Faktoren können gemeinsam auftreten und sich gegenseitig verstärken. Aktuelle Studien legen nahe, dass Flüssigkeitsmangel ein Risikofaktor für die Dekompressionserkrankung darstellt. Daher gibt es gute Gründe, Tauchern zu ausreichender Flüssigkeitszufuhr vor und nach dem Tauchgang zu raten. Eine kürzlich erschienene Publikation aus Frankreich konnte eine Reduktion von venösen Gasbläschen bei Druckkammerfahrten durch vorherige Flüssigkeitszufuhr zeigen. Alkoholische Getränke führen zu einer negativen Flüssigkeitsbilanz über eine Zunahme der Urinausscheidung, koffeinhaltige Getränke können einen ähnlichen Effekt aufweisen. Ideale Getränke sind Wasser, Fruchtsäfte und Früchte- oder Kräutertee.
Ein mäßiger Flüssigkeitsmangel beim Gesunden führt nicht per se zu einer verminderten Gewebsdurchblutung. Ist aber eine Dekompressionserkrankung bereits in Gang gekommen, werden deren rheologische Effekte durch Dehydratation verstärkt und umgekehrt, so dass eine erhöhte Blutviskosität und eine Reduktion des Blutflusses in wichtigen Organen die Folge ist. Daher ist die Flüssigkeitszufuhr ein wichtiges therapeutisches Ziel bei der Behandlung der Dekompressionserkrankung.
10.4.4 Alkohol
Wie bereits ausgeführt, steigert übermäßiger Alkoholgenuss die Harnproduktion und fördert somit den Flüssigkeitsverlust des Körpers. Zudem führt Alkohol zu Gefäßerweiterung (Vasodilatation) der Hautgefäße und somit zu einem Wärmeverlust. Auskühlung wiederum erhöht das Risiko einer Dekompressionserkrankung.
10.4.5 Umgebungstemperatur
Der Einfluss der Umgebungstemperatur auf das Entstehen der Dekompressionserkrankung ist komplex, da sie Auswirkungen auf die Durchblutung der Körperoberfläche und die Gaslöslichkeit hat. Eine niedrige Umgebungstemperatur führt zu einer verminderten Gewebsdurchblutung und zu einer erhöhten Gaslöslichkeit. Ein Tauchgang in kaltem Gewässer führt je nach Qualität des Tauchanzugs zu einer Auskühlung: Mehr Inertgas geht in Lösung, und durch die verminderte Gewebsdurchblutung wird die Dauer der Gaselimination auf etwa das Doppelte verlängert. Während der Dekompressionsphase ist Wärme günstig, da die Abgabe von Inertgas beschleunigt erfolgt. Zu Beginn des Tauchgangs hingegen ist Wärme eher ungünstig, da durch die Weitstellung der Gefäße trotz relativ niedriger Gaslöslichkeit eine hohe Aufsättigung der Gewebe mit Inertgas stattfindet.
Hinweis. Die heiße Dusche oder der Saunabesuch unmittelbar nach einem Tauchgang in kalten Gewässern ist in diesem Zusammenhang nicht ganz ungefährlich. Durch den gesteigerten Blutfluss an der Körperoberfläche und die gleichzeitig verminderte Gaslöslichkeit kann plötzlich eine größere Menge an Gasbläschen freigesetzt werden.
10.4.6 Körperliche Arbeit
Körperliche Arbeit kann sehr unterschiedliche Effekte auf das Auftreten einer Dekompressionserkrankung haben. In jedem Fall stellt schwere körperliche Arbeit während oder nach dem Tauchgang einen Risikofaktor für das Auftreten einer Dekompressionserkrankung dar. Während der Kompressionsphase steigert körperliche Arbeit über eine erhöhte Blutzufuhr die Sättigung der Skelettmuskulatur mit Inertgas, so dass dieser Gegebenheit durch deutlich verlängerte Austauchzeiten Rechnung getragen werden muss. Ebenso führt schwere körperliche Arbeit während oder nach der Dekompression zur beschleunigten Bildung von Gasbläschen bzw. erhöht die Zahl der freiwerdenden Bläschen. Hingegen führt leichte körperliche Betätigung während der Dekompressionsphase zu einer verbesserten Gewebsdurchblutung und Gaselimination und kann daher günstige Auswirkungen haben. Die erforderliche Austauchzeit verkürzt sich im Vergleich zu einer statischen Körperhaltung während der Dekompression. Nach der Dekompression wird allgemein eine Ruhephase empfohlen, um den Geweben des Körpers Zeit zu geben, das aufgenommene Inertgas wieder abzugeben. Über welchen Mechanismus körperliche Betätigung in dieser Phase zu einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Symptomen führt, ist nicht gesichert. Diskutiert werden zum einen kavitationsähnliche Prozesse, bei denen durch das Einwirken mechanischer Energie entstandene Gefügestörungen bzw. Zerreißungen auf mikroskopischer Ebene das vermehrte Auftreten von Gasbläschen fördern; zum anderen kommt eine Steigerung des intrathorakalen Drucks mit konsekutivem Übertritt von Gasbläschen aus dem venösen in das arterielle System über ein persistierendes Foramen ovale (PFO) als Mechanismus in Betracht.
10.4.7 Persistierendes Foramen ovale (PFO)
Das Vorliegen eines offenen bzw. persistierenden Foramen ovale (PFO) wurde erst in den 1990er Jahren als Risikofaktor für eine früh beginnende Dekompressionserkrankung mit neurologischer Symptomatik identifiziert. Vermutlich begünstigt ein PFO die Arterialisierung venöser Gasbläschen während einer intrathorakalen Drucksteigerung („Rechts-Links-Shunt“; s. dazu Kap. 32).
10.4.8 Tauchprofil und Tauchverhalten
Das Tauchprofil hat einen ganz wesentlichen Einfluss auf das Risiko für die Entwicklung einer Dekompressionserkrankung. Die Dauer, Tiefe und das Aufstiegsprotokoll gehören zu den äußeren Faktoren, die sich im Sinne eines umsichtigen Tauchverhaltens am leichtesten günstig modifizieren lassen. Beispielsweise dienen Empfehlungen zum so genannten „low bubble diving“ dazu, das Auftreten von Symptomen einer DCS zu reduzieren. Zu diesen Empfehlungen zählen Tiefenbegrenzungen, Vermeidung von Deko- und Wiederholungstauchgängen, zusätzliche Sicherheitsstopps (auch bei Nullzeit-Tauchgängen) und die Verwendung von Nitrox als Atemgas in Kombination mit Lufttabellen bzw. -algorithmen. Auf weitere Besonderheiten soll im Folgenden eingegangen werden. Der Einfluss bestimmter Tauchprofile auf die Entstehung von Gasbläschen wird in Kap. 4 abgehandelt.
Tiefe und dekompressionspflichtige Tauchgänge, Dekompressionsfehler
Aus zahlreichen Datenbanken ist bekannt, dass tiefe Tauchgänge mit mehr als 30 m Wassertiefe, Tauchgänge mit langer Kompressionsphase und Tauchgänge, bei denen die Einhaltung einer Dekompressionsstufe nötig ist, mit einem höheren Risiko für eine Dekompressionserkrankung verbunden sind.
Eine Verletzung der Dekompressionsregeln stellt einen schwerwiegenden Risikofaktor für das Auftreten einer Dekompressionserkrankung dar und kann wegen des massiven Auftretens von Gasblasen früh auftretende und fulminant verlaufende Symptome verursachen. Dabei ist ein zu schneller Aufstieg genauso gefährlich wie das Missachten einer vorgeschriebenen Austauchstufe.
Wiederholungstauchgänge
Bei Wiederholungstauchgängen muss davon ausgegangen werden, dass die Gaselimination des Körpers noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Dies betrifft vor allem die so genannten langsamen Gewebe mit hohem Lipidgehalt und geringer Blutversorgung. Gasbläschen, die während des ersten Tauchgangs entstanden sind und noch nicht zu klinischen Symptomen geführt haben, könnten im Wiederholungstauchgang eine verstärkte Blasenbildung provozieren bzw. sich zu größeren Gasblasen vereinen und dann klinisch symptomatisch werden. Ein weiterer Erklärungsmechanismus ist die Beobachtung, dass venöse Gasbläschen in den Lungenkapillaren nach dem Tauchgang „festgehalten“ werden. Wurden diese vor dem nachfolgenden Wiederholungstauchgang noch nicht vollständig abgeatmet, können sie während des nächsten Tauchgangs direkt in den arteriellen Kreislauf gelangen.
Die Berechnung von Dekompressionsstufen bei Wiederholungstauchgängen beruht bei Austauchtabellen und Tauchcomputern unter anderem auf mathematischen Modellen, die die Entsättigung verschiedener „theoretischer“ Gewebe abschätzen. Trotz zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen spiegeln diese Algorithmen nicht unbedingt die Realität in jedem individuellen Gewebe wider. Dies ist besonders für das „Non-Limit-Tauchen“ von Bedeutung, bei dem es unter Umständen während eines einwöchigen Tauchurlaubs gar nicht zu einer vollständigen Entsättigung aller Gewebe kommt. Aus diesem Grund wird meist empfohlen, in solchen Situationen alle drei Tage einen tauchfreien Tag einzulegen.
Mehrere Aufstiege während eines Tauchgangs („Jojo-Tauchgänge“)
Bei so genannten Jojo-Tauchgängen mit mehreren Tiefenwechseln innerhalb kurzer Zeit kann es bereits während der Beinaheaufstiege zur Entstehung von Gasbläschen kommen. Diese gehen während der erneuten Abstiege nur zu einem geringen Teil wieder in Lösung und führen so zu einer deutlich größeren Menge an Gasbläschen zum Ende des Tauchgangs. Dadurch erhöht sich das Risiko für eine Dekompressionserkrankung im Vergleich zum klassischen Rechtecktauchgang deutlich.
Bergseetauchen
Tauchen in Bergseehöhe