mit einem Jungen namens Mick Colman gegründet hatte, nachdem Rutherford den Probeplan von The Anon für zu drastisch befunden hatte. Allerdings waren The Anon die Anführer der Szene und Rutherford sollte sich ihnen schon bald wieder anschließen. Die Bands rivalisierten untereinander. „Wenn Rivers Jobe und ich im Sommer 1966 Charterhouse nicht wieder verlassen hätten, wäre es fraglich, ob es Genesis je gegeben hätte“, meint Macphail. Obwohl Jobe über seinen Abschied bereits Bescheid wusste, wusste Macphail noch nicht, dass er im nächsten Jahr nicht mehr die Schule besuchen würde. Es war seine Idee, The Anon gemeinsam mit der noch namenlosen Soul-Combo, die Gabriel anführte, auftreten zu lassen. Im Prinzip gab es diese Band auch nur für diesen einen Auftritt. „Das Konzert konnte man als Symbol für den gesellschaftlichen Wandel ansehen. Und es fühlte sich an, als würden wir an seiner Spitze stehen“, lacht Rutherford. „Wir spielten zwei Sets mit Pause. Sie spielten und dann spielten wir. Es war herrlich amateurhaft.“ Jobe und Phillips spielten Bass und Gitarre bei Gabriels Gruppe, die in der Eile auf den Namen The Garden Wall getauft worden war. „Ich hatte keine Ahnung, dass wir so hießen“, lacht Banks. „Erst später sagte mir das jemand. Das Piano war zu schwer, um es auf die Bühne zu wuchten, daher spielte ich einfach davor. Niemand nahm von mir Notiz, bis ich die Einleitung zu ‚When A Man Loves A Woman‘ anstimmte. Plötzlich sahen mich alle an. Wir spielten eine sehr soulige Version davon und auch von ‚I Am A Rock‘. Auch von ein paar anderen Stücken und einer improvisierten Blues-Nummer. Es war witzig, dass ich unserem Drummer, Chris Stewart, nicht signalisieren konnte, dass er zum Ende kommen sollte. Wir hatten schon keine neuen Ideen mehr auf Lager. Das ging fünf Minuten so dahin, bis ich schließlich seine Aufmerksamkeit auf mich ziehen konnte. Es war alles sehr lustig und ich habe keine Ahnung, ob es gut war.“
Obwohl Macphail mit seinem eigenen Auftritt beschäftigt war, erinnert er sich noch an Gabriels Performance: „Peter trug einen lustigen, hohen Hut, den er selbst entworfen und gebastelt hatte. Er war nicht besonders wild, dafür aber umso schrulliger.“
Der Musiklehrer, der die Veranstaltung genehmigt hatte, hieß Geoffrey Ford und war damals bereits in seinem zehnten Jahr als Director of Music an der Schule. Obwohl er fortschrittlich genug eingestellt war, das Konzert stattfinden zu lassen, verbat er den Gruppen, Ansagen zu machen, was eine Riesenenttäuschung für Gabriel, Banks, Rutherford, Phillips und Macphail darstellte. Letzterer war mittlerweile 16 und bereits auf Konzerten im sagenumwobenen Londoner Marquee Club gewesen, wo er gesehen hatte, dass die richtigen Ansagen zum Ritual einer gelungenen Performance dazugehörten. Da das Konzert aber vor 600 Leuten, also der ganzen Schule, stattfand, befürchtete Ford, dass die Gruppen einen Aufstand entfesseln könnten. Gabriel zeigte jedenfalls bestes Benehmen und The Garden Wall beendeten ohne Zwischenfälle ihr Set, was man von The Anon leider nicht behaupten konnte.
„Ich hielt mich an die Regeln, bis wir schließlich Probleme mit dem Equipment hatten“, erzählt Macphail. „Ich kündigte unseren Song ‚Pennsylvania Flickhouse‘ an, da ich so stolz war, dass wir dank Ant unsere eigenen Nummern hatten. Dann zog Geoffrey Ford den Stecker – und wir kamen nicht mehr dazu, unseren letzten Song zu spielen. Dieses Konzert war mein absoluter Höhepunkt. Ich schäumte geradezu über vor lauter Selbstvertrauen.“
Der launenhafte Rivers Jobe verließ Charterhouse und spielte gegen Ende der Sechziger schließlich Bass bei Savoy Brown. Knapp zehn Jahre später nahm er sich das Leben. Macphail kehrte im Herbst nicht mehr an die Charterhouse zurück und ging stattdessen an die Millfielt School in Street, Somerset. The Anon machten ohne ihn weiter. Inspiriert von Cream, wurden sie zu einem Power-Trio mit Rob Tyrell an den Drums, Rutherford am Bass und Phillips an der Gitarre. Macphail blieb in Kontakt mit seinem Freund Phillips und hielt die Ohren für neue Entwicklungen offen. Macphails Abschied ebnete den Weg für den Zusammenschluss der beiden Gruppen, aus denen schließlich Genesis entstehen sollte. Aber wahrscheinlich bringt es Ant Phillip mit seiner Aussage von 2006 am besten auf den Punkt: „Es ist eine komplett falsche Vorstellung, dass Genesis als Gruppe an der Charterhouse existierten. Die Band existierte nur als vier einzelne Songwriter.“
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Am 18. September 1966 fuhr Gabriel nach London, um Otis Reddings Auftritt im Ram Jam Club in Brixton zu sehen. Obwohl sich Charterhouse nur knapp 50 Kilometer nördlich von London befand, war es für Gabriel, als würde er einen fremden Planeten bereisen. Wahrscheinlich war es das wichtigste Ereignis in seinem Leben. Der Nachhall dieser Erfahrung zog sich wie ein roter Faden durch die Interviews, die er im Verlauf seiner Karriere geben würde. NPR erzählte er am 17. Oktober 2012: „Otis Reading war der King für mich, ich liebte Stax und den klassischen R&B-Soul … Ich schaffte es, Otis in diesem Keller zu sehen und da waren vielleicht höchstens drei weiße Gesichter im Publikum. Bis heute ist es mein Lieblingskonzert.“ Das Album Otis Blue von 1965 hatte er so oft gehört, dass man die Platte kaum mehr abspielen konnte, aber nichts hätte ihn darauf vorbereiten können, den legendären Performer live zu sehen. Obwohl Redding, der Sohn eines Priesters aus Georgia, erst 26 Jahre alt war, wusste er bereits alles, was er wissen musste, über die Bühne, den Soul und über perfektes Timing. Einem breiteren Publikum sollte er ins Bewusstsein rücken, als er ein Jahr später beim Monterey Pop Festival auftrat.
Reddings Performance hatte eine umfassende Wirkung auf Gabriel: „In seiner Gegenwart fühlte es sich an, als würde sich dein Herz öffnen. Ich empfinde das immer noch so. Sagen wir, jemand wie Springsteen, der eine unglaubliche Kraft als Performer hat – wenn du ihn nimmst und vervielfachst, dann kommt man vielleicht in die Nähe von Otis. Er nahm sich manchmal zurück und war dann sehr still, aber wenn es losging, war er wie eine Fabrik, die Energie, Liebe und Leidenschaft erzeugte.“ Gabriel begann Reddings Performance-Skills in seinen eigenen Act einfließen zu lassen, was auch dazu führte, dass er und Banks mehr Material zusammen schrieben.
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Man kann es Ant Phillips gutschreiben, das zusammengeführt zu haben, woraus später Genesis entstanden ist. Er und Rutherford arbeiteten an ein paar Demos für The Anon im Studio des gemeinsamen Freundes Brian Roberts und brauchten einen Keyboarder. Phillips erkundigte sich bei Banks, ob er ihm womöglich aushelfen könnte, dieser schlug wiederum vor, dass auch Gabriel vorbeischauen sollte, um zu singen. Zu dieser Zeit nahmen The Anon „Pennsylvania Flickhouse“ auf – das Demo, das 2011 wieder auftauchen sollte. Die erste gemeinsame Studioaufnahme von Phillips und Rutherford bot einen verheißungsvollen, wenn auf etwas generischen, vom Beat getriebenen Sound. Banks dachte, dass diese Session auch die perfekte Gelegenheit bieten würde, den letzten Song, an dem er mit Gabriel gearbeitet hatte, „She Is Beautiful“, aufzunehmen. „Ich hatte eine Akkordfolge und ein Bass-Riff für ‚She Is Beautiful‘“, erinnert er sich, „und dann sang Peter drüber und dachte sich eine Melodie und einen Text aus. Später schrieb auch ich Texte und dachte mir Melodien aus und Peter kümmerte sich um die Akkorde. Wir schrieben damals ziemlich viel gemeinsam.“ Wie Phillips später sagen sollte: „Mike und ich teilten uns den R&B, die raue Seite, und Tony hatte den klassischen Einfluss. Was Peter beisteuerte, was der Rest von uns nicht so intus hatte, war der Soul, diese leicht soulige Stimme.“
Gabriel erzählte Paul Morley vom NME im Juli 1980: „Ich dachte, ich könnte den Mittelschicht-Engländer mit Soul in seine Schranken weisen … Ich wollte stundenlang am Piano sitzen und schreien. Was auch immer. Nur um Emotionen rauszulassen. Das war es, was mich ursprünglich zur Rockmusik gezogen hat. Vielleicht spielte auch die unverfälschte Rasanz eine Rolle.“
Das Gefühl, auf der Bühne zu stehen, die Musik und die Mode öffneten Gabriels Verstand. „Das ist etwas, das viele englische Musiker gemeinsam haben. Sie alle haben umfassendes Wissen, was Musik angeht, viel mehr als in Amerika“, sagt der Fan und zukünftige Kollaborator Nile Rodgers. „In Amerika ist alles viel zielgerichteter, aber da drüben wollen sie einem neben dem Entertainment immer noch was beibringen. Es soll einen zum Denken bewegen und eine Reaktion hervorrufen. Fast alle Acts aus Übersee, mit denen ich zusammengearbeitet habe, haben diese Vorliebe – und nicht nur, weil sie vielleicht gebildeter wären. Ich denke, es hat etwas mit ihrer Kultur zu tun. Ich finde, es gibt da ein Muster. Ich könnte mit Johnny aus Manchester, Duran aus Birmingham oder Sting aus Newcastle abhängen. Viele dieser Jungs haben einen Arbeiterklasse-Background, aber sie sind komplexe Individuen. Sie tun alles, wenn sie noch jung sind. Sie warten nicht, bis sie 30 oder 40 sind, sondern gehen es zwischen 15 oder 17 an.“
Obwohl