verändert. Alfred Lord Tennyson schrieb zu diesem Mysterium der anhaltenden Unveränderlichkeit in seinem Gedicht The Brook sinngemäß: „Menschen kommen, Menschen gehen, ich aber gehe ewig weiter.“ Ebenso könnten wir, allerdings weit weniger elegant, formulieren: Meine Sicherheit, meine Gefühle, Gedanken, mein Körper und meine Umwelt kommen und gehen, doch „ICH“ bleibe immer. Dieser Satz berührt die Seele vielleicht nicht so stark, doch er bringt die Botschaft klarer „rüber“.
Die Sinne und der Körper sind wie Pferde, die einen Wagen durchs Leben ziehen. Der Wagenlenker ist Ihr Geist, Ihr Verstand. Ihr Selbst, das „ICH“, ist der Fahrgast, der Zeuge oder Beobachter von allem, was kommt und geht während Ihres Lebens und in der Zeit des „Ich“. Das Selbst bleibt unberührt und frei von den Kräften unserer Welt. Es ist das stille Zentrum des Friedens. Falls wir uns mit der umtriebigen Natur unseres Verstandes identifizieren, kommen wir nie zur Ruhe. Wenn wir das Leben von der Warte des Selbst aus wahrnehmen, bleiben wir von der offensichtlichen Mühe und dem Kampf unberührt, die uns auf der Straße des Lebens begegnen.
Das „Ich“ verändert sich ständig, das „ICH“ verändert sich nie. Wenn der Verstand auch zu wissen scheint, wohin er geht, so ist er doch verloren ohne die zarte Unterstützung des „ICH“. Das „ICH“ gleicht dem GPS-Satelliten, der die Position bestimmt: Es tut nichts, doch ohne das „ICH“ hat der Verstand keinen Bezugspunkt. Solange wir des „ICH“ nicht gewahr sind, werden wir vom Verstand, vom Körper und den Sinnen, also von den Bestandteilen des „Ich“, hinweggefegt. Pferd und Wagen gehen mit dem Fahrgast durch.
Bei den seltenen Gelegenheiten, da wir einen kostbaren Moment lang die chaotische Welt in Schach halten können, ertappen wir uns vielleicht bei der Frage: „Was soll das alles?“ oder „Was ist mein Lebenssinn?“ Und wenn vom „Ich“ keine Antwort kommt, dann flüchten wir uns in Überarbeitung, Fernsehen, Drogen, Sex, Geldverdienen, Geldausgeben oder alles andere, was den Verstand von diesen unbehaglichen, ruhigen Momenten ablenkt. Die Antwort ist einfach. Sobald wir des „ICH“ gewahr werden, überkommt uns eine Art Stille. Das „ICH“, das Selbst, wird zuerst als zarter Friede empfunden. Wenn sich dieser Friede im Laufe der Zeit vertieft, treten Freude und ein Gefühl von Ehrfurcht in unser Gewahrsein. Das fühlt sich so an, als beobachteten wir einen wundervollen Sonnenuntergang, brauchten aber keine Sonne dazu. Wir brauchen nichts. Friede und Freude treten dann immer wieder bei den seltsamsten Gelegenheiten und an den seltsamsten Orten auf. Eines Tages werden Sie erstaunt feststellen, dass Sie inneren Frieden während eines traumatischen Ereignisses empfinden oder in einer brenzligen Situation am Arbeitsplatz. Friede, das Ergebnis von Selbst-Bewusstheit, beginnt sich mit Nicht-Frieden zu vermischen. Genau dieses Verschmelzen von „ICH“ und „Ich“ vertieft die Lebenserfahrung und erweitert unsere Sicht der Welt.
Wenn wir unseres Selbst gewahr werden, dann werden wir wie ein Meer. Der Meeresgrund ist unbewegt und ruhig. An der Oberfläche finden wir Schaumkronen, Blasen und Wellen. Die unvorhersagbare, sich stets wandelnde Oberfläche entspricht dem „Ich“. Das „ICH“ aber gleicht der ruhigen Tiefe. Doch auch die größte Welle besteht aus Wasser. Das stille Wasser in der Tiefe nennen wir „ICH“ und das tosende Wasser an der Oberfläche „Ich“. Letztlich ist alles Wasser. Das „Ich“ ist lediglich ein aktiver Ausdruck des „ICH“. Wenn wir an der Meeresoberfläche leben, identifizieren wir uns mit der Turbulenz und dem Wandel. Wir erheben uns und fallen mit unseren Hoffnungen und Ängsten, nur um an die Felsenküste der Illusion geschleudert zu werden. Indem wir einfach der Tiefen des „ICH“ gewahr werden, genießen wir mühelos Halt und Gelassenheit. Die Stürme an der Oberfläche gehen weiter, doch vom Blickwinkel des „ICH“ aus bleiben wir unberührt.
Ein anderer Ausdruck für „ICH“ ist „ICH BIN“. Mit dieser Bezeichnung weisen wir darauf hin, dass das „ICH“ nichts tut, es ist nur. „ICH BIN“ bedeutet, dass nur das „ICH“ existiert, sonst nichts. Ich verwende gern dieses „ICH BIN“, denn es vertieft das Gefühl von „ICH“. René Descartes, der französische Philosoph des 17. Jahrhunderts, ist berühmt für seinen Ausspruch: „Ich denke, also bin ich.“ Seltsamerweise hat er den Satz umgedreht. (Sehen Sie mir nach, wenn ich mich hier zu einem Wortspiel mit seinem Namen verleiten lasse: Er ist sozusagen aus dem Wagen gestiegen [de-cart], bevor er vom Pferd abstieg [de-horse] … In diesem Sinne meine ich das mit der Umkehrung.) Er hätte besser sagen sollen: „ICH BIN, deshalb denke ich.“ Wenn wir Descartes’ Argumentation folgten, dann würde er aufhören zu existieren, sobald er zu denken aufhörte. Das stimmt einfach nicht. Diese Schlussfolgerung würde zwar für jemanden Sinn ergeben, der ständig denkt und nur an der Meeresoberfläche des Selbst vor sich hinlebt. Was würde passieren, wenn Ihre Gedanken einfach aufhörten? Würden Sie dann wirklich nicht mehr existieren? Wären Sie dann einfach abgeschaltet, als ob ein schicksalhafter Finger Ihren Lichtschalter ausgeknipst hätte? Da sage ich: „Keineswegs!“ Und ich werde es Ihnen im nächsten Abschnitt beweisen.
*
Wenn Sie sagen: „Ich bin hungrig“, dann erkennen Sie damit den unveränderlichen wie den veränderlichen Aspekt Ihres Seins an. „ICH BIN + hungrig“ = „ICH“ + „Ich“. Normalerweise richten wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf das hungrige „Ich“ und ignorieren den Wohlgeschmack des „ICH“. Wenn Sie nur den körperlichen Hunger stillen, dann werden Sie vom Tisch aufstehen und immer noch nach der Fülle des „ICH“ hungern. Beide Seiten der Gleichung müssen im Gleichgewicht sein. Ihre Probleme werden nicht verschwinden und der Friede wird nicht aufblühen, solange Sie nicht Ihres Selbst gewahr werden.
Gleich werden Sie feststellen, dass der Verstand zu existieren aufhört, sobald Sie aufhören zu denken, doch das „ICH“ besteht ewig fort. Sowie der Gedanke an den Hunger schwindet, bleibt nur noch das „ICH BIN“. Oder wenn die Wut verschwindet, ist nur das „ICH BIN“ da. Alle weltlichen Wirren lösen sich auf in der grenzenlosen Umarmung des „ICH“, der Ganzheit des Selbst. Und wenn Verstand und Körper als Welle des „Ich“ wieder auftauchen, dann stützen sie sich auf das Meer des „ICH“.
Die gute Nachricht
Solange Ihre Identität auf Veränderung beruht, kommen Sie nie völlig zur Ruhe und kennen Ihr wahres Wesen nicht wirklich. Ihr Selbst ist der Teil von Ihnen, der sich niemals verändert. Lassen Sie mich das wiederholen: Ihr Selbst ist unveränderlich. Denken Sie darüber einen Moment nach. Das ist weder eine Philosophie noch Wunschdenken. Das ist konkreter, greifbarer als ein Stein. Ihr Selbst altert nicht, ermüdet nicht und erleidet nie Angst oder Schmerzen. Sobald Sie Ihr Selbst vollständig kennenlernen, werden Sie nicht mehr leiden oder von anderen verletzt werden. – Wie kann das geschehen? Alles, was man dazu braucht, ist eine Veränderung oder Verlagerung, ein Wechsel oder ein „Umschalten“ in der Wahrnehmung. Diese Veränderung ist rasch, leicht und mühelos vorzunehmen. Nicht durch alles Reden der Welt werden wir dieser Erfahrung auch nur einen Zentimeter näher kommen. Der Schlüssel dazu, das Herz des Erwachsenen zu öffnen und die kindliche Unbefangenheit ans Licht kommen zu lassen und zum Ausdruck zu bringen, besteht darin, dass man lernt, seine Aufmerksamkeit dem zu widmen, was man gerade JETZT tut! Sie haben schon alles, was Sie brauchen; also, fangen wir an.
Das „ICH BIN“ zu erfahren ist das Einfachste vom Einfachen, doch vielleicht brauchen Sie einige Versuche, um den Dreh herauszubekommen. Und zwar nicht, weil Sie es nicht können, sondern weil Sie zuerst nach etwas anderem suchen. Machen Sie sich keine Gedanken, diese Erfahrung gehört zu den normalen Erfahrungen des Menschen, jede und jeder ist dazu imstande. Gehen Sie es locker an, halten Sie sich an die einfachen Anweisungen und schon bald werden Sie Ihrem Selbst die Hand schütteln.
Verschiedene bedeutende Lehrer des 20. Jahrhunderts haben diese Technik genutzt, um das Denken anzuhalten. Sie ist eine direkte Herangehensweise, die keines Nachdenkens und keiner Meditation bedarf, und sie geht so:
Erfahrung 1: Die Gedanken anhalten
Setzen Sie sich bequem hin und schließen Sie Ihre Augen. Folgen Sie Ihren Gedanken, wohin sie Sie auch führen. Lenken und bewerten Sie sie nicht. Beobachten Sie einfach, wie sie kommen und gehen. Wenn Sie Ihre Gedanken fünf bis zehn Sekunden lang beobachtet haben, stellen Sie sich folgende Frage: „Woher kommt mein nächster Gedanke?“