Thomas L. Viernau

Todesluft


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die beiden ja verfolgt. Retteten sich auf den Felsen, dann ging es nicht mehr weiter. Der Verfolger nahte und …

      Hainkel sah in Gedanken die beiden mit einer geheimnisvollen Figur in Schwarz ringen, das Medaillon wurde der Frau vom Hals gerissen, bevor sie in die Tiefe stürzte. So könnte es gewesen sein. Unbedingt musste er herausbekommen, wer die beiden Toten waren.

      Er sah schon die Titelseite der »Rennsteig-Nachrichten« vor sich: »Drama am Hermannsberg – Zwei Tote im Farngestrüpp entdeckt«.

      Ob er mit dem einen der Kriminalisten mal sprechen könnte? Er war immerhin der Entdecker … und überhaupt, im normalen Leben war er Lokalreporter, also, dass würde ihn schon brennend interessieren.

      Später, später. Erst müsse man die Toten bergen und sicher sein, nicht etwas übersehen zu haben.

      Hainkel nickte. Er wusste, dass die Polizei sich bei solchen Fällen stets bedeckt hielt. Man wollte vermeiden, dass zu viel Details an die Öffentlichkeit gerieten.

      Heimlich knipste Hainkel mit dem Handy alles, was wichtig war. Die Aufnahmen waren zwar mit dem Handy nicht ganz von bester Qualität, aber mit dem Computer könnte er sie ja noch etwas nachbearbeiten.

      Die Techniker bedeuteten ihm, sich aus dem Bereich des abgesteckten Fundorts fern zu halten. Klar, er kannte die Spielregeln.

      Dann setzte sich der gesamte Zug in Bewegung. Die Toten waren in Transporthüllen gebettet worden. Vorsichtig arbeiteten sich die Leute von der Technik durch das Unterholz. Endlich kreuzte der Weg den kleinen Pfad. Einer der Fahrer hatte es geschafft, ein Auto auf der halsbrecherischen Strecke heranzuholen. Mit Tempo zwanzig rumpelte der Transporter bergab.

      Hainkel marschierte mit den Beamten wieder zurück zum Knüllfeld. Man schwieg. Jeder hing seinen Gedanken nach.

      Handelte es sich um einen tragischen Unfall? Oder gab es da etwas, was vielleicht ein Selbstverschulden ausschloss?

      Der Abend war angebrochen, langsam dämmerte es bereits. Im Schankraum hatten es sich die Beamten eingerichtet. Die Wirtsleute kochten Kaffee und boten auch einen kleinen Imbiss an, wie gesagt, heute war ja eigentlich Ruhetag.

      Hainkel verspeiste mit gutem Appetit ein paar Knacker mit Kartoffelsalat. Der Kripobeamte neben ihm hatte sich ein paar Wiener Würstchen kommen lassen.

      »Nun sagen sie mir doch mal, was haben Sie denn an einem normalen Wochentag am Hermannsberg zu suchen?«

      Hainkel erklärte ihm umständlich, dass er trainiere und der Hermannsberg eine ideale Laufstrecke sei.

      Der Beamte schien ihm das zu glauben.

      »Und wie sind Sie auf die Leiche gestoßen? Die liegt ja abseits der Laufstrecke in einem nur schwer zugänglichen Bereich.«

      Jetzt musste Hainkel sein gefundenes Medaillon hervorholen.

      Der Beamte grunzte leise vor sich hin.

      Er hörte sich Hainkels Bericht vom Fund des Medaillons an und dessen Intention, unterhalb des Felsens zu schauen, ob da noch mehr sei. Ob er die Personen kenne?

      Nein, noch nie gesehen, ganz sicher. So wie die aussahen, würden sie hier doch auffallen. Städter wahrscheinlich.

      Der Beamte nickte, holte zwei Pässe hervor, die bei den Toten sichergestellt worden waren. Es waren rote EU-Pässe, vorn war ein aufwändiges Wappen mit einem stehenden Löwen und einer Königskrone darüber in Gold eingeprägt, darunter stand in Druckbuchstaben Royaume de Belgique – Koninkrijk Belgie.

      Es waren Belgier. Ein Monsieur Jean-Luc Blaireau und eine Madame Segolène Renard. Beide wohnhaft in Vilvoorde bei Brüssel. Was die beiden am Berg zu suchen hatten, war im Moment nicht zu ermitteln. Auf alle Fälle waren die beiden schon mehr als achtundvierzig Stunden tot, also vor über zwei Tagen musste sich das tragische Unglück ereignet haben. Man müsse nun erst einmal ermitteln, ob es womöglich Zeugen gab, die am Sonntag am Berg unterwegs gewesen waren.

      Das wäre im Moment alles, was zu sagen sei. Hainkel erkundigte sich, ob es eine Nachrichtensperre bezüglich des Vorfalls gebe. Nein, das Ganze sei wohl doch ein tragischer Unfall.

      Der Beamte schien mit dieser Erklärung ganz zufrieden zu sein. Unfälle, zumal hier in den Bergen, ereigneten sich immer mal. Da könne man auch nichts daran ändern, schließlich wären die Wanderwege ja vorbildlich ausgeschildert und wer sich in Gefahr begebe, indem er auf ungesicherten Felsen herumklettere, nun, dem könne eben auch schon mal etwas zustoßen.

      Hainkel nickte. Ja, das wäre möglich. Tief in seinem Inneren regte sich gegen diese harmlose Sicht auf den Vorfall Widerstand. Da war vor allem das abgerissene Medaillon. Es musste ein Kampf auf dem Felsen stattgefunden haben. Ein Kampf mit tödlichem Ausgang. Er würde selber recherchieren.

      Ihm fiel der Riese aus dem Café in Bad Liebenstein ein. Der war doch auch ein Kriminaler. Zwar außer Dienst, aber auf ihn machte er durchaus den Eindruck, dass es sich bei ihm um einen wirklichen Spürhund handeln könnte.

       Bas me üwer onser all Staadt Schmakalle moss wess

      

       Mi Schmakalle es e ganz all Staadt, de schonn ville honnerte Joahr of`n Buckel hatt. Behärbärgt hatt se ville berühmte Lüt, se senn net vergässe woar`n bes hüt. Der Martin Luther, der de Bibel üwersatzt hat, gehört dazo, awer au si Freund, der Philipp Melanchton war e bekaanter Moa. Ör Önnerkunft hatten se gefonne in dän Lutherhuus of`n Lutherplatz un in der jetzig Roseapothäke in der Steigass … Ofn Schlooß honn ville Forschte, Grafe un Prinze gelaat, es hat awe villen gefalle in onsere hüsche Staadt. ...

      

       Hans Schwarz (Mundartdichter): Schmalkalder Geschichtsblätter 3/1996

      III

      Schmalkalden

      Mittwochnachmittag, 9. Mai 2007

      Linthdorf war erstaunt. Der Indianerkrieger hatte sich bei ihm gemeldet. Ob er ein bisschen Zeit für ihn erübrigen könnte, es wäre da etwas zu besprechen.

      Der Mittwochnachmittag wäre ideal, da wäre Gewerkschaftsversammlung des Kurpersonals. Ja prima, Hainkel käme vorbei und würde ihn abholen kommen. Nach Schmalkalden, da wäre auch seine Redaktion.

      Am Mittwoch pünktlich um dreizehn Uhr stand Hainkels kleiner Hyundai vor dem Eingang zum Sanatorium. Linthdorf wartete bereits. Mühsam zwängte er sich in das kleine Automobil, Hainkel musste grinsen.

      Schmalkalden lag nur ein paar Kilometer östlich von Bad Liebenstein. Die Fahrt ging durch eine zauberhafte Landschaft mit blühenden Rapsfeldern und einem Flusstal. Das sei die Werra, einer von Thüringens größten Flüssen.

      Linthdorf sah interessiert auf das kleine Rinnsal. Erzählte dann Hainkel von der Havel, der Spree, der Oder und der Elbe. Was das doch für gewaltige Flüsse seien.

      Die Straßen in Thüringen waren auf alle Fälle besser in Schuss als die Brandenburger Straßen. Auf der dreispurig ausgebauten Fernverkehrsstraße flitzte der Hyundai Hainkels dahin wie von Geisterhand getragen. Nach knapp einer Viertelstunde war das Ortseingangsschild von Schmalkalden zu sehen, gleich dahinter ein großes Werbeplakat aufgestellt.

      Das elfhundertjährige Schmalkalden grüßt seine Gäste!

      Darunter noch ein Schild: Deutsche Fachwerkstraße.

      Und noch ein Schild: Hochschulstadt Schmalkalden.

      Linthdorf war beeindruckt.

      Vor 1100 Jahren gab es in Brandenburg nur ein paar herumziehende slawische Fischer und Bauern. An Städte war zu jener Zeit überhaupt nicht zu denken. Die ältesten Siedlungen auf Brandenburger Gebiet waren maximal 850 Jahre alt. Thüringen war ein altes Land und sichtlich stolz darauf.

      Schon konnte Linthdorf die ersten Fachwerkhäuser sehen. Es war wirklich so, wie