Andreas Busch

Katholisches Medienhandbuch


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Medienreligion

      Klaus Müller, Direktor des Seminars für Philosophische Grundfragen der Theologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

      Noch komplexer als die anderen Buchreligionen Judentum und Islam ist das Christentum eine Religion der Medien: Die seit Abraham ergehende Selbstmitteilung Gottes, gebrochen im Prisma der alttestamentlichen Gattungen, wird Fleisch – was für ein Medium! Ein Mensch, geboren zwischen Tieren, gestorben an einem Schandpfahl, wird zur lebendigen Metapher des unbegreiflichen Gottes. Dieser Mensch selbst übersetzt (!) sein Wesentliches ins Medium eines heiligen Zeichens (die Eucharistie), seine Gefolgeleute und noch Spätere falten diese Medialisierung weiter aus (in den Sakramenten und Sakramentalien). Zugleich kommt es zu einer neuerlichen Übersetzung des fleischgewordenen Wortes ins Gesprochene und Geschriebene – das Neue Testament. Und dieses wiederum zielt zusammen mit den materiellen Zeichen(handlungen) auf nichts anderes, als dass Hörende und Feiernde das Gehörte und Gefeierte rezipieren und ins Medium erstpersönlichen Lebens übersetzen. Das Christentum – eine einzige Medienkette.

      Natürlich haben die christlichen Verkünder seit je auch die medialen Kanäle menschlicher Kommunikation genutzt: Von den Briefen des Apostels Paulus (den ältesten Medienspuren des Christentums) über die unendlich reiche Bilderwelt der Mosaiken, Fresken, Plastiken bis hin zu Druckerzeugnissen, Radio Vaticana, den Zeitungen und Magazinen und heute natürlich den zahllosen Netzauftritten von Gemeinden, Bistümern, Verbänden bis hin zu den offiziellen Sites des Vatikan.

      Das alles ist eigentlich gar nicht groß der Rede wert. Ein anderes dafür umso mehr: die Tatsache nämlich, dass das Phänomen der Neuen Medien als solches oft eine ganz eigenartige religiöse Aura mit sich führt. Zwischen beiden Seiten kann es zu brisanten Interferenzen kommen, auch zu Spannungen bis hin zur Unverträglichkeit: dass sozusagen die Eigenbotschaft, die das Medium ja immer auch schon allein kraft seiner eigenen Struktur und seines Rhythmus sendet, den transportierten Inhalt regelrecht dementiert.

      Technische Errungenschaften waren seit je und sind bis heute von religiöser Mystifikation begleitet – und am meisten dort, wo technische Rationalität sich mit dem Anspruch verbindet, Mythisches oder Religiöses überwunden zu haben.

      Dieser Titel – mittellateinischer Provenienz – ist seit Anbeginn selbst theologisch und liturgisch hoch aufgeladen: Es gibt Zeugnisse, nach denen in der Epoche der Gegenreformation im Streit um die Verehrung von Gnadenbildern die Präsenz Christi im eucharistischen Brot als „realiter“, die Gegenwart etwa der Gottesmutter in einem Gnadenbild als „in virtute“ bezeichnet wurde. Heute bezeichnet er dabei so etwas wie eine „quasi göttliche Macht, die Welt zu konstruieren“, die sich aus der dezidiert angestrebten Entdifferenzierung von Schein und Sein, Wirklichkeit und Fiktion speist.