sich die Irritation durch ein Taubheitsgefühl am oberen äußeren Oberschenkel (Meralgia paraesthetica). Das Tragen schwerer Taucherhelme bei Berufstauchern kann zu einer Kompression des nahe des Schlüsselbeins gelegenen Plexus brachialis, einem Nervengeflecht in der Schulter-Hals-Region, führen. Eine Sonderform stellt die isolierte Nervenläsion des fünften (N. trigeminus) oder siebten (N. facialis) Hirnnerven im Rahmen eines Barotraumas der Kieferhöhle bzw. des Mittelohrs dar. Klinisch resultieren, neben den durch das Barotrauma bedingten Schmerzen, Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich oder eine Lähmung der Gesichtsmuskulatur.
Eine Hyperventilationstetanie kann zu Symptomen führen, die mit einer neurologischen DCS verwechselt werden können. Speziell ängstliche oder unerfahrene Taucher neigen im Rahmen einer besonderen körperlichen oder psychischen Belastung zur unwillkürlichen Hyperventilation. Subjektiv kommt es zu Kurzatmigkeit und einem elektrisierenden Gefühl in den Händen. In seltenen Fällen können eine Verkrampfung der Hände in einer sog. „Pfötchenstellung“ oder sogar Bewusstseinsstörungen auftreten. Die Beschwerden bessern sich rasch unter ruhiger und gleichmäßiger Atmung bei Nachlassen der Angst; unterstützend kann eine Beutelrückatmung erfolgen.
10.3.4 Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Ausübung des Tauchsports stellt hohe Anforderungen an das Herz-Kreislauf-System und die körperliche Fitness. Durch die Immersion kommt es zu einer Anpassung der Kreislaufregulation an die äußeren Bedingungen, wie Steigerung der Auswurfleistung des Herzens, Zunahme des zentralen Blutvolumens und zeitweise eine reflektorische Senkung der Herzfrequenz. Zwar ist nicht genau untersucht, ob Tauchen das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Angina pectoris oder Herzrhythmusstörungen begünstigt, beim Untrainierten stellt es aber sicher eine besondere Belastung für das Herz-Kreislauf-System dar. So ist es möglich, dass es während oder nach dem Tauchgang zu einer akuten Herz-Kreislauf-Erkrankung kommt, v. a. wenn Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht vorliegen oder bei chronischer Herzerkrankung. Das akute Herz-Kreislauf-Versagen ist auch eine wichtige Differenzialdiagnose bei plötzlichem Tod im Wasser.
10.3.5 Hauterkrankungen
Verschiedene Hauterkrankungen kommen als Differenzialdiagnose zur Hautmanifestation der Dekompressionserkrankung in Betracht. Abzugrenzen sind u. a. die Kontaktdermatitis, eine allergische Reaktionen auf Tauchbekleidung, der Kontakt mit giftigen Meerestieren, Kälteurtikaria, und das angioneurotische Ödem, das durch eine Histaminausschüttung, z. B. an Druckstellen enger Manschetten entsteht.
10.3.6 Andere Erkrankungen
Vergiftungen mit kontaminiertem Atemgas, insbesondere mit Kohlenmonoxid (CO), treten nur selten auf. Klinisch führt die CO-Vergiftung zu Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Bewusstlosigkeit. Im Gegensatz zur Dekompressionserkrankung beginnen die Symptome meist schon unter Wasser. Weitere Hinweise sind ein öliger Gasgeschmack und die gleichzeitige Erkrankung mehrerer Taucher.
Verletzungen oder eine lokale Überlastung können zu Gelenk- oder Muskelschmerzen führen und mit „bends“ verwechselt werden. Hierunter fällt z. B. der so genannte „Tennisellenbogen“ (Epicondylitis lateralis), der durch mechanische Überbeanspruchung, z. B. beim häufigen Tragen von Tauchflaschen, entstehen kann.
Grippale Infekte führen insbesondere im Frühstadium zu Abgeschlagenheit, generalisierten Muskelschmerzen und Kopfschmerz. Aufgrund der Häufigkeit von grippalen Infekten können ihre Symptome nach dem Tauchgang erstmalig bemerkt werden. Die Diagnose einer Dekompressionserkrankung sollte nicht gestellt werden, solange lediglich Allgemeinsymptome vorliegen. Ähnliches gilt für Nebenwirkungen von Medikamenten, die ebenfalls unspezifische Symptome hervorrufen können.
10.4 Risikofaktoren
Zahlreiche Faktoren können die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und den Schweregrad einer Dekompressionserkrankung beeinflussen. Die meisten von ihnen bewirken eine Veränderung der Blutversorgung von Geweben und somit auch die Geschwindigkeit der Gasaufnahme und -abgabe.
Bedauerlicherweise ist die zugrunde liegende Datenlage angesichts der relativen Seltenheit der Dekompressionserkrankung noch begrenzt und basiert teilweise auf Empirie. Erst in den letzten Jahren wurde begonnen, systematische Daten über Risikofaktoren der Dekompressionserkrankung zu erfassen. Zwar sind einige Einflussfaktoren gesichert, meist ist aber nicht bekannt, wie stark diese Faktoren das Risiko erhöhen, eine Dekompressionserkrankung zu entwickeln. Allerdings sind in den letzten Jahren einige relevante Veröffentlichungen zu diesem Thema erschienen, die für die vorliegende 2. Auflage berücksichtigt wurden.
Kompaktinformation
Risikofaktoren für eine Dekompressionserkrankung
■ Alter/Geschlecht
■ Übergewicht (Adipositas)
■ Flüssigkeitsmangel (Dehydratation)
■ Alkohol
■ Umgebungstemperatur
■ Körperliche Arbeit
■ Persistierendes Foramen ovale (PFO)
■ Tauchverhalten/Tauchprofil
■ Fliegen nach dem Tauchen
Grundsätzlich können Risikofaktoren eingeteilt werden in Merkmale, die
■ den Taucher selbst,
■ die Umgebung,
■ den Tauchgang,
■ die Bedingungen nach dem Tauchgang
betreffen. Die wichtigsten Faktoren, die das Auftreten und den Schweregrad einer Dekompressionserkrankung beeinflussen können, zeigt die Kompaktinformation.
10.4.1 Alter und Geschlecht
Ein höheres Lebensalter gilt als Risikofaktor für die Entstehung einer Dekompressionserkrankung. Mehrere Ursachen kommen hierfür in Frage: ein allgemeines Nachlassen der körperlichen Fitness, eine Zunahme des Körperfettanteils, eine geringere Gewebsdurchblutung, eine verminderte Elastizität von Blutgefäßen oder ggf. das erhöhte Risiko durch eine bereits in der Vergangenheit erlittene Dekompressionserkrankung.
Die prädisponierende Rolle des Geschlechts für eine Dekompressionserkrankung ist umstritten. In der Vergangenheit wurde wiederholt ein erhöhtes Erkrankungsrisiko für Frauen berichtet. Als mögliche Ursachen wurden ein höherer Körperfettgehalt, Schwankungen im Flüssigkeitshaushalt und hormonelle Kontrazeption genannt. Neuere Studien fanden keinen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Risiko für eine Dekompressionserkrankung. Eine aktuelle Studie berichtete über ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer neurologischen DCS bei Frauen mit erhöhtem Hämatokrit (Anteil der zellulären Bestandteile am Blutvolumen), z. B. bei Dehydratation.
10.4.2 Übergewicht
Die Löslichkeit von Stickstoff in fetthaltigen Geweben ist etwa 4,5-mal höher als in Wasser. Da eine höhere Masse an Fettgewebe zur Aufnahme von Inertgas zur Verfügung steht, prädisponieren ein höherer Körperfettgehalt und Übergewicht zur Dekompressionserkrankung. Dies ist von besonderer Bedeutung, da gerade ältere Austauchtabellen an jungen, gut trainierten Marinetauchern validiert wurden und solche konstitutionellen Unterschiede nicht berücksichtigen. Gesicherte Daten, ob eine erhöhte Cholesterinkonzentration im Blut das Risiko einer Dekompressionserkrankung beeinflusst, liegen nicht vor.
10.4.3 Flüssigkeitsmangel (Dehydratation)
Ein Flüssigkeitsmangel im Gewebe führt zu einer reduzierten Oberflächenspannung des Blutplasmas, was die Entstehung von Gasbläschen begünstigt. Im Zusammenhang mit dem Tauchgang können mehrere Faktoren zum Flüssigkeitsmangel führen:
■ Flüssigkeitsverlust über die Atemluft,
■ Flüssigkeitsverschiebung durch Immersion,
■ unzureichende Flüssigkeitszufuhr,
■ Alkoholgenuss,
■ körperliche Arbeit,
■ körperliche Erkrankungen, z. B. gastrointestinale Infekte (Magen-Darm),