Händen, Nase, Ohren und Oberschenkeln auf.
Hautausschlag
In der Folge kann sich ein rötlicher Hautausschlag (Erythem) entwickeln, der wahrscheinlich mit einer Histaminausschüttung in Zusammenhang steht. Er kann zunächst scharlachähnlich fein- bis grobfleckig aussehen, mit einer Verteilung im Bereich von Brust, Schultern, Rücken, Bauch und Oberschenkeln. In schwereren Fällen kommt es in gleicher Verteilung zu einem rötlich-erhabenen Ausschlag (makulopapulöses Exanthem), der sich in der Regel großflächig verbindet. Dieses Exanthem wird als Folge einer durch Gasbläschen verursachten Störung des venösen Abflusses und damit als Zeichen einer generalisierten Dekompressionserkrankung angesehen.
Cutis marmorata
Ausgehend von einem umschriebenen rötlichen oder blassen Bereich, der unmittelbar nach dem Auftauchen auftritt, kommt es rasch zu einer Ausbreitung einer bläulich-gesprenkelten, von blassen Arealen umgebenen Schwellung, die an Marmor erinnert (Abb 10.2). Die Cutis marmorata („marmorierte Haut“) ist relativ selten, aber ein ernstes Symptom einer Dekompressionserkrankung, da sich die ödematöse Schwellung nicht nur an der Haut, sondern meist generalisiert manifestiert.
Abb. 10.2: Cutis marmorata (mit freundlicher Genehmigung: Dr. A. Kemmer, Murnau)
Lymphatische Schwellung
Selten kann es im Rahmen einer Dekompressionserkrankung auch zu einer lokalen Schwellung kommen, die als lymphatische Abflussstörung verstanden wird. Sie führt zu einem vergröberten Hautrelief, das an Orangenhaut erinnert. Betroffen sein können Körperstamm, Brust, Extremitäten oder Speicheldrüsen. Eine lymphatische Schwellung ist ebenfalls als indirektes Zeichen einer generalisierten Dekompressionserkrankung zu werten.
10.2.5 Symptome im Bereich des Bewegungsapparats
Klinische Symptome im Bereich des Bewegungsapparates gehören zu den häufigsten Manifestationen einer Dekompressionserkrankung überhaupt. Als Leitsymptom sind Gelenkschmerzen zu nennen, die häufig auch als „bends“ bezeichnet und dem DCS Grad I nach der herkömmlichen Klassifikation zugeordnet werden. Die Beschwerden beginnen mit einem schlecht lokalisierbaren unangenehmen Gefühl, oft in Verbindung mit einem Taubheitsgefühl im Bereich eines Gelenks oder eines Muskels. Innerhalb einer Stunde nehmen die Beschwerden an Intensität zu, bis hin zu einem heftigen, dumpfen, teils pochenden Schmerz. Typischerweise sind Bewegungen im betroffenen Gelenk schmerzhaft, so dass das Gelenk in einer gebeugten Schonhaltung gehalten wird.
Die Dauer der Symptome ist variabel. Am häufigsten ist bei Sporttauchern das Schultergelenk, bei Berufstauchern das Kniegelenk betroffen. Es können aber ebenso Ellenbogen-, Hand-, Hüft- oder Sprunggelenk beeinträchtigt sein. Die Schmerzen können sich auch an zwei oder mehreren Gelenken manifestieren, in den meisten Fällen handelt es sich dabei um benachbarte Gelenke mit asymmetrischem Verteilungsmuster.
Fallbeispiel. Der 46-jährige Taucher J. fährt über das Wochenende mit drei Tauchfreunden aus dem Verein zum Bergseetauchen nach Österreich. Sie machen vier Tauchgänge in kaltem, aber kristallklarem Wasser: Am Samstag tauchen sie bis maximal 35 und 12 m, am Sonntag bis 42 und 17 m. Auf der Rückfahrt, etwa 6 Stunden nach dem letzten Tauchgang, verspürt J. Schmerzen im rechten Ellenbogen, die an Stärke zunehmen. Da er die Gangschaltung nicht mehr bedienen kann, übernimmt ein Tauchfreund das Steuer. Am Abend haben sich die Schmerzen auf den Oberarm und das Schultergelenk ausgebreitet. J., der sich an keine vorangegangene Verletzung erinnern kann, hält den Arm in einer gebeugten Haltung, damit sich die Schmerzen ertragen lassen. Äußerlich kann er keine Veränderungen sehen, auch keine Rötung oder Schwellung. Trotz Einnahme von Schmerzmitteln kann er nicht schlafen. Am nächsten Tag sucht J. einen Arzt auf, der ihn an ein nahegelegenes Druckkammerzentrum überweist. Unter Rekompression bilden sich die Beschwerden vollständig zurück.
Diagnose: progrediente muskuloskelettale DCS (Typ 1, “bends”).
Kompaktinformation
Zerebrale Symptome der Dekompressionserkrankung
■ Bewusstseinsstörungen in unterschiedlicher Ausprägung von Somnolenz bis Koma
■ Orientierungsstörungen, Verwirrtheit
■ Epileptische Anfälle (fokal oder generalisiert)
■ Halbseitige Lähmungserscheinungen (Hemiparese)
■ Halbseitige Gefühlsstörungen (Hemihypästhesie, Hemihypalgesie, Dysästhesien)
■ Sehstörungen, insbesondere halbseitig (homonyme Hemianopsie)
■ Augenbewegungsstörungen und Doppelbilder, Pupillenstörungen
■ Sprachstörungen (Aphasie) oder andere Störungen höherer kortikaler Funktionen: Störung des Lesens (Alexie), Schreibens (Agraphie), Rechnens (Akalkulie), des Wiedererkennens von Personen oder Objekten (Agnosie), der Wahrnehmung von Körperfunktionen (Neglect)
■ Kleinhirnzeichen: Koordinationsstörungen (Ataxie, Dysmetrie), Störung glatter Bewegungsabläufe (Dysdiadochokinese), undeutliches Sprechen (Dysarthrie), schnelle unwillkürliche Augenbewegungen (Nystagmus), Schwindel (Vertigo)
10.2.6 Symptome im Bereich des Nervensystems
Die Manifestation der Dekompressionserkrankung im Bereich des Nervensystems definiert das Syndrom als schwerwiegend (DCS Typ II nach der traditionellen Klassifikation) und ist gerade bei Presslufttauchern sehr häufig. Aufgrund von Unterschieden in der Durchblutung und der feinstrukturellen Zusammensetzung von Geweben ist zwischen einer Manifestation im Bereich des zentralen Nervensystems, also Gehirn oder Rückenmark, und des peripheren Nervensystems zu unterscheiden. Die jeweils auftretenden Symptome unterscheiden sich sowohl klinisch als auch bezüglich des zeitlichen Verlaufs. Zu Aufbau und Funktionsweise des Nervensystems s. auch Kap. 26.
Zentrale Manifestation
Das Gehirn zählt aufgrund der guten arteriellen Blutversorgung bezüglich der Sättigung mit Inertgas zu den schnellen Geweben. Daher treten zerebrale Symptome meist relativ rasch nach Erreichen der Wasseroberfläche auf. Typisch ist das Tauchprofil eines sehr tiefen Presslufttauchgangs mit nachfolgend raschem Aufstieg. Generell gilt: Je schneller die zerebralen Symptome beginnen, desto schwerer ist die Erkrankung und desto schlechter die Prognose. Zerebrale Symptome können sehr vielgestaltig sein, je nachdem, welche Regionen des Gehirns betroffen sind.
Kompaktinformation
Spinale Symptome der Dekompressionserkrankung
■ Gelegentlich vorausgehende Rückenschmerzen oder gürtelförmige Schmerzausstrahlung
■ Lähmungen beider Beine (Paraparese) oder aller vier Extremitäten (Tetraparese)
■ Pathologische Reflexe (Babinski-Zeichen und andere Pyramidenbahnzeichen)
■ Gefühlsstörungen unterhalb der betroffenen Rückenmarkshöhe (sensibler Querschnitt), meist in Kombination mit Lähmungserscheinungen
■ Blasen- und Mastdarmstörungen, am häufigsten mit Harnverhalt und Überlaufblase, die zu Unterbauchschmerzen führen kann.
Spinale Manifestation
Das Rückenmark beinhaltet überwiegend die langen Nervenbahnen vom Gehirn in die Peripherie und umgekehrt, die aus weißer Substanz bestehen. Bezüglich der Sättigung mit Inertgas zählt es zu den langsamen Geweben, da die weiße Substanz sehr lipidhaltig ist und das Rückenmark im Vergleich zum Gehirn wesentlich geringer mit arteriellem Blut versorgt wird. Deshalb treten nach Erreichen der Wasseroberfläche spinale Symptome später auf als zerebrale Symptome, typischerweise nach mehreren Wiederholungstauchgängen von mäßiger Tiefe und Dauer. Am häufigsten betroffen sind das thorakolumbale Rückenmark und das untere Halsmark.
Abb. 10.3: Die T2-gewichtete Kernspintomografie zeigt mehrere diffuse hyperintense Läsionen im unteren Halsmark bei spinaler Dekompressionserkrankung (mit freundlicher Genehmigung: Dr. A. Fichtner, Halle)