise für Pipin größere Tiefen erreichbar sind.
Kompaktinformation
Blood-Shift. Mit Blood-Shift wird eine vorübergehende vermehrte Füllung der Blutgefäße der Lunge bezeichnet. Es ist Jedoch ganz klar herauszustellen, dass es sich dabei nicht um eine Anreicherung von Blut in den Lungenbläschen handelt, wie immer wieder völlig falsch dargestellt wird. Diese vermehrte Füllung hat zur Folge, dass der Durchmesser der einzelnen Blutgefäße größer wird, so dass der durch die kompressionsbedingte Schrumpfung der Lungenbläschen geschaffene Raum (vereinfacht dargestellt!) nun durch die vermehrt gefüllten Blutgefäße eingenommen wird. Dies bedingt, dass