Kay Tetzlaff

Moderne Tauchmedizin


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      Ein weiteres Problemfeld beim Apnoetauchen ist die Lunge (s. auch Kap. 12). Hier kommt es bei den Athleten sehr häufig zu unterschiedlichen Symptomen, die von Bluthusten über die Ausbildung eines Lungenödems bis hin zum Lungenriss führen können.

      Von dieser Symptomatik stellt das Bluthusten vordergründig sicher das spektakulärste dar, ist in der Regel aber erstaunlich harmlos. In den meisten Fällen handelt es sich entweder schlicht um ein Barotrauma der Nebenhöhlen oder, im Leistungssportbereich, um Einrisse von Schleimhautgefäßen in der Luftröhre und den Bronchien. Zu den wichtigsten Veränderungen beim Tieftauchen in Apnoe gehört nämlich eine erhebliche Umverteilung von Blut aus den peripheren Blutgefäßen in die thorakalen Blutgefäße, also die Lungengefäße und die der Schleimhäute der Atemwege. Diese Gefäße werden dabei prall gefüllt und aufgedehnt, so dass speziell die zarten Schleimhautgefäße einreißen können.

      Doch nicht nur diese, denn der als Blood-Shift bekannte Mechanismus dehnt auch die Lungengefäße und Lungenkapillaren auf, so dass es theoretisch auch hier zu einem Gefäßeinriss mit anschließender erheblicher Blutung kommen kann. Während ein solches Ereignis bislang erst einmal berichtet wurde, ist es bereits mehrfach zur Ausbildung eines Lungenödems gekommen. Ursächlich ist hier ein so hoher hydrostatischer Druck in den Lungenkapillaren, dass es zum Übertritt von Blutplasma in die Lungenbläschen kommt. Manche Apnoetaucher meinen irrtümlich, dass dieser Übertritt regelhaft aufträte und dass dies das Geheimnis der großen Tiefen sei, doch das ist falsch. Der Blood-Shift selbst erklärt die großen Tiefen, denn die prall vollen Blutgefäße nehmen so viel Platz ein, dass die Lungenbläschen weiter schrumpfen können, ohne dass es zum Unterdruckbarotrauma der Lunge kommt. Der Übertritt hingegen ist eine lebensbedrohliche Komplikation. In einer 2006 erschienenen wissenschaftlichen Untersuchung wird übrigens sogar diskutiert, dass diese Effekte zu einer Überlastung des rechten Herzens und zur Ausbildung eines Hochdrucks im kleinen Blutkreislauf führen können, doch für endgültige Aussagen ist es sicher noch zu früh.

      Dafür sind aber sogar Lungenrisse bei Apnoetauchern beschrieben, und zwar nicht beim Abtauchen, sondern beim Auftauchen. Bislang handelt es sich um Einzelfälle, die mit einer ungleichmäßigen Verteilung der Luft in der sich wieder ausdehnenden Lunge erklärt werden. Auch hier besteht noch Forschungsbedarf. Das gilt auch für die Technik der willentlichen Überblähung der Lunge, die von vielen Apnoeisten angewandt wird. Dieses so genannte „Nachdrücken“ oder auch „Karpfen“ ermöglicht eine Steigerung der Vitalkapazität um bis zu 50% des Ausgangsvolumens. Auch hier ist eine Druckschädigung der Lunge denkbar und diskutiert worden, endgültige Ergebnisse stehen aber noch aus und sind derzeit Gegenstand der Forschung.

      9.5.5 Herzrhythmusstörungen

      Beim Apnoetauchen kommt es zudem, wie oben erwähnt, zum so genannten Tauchreflex, der auch bei Tieren zu beobachten ist und sehr wahrscheinlich ein „Sauerstoffsparmechanismus“ ist. Diverse Mechanismen tragen zur Auslösung dieses Tauchreflexes bei, wobei dem Atemanhalten sowie dem Kontakt des Gesichts mit Wasser die größte Bedeutung zugesprochen wird. Zusätzliche Mechanismen sind der kompressionsbedingte Anstieg des arteriellen pO2 sowie die erwähnte Umverteilung von Blut aus der Peripherie in den Thorax und die daraus resultierende Erhöhung der Herzfüllung. In der Regel fällt die Herzfrequenz bei Apnoetauchern nur mäßig ab, es wurden aber, wie oben erwähnt, bei trainierten Elite-Apnoetauchern auch Herzfrequenzen bis unter 20 Schläge/min beschrieben. Hierbei kommt es allerdings bei langen Apnoetauchgängen nahezu regelhaft zu deutlichen Herzrhythmusstörungen – und zwar umso häufiger, je deutlicher der Effekt des Tauchreflexes auf die Herzfrequenz ist. Bislang kam es durch die Herzrhythmusstörungen allerdings noch zu keiner Komplikation.

      Tipps für Tauchleher

      1. Apnoetauchen ist den meisten Gerätetauchern zu sportlich. Dabei wäre es die ideale Ergänzung bzgl. sportspezifischer Grundfitness, Stresstoleranz bei Luftnot oder Flachwasserbiologie an tauchfreien Tagen.

      2. Wer Sporttaucher ausbildet und prüft, sollte seinen Schülern in Sachen Zeit-, Tief- und Streckentauchen sowie Langstreckenschnorcheln in Tauchausrüstung in nichts nachstehen.

      3. Eine überdurchschnittliche Apnoe-Grundfitness muss sich Jeder aktive Tauchlehrer, ob Jung oder alt, erhalten, um bei einem Wasserrettungsmanöver im Ernstfall nicht zu versagen.

      4. Apnoeleistungen werden in vernünftigem Rahmen in Jeder Tauchausbildungsstufe abgeprüft. Hier sollte der Tauchlehrer die lauernden Gefahren sehen und ihnen im Vorfeld entgegenwirken: Verbot forcierter Hyperventilation, Zeitbegrenzung beim Zeittauchen, Begleitschnorchler beim Streckentauchen, Sicherungstaucher beim Tieftauchen – dies gilt auch und besonders bei der Durchführung von Tauchlehrerprüfungen!

      Weiterführende Literatur ____________________________

      1. Ehrmann U, Pittner A, Paulat K, Radermacher P, Muth CM: Herzfrequenz und metabolische Parameter beim Apnoetauchen. Dtsch Z Sportmed 2004; 55: 295–298

      2. Ferretti G: Extreme human breath-hold diving. Eur J Appl Physiol 2001; 84: 254–271

      3. Ferrigno M, Lundgren CEG: Human breath-hold diving. In: Lundgren CEG, Miller JN (eds) The lung at depth. Lung biology in health and disease, vol 132. Marcel Dekker, New York, 1999, pp 529–585

      4. Hong SK: Breath-hold diving. In: Bove AA, Davis JC (eds) Diving medicine. W. B. Saunders, Philadelphia PA, 1997, pp 65–74

      5. Muth CM, Radermacher P, Pittner A, Steinacker J, Schabana R, Hamich S, Paulat K, Calzia E: Arterial blood gases during diving in elite apnea divers. Int J Sports Med 2003; 24:104–107

      6. Muth CM, Ehrmann, U, Radermacher P: Physiological aspects of apnea diving. Clin Chest Med 2005; 26: 381–394

      7. Muth CM, Radermacher P: Kompendium der Tauchmedizin. Deutscher Ärzteverlag, Köln, 2005

      8. Radermacher P, Muth CM. Apnoetauchen – Physiologie und Pathophysiologie. Dtsch Z Sportmed 2002; 53: 185–191

      Unfälle und Erkrankungen beim Tauchen

      10 Dekompressionserkrankung

       R. Kern

      Die Dekompressionserkrankung entsteht durch symptomatisches Freiwerden von Gasbläschen aus zuvor in Geweben oder Blut gelöstem Inertgas. Sie kann sich in verschiedenen Schweregraden manifestieren: von nur leichten, voll reversiblen Beschwerden, über persistierende neurologische Ausfälle, bis hin zum tödlichen Ausgang. Im folgenden Kapitel soll auf die verschiedenen Manifestationsformen der Dekompressionserkrankung, deren Symptome und Abgrenzung zu anderen Erkrankungen eingegangen werden. Ein Abschnitt widmet sich den Risikofaktoren, die das Auftreten und den Schweregrad der Dekompressionserkrankung beeinflussen können. Hier werden auch die besonderen Aspekte von Flugreisen nach dem Tauchen kurz umrissen.

      10.1 Definition und Klassifikation

      Die Dekompressionserkrankung wird verstanden als dysbare Erkrankung, bei der es im Zusammenhang mit Veränderungen des Umgebungsdrucks zu einem Freiwerden von Gasen aus gelöstem Zustand kommt. Diese Gase können als Bläschen unterschiedlicher Größe in Geweben oder Blutgefäßen des Körpers auftreten und sich anhäufen. Die möglichen Folgen sind eine direkte, mechanische Schädigung von Geweben oder eine indirekte Schädigung, bei der Gasbläschen zu Gefäßverschlüssen, zu Mikro- oder auch Makroembolien, und damit zu einem Sauerstoffmangel in Geweben führen.

      Physikalische und pathophysiologische Konzepte der Entstehung von Gasblasen sind in Kap. 2 ausführlich erläutert. Für das Verständnis der in diesem Kapitel dargestellten klinischen Symptomatik ist es wichtig, dass die Dekompressionserkrankung aufgrund ihrer Pathophysiologie grundsätzlich als eine systemische Erkrankung anzusehen ist und entsprechend behandelt werden sollte. Dies gilt auch für Fälle, bei denen die Beschwerden lokal begrenzt auftreten und ein eher leichtes Krankheitsbild verursachen. Therapeutische Prinzipien werden im Kap. 18 besprochen.

      Im angloamerikanischen Sprachraum wird zwischen der „decompression illness“ bzw. „decompression injury“ (DCI) und