K. Ebel

Moderne Berg- und Höhenmedizin


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abgeflacht an den Polen, sorgt für eine stärkere Gravitation am Äquator als an den Polen, so dass der Luftdruck und damit die Luftprobleme, die wir in der Höhe haben, am Äquator geringer sind. Es gibt daher Berge wie den Chimborazo (6310 m), dessen Gipfel weiter vom Erdmittelpunkt entfernt liegt als der des Mount Everest (8850 m). Trotzdem ersteigt er sich erheblich einfacher als so mancher Sechs- oder Achttausender im Himalaya.

      Klettern ist geschicktes Ausnutzen von Hebel und Reibung. Sei es, dass wir zum Sportklettern extrem kleine Schuhe anziehen, um den Hebel am Fuß zu verkürzen, oder wir merken beim Eisklettern die Wirkung des gleichen Hebels an dauermüden Waden.

      2.1.3 Klima

      Auch die klimatischen Einflüsse sind nicht zu unterschätzen. Hierbei ist es egal, ob es sich um hohe Temperaturen beim Sportklettern oder extrem tiefe am Denali handelt. Die Leistungsfähigkeit leidet und die Gesundheit wird bei Nichtbeachtung entweder durch Sonnenbrand, Hitzschlag oder Erfrierungen und Unterkühlung in Mitleidenschaft gezogen.

      Die klimatischen Bedingungen entstehen aus verschiedensten thermodynamischen Zusammenhängen, die an den verschiedenen Breitengraden unterschiedliche Auswirkungen haben.

      Fallbeispiel. Beste Eiskletterbedingungen bestehen in Island von Mitte Oktober bis Mitte Dezember. Ende Dezember kommt ein vom Golfstrom „mitgebrachter“ Orkan auf und die Temperaturen steigen. Sämtliches Eis und fast der ganze Schnee fallen den hohen Temperaturen zum Opfer. Und das am Polarkreis.

      Auch im Hochsommer, wenn in der gesamten Umgebung eine stabile Hochdruckwetterlage vorherrschend ist, kann sich in bestimmten Lagen ein sog. Mikroklima ausbilden. Dies lässt sich im Kleinen, in unkritischen Situationen, jeden Abend bei Talwinden auf der Hütte oder im Lager beobachten, kann aber, bei verschiedenen Unternehmungen, auch ernstere Auswirkungen haben.

      Fallbeispiel. An manchen Bergen gibt es ein Mikroklima. Eines der besten Beispiele hierfür ist der Eiger in den Berner Alpen. Auf der Sonnenterasse der kleinen Scheidegg genießen die Touristen bei Sonnenschein Dramen, die sich gleichzeitig bei Schneetreiben und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt in der Nordwand abspielen.

      Heutzutage, da man weltweit den Wetterbericht im Internet abfragen kann, hat die Vorbereitung auf die zu erwartenden Bedingungen nicht an Bedeutung verloren. Oder mit den Worten von Jerry Moffat ausgedrückt: „Failure needs no preparation“.

      Den Auswirkungen von kaltem und trockenem Klima lässt sich gut mit erhöhter Kalorien- und Flüssigkeitsaufnahme (keine verstärkte Elektrolytaufnahme nötig) und angepasster Kleidung begegnen. Bei heißem Klima ist neben der angepassten Kleidung auch auf den Elektrolythaushalt zu achten. In beiden Klimata macht es Sinn, sich in den ersten Tagen nicht zu viel vorzunehmen, um dem Organismus die Anpassung zu erleichtern.

      2.1.4 Atmosphäre

      Einige Zusammenhänge in der Physik der Atmosphäre sind für uns Bergsteiger essenziell. Hier soll kurz auf die wichtigsten eingegangen werden. Die Atmosphäre erstreckt sich von der Oberfläche unserer Erde bis zu einer sich ständig bewegenden äußeren Grenze. Die beiden Faktoren, die diese Grenze bestimmen, sind einerseits die Gravitation, die die Gasmoleküle und damit die atmosphärische Hülle verdichtet und verkleinert, andererseits die Wärmestrahlung der Sonne, die die Gashülle der Erde aufheizt und damit zu einer Ausdehnung derselben führt.

      Die damit schwankende Dichte (Masse pro Volumen) der Luft ändert also innerhalb bestimmter Grenzen ihren Wert. So wie sich die Dichte ändert, so ändert sich auch der Luftdruck (Kraft pro Fläche) innerhalb gewisser Grenzen auch ohne Standortänderung. Ändert man seinen Standort jedoch von der Erde weg in Richtung Weltall, so fällt der Druck kontinuierlich mit steigendem Abstand zur Erdoberfläche, im weiteren Höhe genannt, ab. Abgesehen von temperaturbedingten Abweichungen zeigt der Abfall einen exponentiellen Charakter (Abb. 2.2).

      Der auf Meereshöhe gemessene Druck ist so groß, dass er in einem U-Rohr (erste Barometer) eine Quecksilbersäule von 760 mm (Torr) zu unterstützen vermag. Dieser Druck, der in der Medizin immer noch so gemessen wird, entspricht den 1013,25 hPa bei Normalbedingungen (Temperatur 273,15 K = 0 °C auf Höhe des mittleren Meeresspiegels).

      Die Umrechnungen können folgenden Gleichungen entnommen werden.

      Abb. 2.2: Vergleich verschiedener Höhen von Zivilisation und Bergen

      ■ 1 atm = 760 Torr = 101325 Pa

      ■ 1 Torr = 133,32 Pa ~ 1 mmHg

      ■ 1 bar = 0,987 atm = 750,6 Torr

      Auf einer Höhe von ca. 5500 m halbiert sich der gemessene Druck, während er aufeiner Höhe von ca. 10 000 m nur noch ca. einem Viertel dem auf Meereshöhe entspricht.

      Strahlung

      Die Atmosphäre übernimmt für uns Menschen eine sehr wichtige Schutzfunktion: Sie hilft uns mit der Strahlung aus dem Weltall. Die langwellige Infrarotstrahlung, auch Wärmestrahlung genannt, wird teilweise absorbiert, so dass die Wärme uns zugute kommt. Sie schützt uns aber auch vor der kurzwelligen Ultraviolettstrahlung. Diese Strahlung ist es, die Sonnenbrand und Schneeblindheit hervorruft. Die Wirkung der Strahlung ist von verschiedenen Faktoren abhängig:

      1 Sonnenstand: 2/3 der täglichen UV-Strahlung konzentrieren sich über 4 Stunden zur Mittagszeit;

      2 Bestrahlungsdauer;

      3 Meereshöhe: Zunahme von 10–20 % pro 1000 hm und Zunahme des UV-Anteils um 5–6 %;

      4 Reflexion: Zunahme auf Schnee bis zu 90 %;

      5 Streuung: Nebel +40 %;

      6 individuelle Empfindlichkeit: Rothaarige sind empfindlicher als z. B. Blonde oder gar Schwarzhaarige.

      2.2 Lunge und Höhe

       W. Domej

      2.2.1 Atemsteuerung, periphere und zentrale Chemorezeptoren

      Zellen und Gewebe des Körpers sind in ihrer Funktion eng an eine kontinuierliche Sauerstoffversorgung gebunden. In Abhängigkeit von ihrer Stoffwechselaktivität können Organe einen akuten Sauerstoffmangel bzw. Perfusionsstopp nur für kurze Zeit tolerieren (Tabelle 2.2). Sensoren auf zellulärer Basis messen laufend den aktuellen Sauerstoffgehalt im arteriellen Blut sowie in der Einatemluft und passen die Atemtätigkeit entsprechend an. Der überwiegende Atemantrieb in der Höhe resultiert aus Änderungen des arteriellen Sauerstoffpartialdruckes (paO2), die von sauerstoffsensitiven Zellen peripherer Chemorezeptoren an der Aufteilungsstelle der beidseitigen Halsschlagader (Glomus caroticum in der Karotisgabel) und im Bereiche des Aortenbogens (Glomus aorticum) registriert werden. Dabei ist das Glomus caroticum beim Menschen wie auch bei Säugetieren der wichtigste Sauerstoffsensor, der neben paO2 und paCO2 auch Glukose und pH-Wert zu messen und in afferente Signale umzusetzen vermag. Die eigentlichen Sensorzellen sind dabei sog. Typ-I-Zellen (Hauptzellen), die in engem Kontakt zu Dendriten des IX. Hirnnerven stehen (Karotissinus-Nerv).

      Wie der Sauerstoff von den Sensorzellen gemessen wird, ist letztlich nicht vollständig geklärt. Möglicherweise fungiert eine bestimmte Hämoxygenase zusammen mit kalziumabhängigen Kaliumkanälen als molekularer Sensor. Ein Abfall des paO2 führt im Glomus caroticum durch Hemmung von Kaliumkanälen innerhalb kürzester Zeit zu einer Depolarisation, in deren Folge es zur Öffnung spannungsabhängiger Kalziumkanäle, Anstieg des intrazellulären Kalziums sowie Freisetzung gespeicherter Neurotransmitter (Dopamin, ATP, Acetylcholin) kommt, die letztlich ein elektrisches Signal im afferenten Karotissinusnerv hervorrufen. Über eine gesteigerte afferente Impulsrate an das bulbäre Atemzentrum wird die Atemtätigkeit geregelt, wobei die resultierende efferente motorische Stimulation zu einer Verstärkung des Atemantriebes mit vertiefter und beschleunigter Atmung führt (Hyperventilation).

      Schädigungen dieser sauerstoffsensitiven Zellverbände oder des nervalen Übertragungsmechanismus, beispielsweise im Rahmen operativer Eingriffe an den Karotiden (Endarteriektomie/bilaterale Resektion des Glomus caroticum), eventuell auch nach Bestrahlung der Halsregion, können die hypoxiegetriggerte Atemregulation (HVR) seitens peripherer Chemorezeptoren