wurde der Status anderer Kommunikationsmodi – auch das allein „innere Wort“ – abgewertet. Nicht die rituelle Kommunikation verbinde Himmel und Erde, Gegenwart und religiöses Ursprungsgeschehen, den einen mit dem anderen Gläubigen, sondern die Predigt, welche die „Verbalpräsenz Gottes“38 garantiert. Nicht aus dem Lesen der Bibel komme der Glaube, sondern aus dem Hören der Predigt, hatten doch auch Jesus wie seine Jünger keinen Schreibauftrag.
Die voll durchmedialisierte Gegenwartsgesellschaft, in der fast alle Menschen „publizistisch“ erfasst werden und sich eine Vermehrung und Vervielfältigung der Kommunikationsmedien in historisch unvergleichlichem Ausmaß abzeichnet, ermöglicht den christlichen Konfessionen wie den anderen Religionen nicht nur Vis-à-vis-Kommunikation in Form von Ritus und Predigt, sondern stellt als diese überschreitende Verbreitungsmedien Schrift und Bild, Buchdruck, Massen- und elektronische Medien gleichzeitig zur Verfügung.
Nur diese „Rückkehr zum oral-verbalen Originalmodus der ‚Glaubenskommunikation‘, wie ihn die Evangelien für die schriftlosen Anfänge der Christenheit so sicher (und schriftlich) bezeugen“39, sichere aus protestantischer Perspektive kommunikativ die Ursprungstreue und damit auch den rechten Verkehr mit Gott und der Gläubigen untereinander. Die Schriftform der Bibel, notwendig zwar, um das Evangelium zu bewahren und vor Fehldeutungen zu schützen, gilt als „toter Buchstabe“, der den Geist tötet und insofern als „ein defizitärer Modus der Kommunikation, ... die immer erst der Überführung in zumindest irgendeines Menschen Gegenwart bedarf, um zum ‚kommunikativen Leben’ zu erwachen“40.
Kommunikationsbedingungen gegenwärtiger Religion
Wir leben in einer Zeit, in der sich – ähnlich wie zu Zeiten der Reformation – die Kommunikationsbedingungen im Allgemeinen und die Kommunikationsbedingungen der Religion im Besonderen nachhaltig verändert haben.
Die voll durchmedialisierte Gegenwartsgesellschaft, in der fast alle Menschen „publizistisch“ erfasst werden und sich eine Vermehrung und Vervielfältigung der Kommunikationsmedien in historisch unvergleichlichem Ausmaß abzeichnet, ermöglicht den christlichen Konfessionen wie den anderen Religionen nicht nur Vis-à-vis-Kommunikation in Form von Ritus und Predigt, sondern stellt als diese überschreitende Verbreitungsmedien Schrift und Bild, Buchdruck, Massen- und elektronische Medien gleichzeitig zur Verfügung.
Im Unterschied zur gestischen, mimischen oder mündlichen Kommunikation entkoppelt bereits die schriftliche Kommunikation „die Einheit der kommunikativen Grundoperation von Information, Mitteilung und Verstehen raum-zeitlich in dem Sinne, dass das Verstehen interaktionsfrei erfolgt und in Bezug auf den Zeitpunkt, den Ort und den Adressaten unterbestimmt bleibt“41.
Dies gilt auch für bestimmte Formen der Kommunikation hinsichtlich der Massenmedien und der elektronischen Medien, etwa für das Anschauen der Tagesschau oder das Lesen einer Webseite. Zugleich „geht die Information in Führung“42, auf die der Rezipient nicht – etwa durch Mitteilung des Verstandenhabens oder von Einspruch – reagieren muss (und im Falle der Massenmedien auch häufig nicht kann). Er kann sogar die Rezeption beenden, ablehnen, ignorieren, d. h. Kommunikation durch schriftliche, massenmediale und elektronische Verbreitungsmedien wird wähl- und abwählbar. Dies gilt erst recht für die religiöse Kommunikation. Auch deshalb ist die Mitteilung seitens des „Senders“ mit dem Risiko behaftet, ohne Verstehen, ja ohne Aufmerksamkeit und Empfänger zu bleiben.
Unter den Logiken der Verbreitungsmedien kann es auch zu Ausweidungen des bildlichen, rituellen und textlichen Fundus der Religion kommen, wie die Werbung vor Augen stellt, wenn sie mit religiösen Begriffen durch ironische, alltägliche Präsentation, mit religiösen Begriffen in kultischer Präsentation oder gar mit Profanem in kultischer Präsentation und schließlich mit Sinnsprüchen, die Lebenswahrheiten als Produktphilosophie ausdrücken, operiert.
Allerdings können, in der sozialen Dimension gesehen, mit einer schriftlichen Kommunikation mehr Personen als unter Bedingungen der Anwesenheit erreicht werden, was bereits die Schrift, potenziert dann durch die Massen- und elektronischen Medien, „zum evolutionär ersten Verbreitungsmedium in dem Sinne werden lässt, dass nunmehr bei mehreren die gleiche Information ... unterstellt werden kann“43. Zugleich ist dieses Mehr durch eine wachsende Anonymität erkauft. In der zeitlichen Dimension erhöht schriftliche Kommunikation die Erinnerungschancen und erzeugt „dadurch, dass durch sie in der jeweiligen Gegenwart durch das Überdauern vergangener Texte verschiedene Gegenwarten mit entsprechenden Vergangenheiten und Zukünften kombiniert werden können“, die Illusion der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen44. Sachlich entstehen durch schriftliche Kommunikation Texte, die „ein objektiveres Verhältnis zum Thema“ entstehen lassen, aber auch seine abstraktere Fassung ermöglichen und „höhere Konsistenzzwänge“ auslösen45.
Dies gilt allerdings für die sogenannten Massen- oder Verbreitungsmedien gerade nicht. Speziell die Massenmedien sind auf eine eigensinnige Selektion von Information und Mitteilungsstil ausgerichtet, die Neues, Quantitatives und Konflikthaftes oder Unterhaltsames präferiert, wodurch „Kontinuität, Qualität und Solidarität unterbelichtet“ bleiben46. Selbst wenn es gewisse Analogien zwischen bestimmten Formen der Massenkommunikation und religiöser Imagination und Kommunikation geben mag, die dann in der Behauptung einer sogenannten Medienreligion gipfeln, „sollte doch beachtet werden, dass die medial erzeugte Transzendenz eine höchst spezifische Verfassung hat“ und sich von dem religiösen Anspruch, nämlich eine außerweltliche Perspektive anzubieten, unterscheidet47.
Unter den Logiken der Verbreitungsmedien kann es auch zu Ausweidungen des bildlichen, rituellen und textlichen Fundus der Religion kommen, wie die Werbung vor Augen stellt, wenn sie mit religiösen Begriffen durch ironische, alltägliche Präsentation, mit religiösen Begriffen in kultischer Präsentation oder gar mit Profanem in kultischer Präsentation und schließlich mit Sinnsprüchen, die Lebenswahrheiten als Produktphilosophie ausdrücken, operiert.48
Zudem erzeugen die Massenmedien – überdeutlich sichtbar am Fernsehformat – Inkonsistenzen, nicht nur Texte und Bilder, sondern unterschiedliche Texte und Bilder: „Fernsehformate gewöhnen an Inkonsistenzen. Sie zeigen Unterschiedliches – und machen doch alles miteinander kommensurabel.“49 So kann das Fernsehen vielleicht Sinn transportieren, neuerdings vielleicht auch „schaffen“, aber dieser kommt kaum über die „Sichtbarmachung der eigenen Person“ hinaus, was freilich für nicht wenige Menschen Sinn macht.50
Religiöser und medialer Eigensinn
Neuere Studien legen somit die These nahe, dass Religion den jeweiligen Eigengesetzlichkeiten ihrer Verbreitungsmedien unterliegen kann51 und damit zum Beispiel auch in außerreligiöse Kontexte gerät, was als solches und auch in seinen Folgen nicht mehr von einer religiösen Gemeinschaft, Institution oder Autorität kontrollierbar ist. Religion wird dann als Unterhaltung produzierbar und rezipierbar52 und massenmedial propagiert, wenn sie kommuniziert, dass auch sie – ähnlich wie Interessenverbände