Mark Blake

Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin


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neu entstehende Welt der Popmusik nicht besonders stark von der sterbenden Welt des Varietés. Alle jagten nach wie vor dem Geld, dem Sex und der Aufmerksamkeit hinterher – und alle versuchten, der Eintönigkeit der Fahrten zwischen den einzelnen Gigs entgegenzuwirken. „Es war die gleiche Art Irrsinn, derselbe Blödsinn eben“, plauderte Grant aus dem Nähkästchen. Grant hatte einmal zugesehen, als ein gelangweilter Tubby Hayes, ein umjubelter Jazz-Saxofonist, seine Fürze in einer Garderobe in Brand steckte.

      Später, als Amerikas neuester Pop-Teenieschwarm Brian Hyland durch Großbritannien tourte, musste Grant ihn aus dem Odeon in Guildford schmuggeln, nachdem sich ein paar Mädchen gewaltsam Zutritt zu seiner Garderobe verschafft und ihn dabei mit Glasscherben übersät hatten.

      Mit jeder Woche, die verging, wurde Grant Zeuge von schwindligen Aktionen oder Betrügereien. Bei einer seiner letzten Ausfahrten chauffierte er 1962 B. Bumble and the Stingers auf einer einmonatigen Tour durch die Provinz. Die amerikanische Gruppe hatte gerade mit einer aufgepimpten Version von Tschaikowskis „Marsch der Zinnsoldaten“ mit dem Titel „Nut Rocker“ einen Hit gefeiert. Als Grant sie vom Flughafen abholen sollte, fand er eine Gruppe unglamouröser Session-Musiker vor und keine Popstars. „Nut Rocker“ war offenbar das Werk eines Produzenten und einiger angeheuerter Helfer. Als die Platte zum Hit avancierte, stellte das Label eine Mogelpackung zusammen, die die Nummer als Band promoten sollte. Vier Jahre später lieferte Grant selbst eine ähnliche Aktion mit der New Vaudeville Band und ihrem Hit „Winchester Cathedral“.

      B. Bumble and the Stingers mochten zwar nicht ganz authentisch gewesen sein, doch von Gene Vincent konnte man das nicht behaupten. Und weder Tubby Hayes’ Flatulenzen noch Brian Hylands wilde weibliche Fanbase konnten Grant auf das Leben mit Vincent einstimmen.

      1955 hatte sich der als Eugene Vincent Craddock in Norfolk, Virginia, geborene Sänger gerade freiwillig zur Navy gemeldet. Dann passierte jener Motorradunfall, der seinem linken Bein einen dauerhaften Schaden zufügte und seine Militärlaufbahn jäh beendete. Ein Jahr später hatte Craddock seinen Namen in Gene Vincent geändert und einen Plattenvertrag in der Tasche. Die erste Single von Gene Vincent and His Blue Caps, „Be-Bop-A-Lula“, mitsamt ihrem stotternden, gedehnten Gesang war eine ihrer großartigen Rock’n’Roll-Nummern und verkaufte sich innerhalb eines Jahres ganze zwei Millionen Mal.

      Es sollten noch weitere Hits folgen. Vincents Auftritt in der britischen Musikshow Boy Meets Girl sowie seine darauffolgende Tour im Dezember 1959 verhalfen ihm zu einem Karrierehoch in Großbritannien, als er sich in seiner Heimat Amerika gerade im Sinkflug befand. Der üblicherweise in Schwarz gekleidete und über seinen Mikroständer gebeugte Vincent war der Prototyp für jeden mürrischen, in Leder gehüllten Rockstar, der nach ihm kommen sollte. Doch sein Verhalten abseits der Bühne war in der Regel noch düsterer.

      Gene hatte sich den Empfehlungen seiner Ärzte widersetzt, sein arg ramponiertes Bein amputieren zu lassen und litt nun unter chronischen Schmerzen. Auch hatte er sich mit Osteomyelitis angesteckt, einer infektiösen Knochenmarkentzündung, was zur Folge hatte, dass das Bein verfaulte. Er kombinierte daraufhin Schmerzmittel mit Alkohol. Eine riskante Mischung. Nur wenige, die ihn im Tooting Granada sahen, wussten, dass er den Mikroständer benötigte, um sich abzustützen. Wenn das Adrenalin und die Pillen nicht länger wirkten, benutzte er Krücken zum Gehen.

      1963 hatte Vincent seinen Lebensmittelpunkt bereits nach Großbritannien verlegt und wurde von Don Arden gemanagt. Er war regelmäßig zu Gast in der Angell Road und brachte Sharon Osbourne später sogar das Schwimmen bei. „Sein seltsames, deformiertes Bein trieb im Wasser“, erinnert sie sich. In England befand sich der Sänger außerhalb der Reichweite seiner beiden Exfrauen und des amerikanischen Finanzamts. Dort lernte er auch seine nächste Ehefrau kennen, eine englische Tänzerin und früheres Showgirl im Murrayʼs namens Margie Russell. Binnen kurzer Zeit waren Arden und Peter Grant für jeden beruflichen und privaten Aspekt im Leben des Sängers verantwortlich.

      Als Peter das Ruder übernahm, gab ihm Don eine simple Anweisung mit auf den Weg: „Pass auf, dass der Scheißer in einem Stück zu den Konzerten kommt und sich vom Whisky fernhält.“ Grant war bereits zuvor Zeuge von Vincents explosivem Verhalten geworden. Im Mai 1962 war Gene zusammen mit dem karibischen Sänger Emile Ford getourt und hatte seine Garderobentüre mit Ku-Klux-Klan-Symbolen versehen.

      Die meisten Tage begannen mit einer kleinen Stärkung in Form eines Shots Scotch oder Wodka. Das ging dann so weiter, bis ihm der Schnaps ausging oder Grant ihn konfiszierte. Sobald er aus seiner Wohnung oder seinem Hotelzimmer gescheucht worden war, ließ er sich ungelenk auf dem Beifahrersitz neben Peter nieder. Irgendwo am Körper hatte er immer ein alkoholisches Getränk bei sich. Wenn ihm Peter nicht schnell genug fuhr, dann half er nach, indem er mit einer Krücke das Gaspedal durchtrat.

      „Eines Tages, so sagte mir Peter, hatte er sämtlichen Alkohol entsorgt, aber Gene ließ sich immer noch volllaufen“, erinnert sich Barrie Keefe. „Peter hatte keine Ahnung, woher der Alk kam. Dann schnappte er sich Genes Krücken und ihm fiel auf, dass die eine leicht und die andere schwer war. Die schwerere Krücke war gefüllt mit Mini-Flaschen Martini.“

      Der Musikjournalist Keith Altham wurde Zeuge einer weiteren großartigen Peter-Grant-Anekdote, als er zwei von Vincents Konzerten in einem Saal in Aylesbury verfolgte. Während Grant nach der ersten Show die Gage kassierte, kam es im Bus zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Gene und Margie. „Gene zog seine Frau an den Haaren und schlug ihren Kopf gegen das Fenster“, berichtet Altham. „Peter sprang in den Bus und trennte die beiden. Er war fuchsteufelswild und schrie: ‚Ich versuche hier die verdammte Kohle einzutreiben.‘“ Als er wieder ausgestiegen war, ging der eheliche Disput in die nächste Runde. „Nur dieses Mal donnerte seine Ehefrau Genes Schädel gegen die Scheibe.“ Grant ging erneut dazwischen.

      In der Stunde bis zum nächsten Auftritt konsumierte Vincent den Großteil einer Flasche Wodka, kippte um und verkeilte sein gutes Bein zwischen seinem Sitz und einer senkrechten Stange. Grant musste eingreifen und die Stange verbiegen, um das angeschwollene Bein zu befreien.

      Da Arden sich Genes Benehmens bewusst war, inkludierte er eine Klausel in dessen Vertrag, dass er nur auf der Bühne erscheinen müsse, um bezahlt zu werden. Grant stellte den Star auf seine Beine und obwohl dieser nun gleich zwei schadhafte Beine hatte, manövrierte er ihn rechtzeitig, als der Vorhang sich hob, auf die Bühne. Grant hatte eine kuriose Methode gefunden, um ihn aufrecht zu halten. „Er stopfte den Mikroständer hinten durch Genes Jacke“, erzählt Keeffe. „Das reichte gerade so aus, um ihn zu stabilisieren.“ Offenbar krächzte Vincent nur ein paar Zeilen der ersten Nummer, bevor er das Bewusstsein verlor. Grant sammelte ihn ein, trug ihn von der Bühne „wie ein Schwein am Spieß“ und holte dann die Gage ab.

      Während einer von Vincents frühen Tourneen durch Großbritannien kursierte das Gerücht, dass in Schottland statt ihm ein Imitator auftreten würde. Aufgebrachte Teddyboys stürmten die Garderobe der Hawick Drill Hall, wo ihnen der echte Gene Vincent mit einer geladenen Schusswaffe entgegentrat. Gene war auf makabre Weise von Waffen fasziniert. So trug er oft einen Revolver, ein Messer und später auch mal eine Peitsche bei sich, die er ohne Rücksicht auf alle, die sich in seiner Schlagdistanz aufhielten, knallen ließ. An seinem ersten Weihnachten in London präsentierte er sich besonders schießwütig. So wie Don Arden die Geschichte erzählte, rief ihn Genes neue Frau Margie in Panik an und behauptete, dass ihr Mann sie mit einer Knarre bedrohe. Gene war gerade von einer Tour heimgekehrt und beschuldigte sie der Untreue.

      Arden und Grant eilten zur Wohnung des Paares. Gene war inzwischen zur Erkenntnis gekommen, dass seine Frau eine Affäre mit dem Nachbarn hätte, und war losgezogen, um diesen damit zu konfrontieren. „Gene schob den Lauf der Waffe durch den Briefschlitz und feuerte munter drauflos“, berichtete Arden. „Er gab drei oder vier Schüsse ab, bis Peter ihn zu Boden gerungen hatte.“

      Angeblich verschaffte sich Grant gewaltsam Zutritt zur Wohnung, um nachzusehen, ob Vincent jemanden getroffen hatte. Zum Glück war der Mieter über Weihnachten verreist. Als er zurückkehrte, kam Arden für den Schaden auf.

      Offenbar musste Peter Gene Vincent noch öfter entwaffnen. Im Büro von Swan Song Records wurde erzählt, dass Grant Vincent eine Startpistole abnahm, nachdem dieser in einem Hotel in Brighton damit auf Leute geschossen