Anett Theisen

Charlys Sommer


Скачать книгу

dem Tisch lag das Hochzeitsmagazin, das er bei Maja mitgenommen und nicht übers Herz gebracht hatte, in den Papiercontainer zu entsorgen. Eine ihm völlig unbekannte Sentimentalität. Er nahm den Notizzettel vom Cover.

      „Seit wann liest du Hochzeitsmagazine? Habe ich was verpasst?“, neckte Christian.

      „Hab ich von Maja“, lenkte er von sich ab und drehte den Zettel in den Händen.

      „Was hast du da?“ Christian nickte in Richtung seiner Hände.

      „Ach. Eine Auflistung.“ Wegwerfend zuckte er mit den Schultern. Aber sein Freund kannte ihn zu gut.

      „Wovon?“, insistierte Christian.

      „Fahrzeugkennzeichen.“

      Christian setzte sich nun doch.

      „Wenn du meinst, dass das was erklärt, muss ich dir sagen: Nein, das tut es nicht“, erklärte er langsam und bedächtig.

      Gereon seufzte. „Ich hab dir doch von der Monster erzählt. Und dem Bus.“

      Christian nickte geduldig.

      „Irgendwie verfolgt mich diese Buchstabenkombination. Inzwischen sind es schon vier, vielleicht fünf Kennzeichen. Kannst du dir vorstellen, dass eine junge Frau drei Motorräder und einen Transporter besitzt?“ Er hielt seinem Freund den Zettel hin. ‚Und was ist mit dem Pick-up in Berlin oder war das nur Zufall?’, überlegte er. „Ich habe schon versucht, übers Internet was rauszufinden, aber nix Plausibles gefunden. Nur eine Firma in Chemnitz mit den passenden Initialen, gehört aber einem Mann. – Kennst du was davon?“

      Christian warf einen Blick darauf. „Wie war’s in Görlitz?“, fragte er, den Blick aufs Papier gerichtet.

      Gereon grinste. „Spannend.“

      ***

      Christian studierte die Einträge:

      CAT 69 Ducati Monster, rot (900?)

      CAT 2014 VW T5, braun

      C(AT?) 14 gelb (BMW 800 GS?)

      CAT 2 GS 500 E, schwarz

      Er sah von dem Zettel auf, musterte seinen Freund und lehnte sich erwartungsvoll zurück. „Erzähl!“

      Gereon fasste die Ereignisse vom Wochenende zusammen.

      Christian überlegte. ‚Gereons Beschreibung nach ist es eindeutig Charly. Ganz offensichtlich hat sie ihm aber nicht viel von sich verraten. Warum? Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass alle Fahrzeuge der Liste ihr gehören. Der Bus ist ganz eindeutig, die gelbe kann nur ihre BMW sein, obwohl ich da nicht aufs Kennzeichen geachtet habe. Die Suzuki passt dazu. War die ganz links im Carport eine Monster?’

      ‚Möglich’, entschied er. ‚Auch der bunte Bulli und der Cadillac haben Kennzeichen, die mit CAT beginnen. Darf ich ihr vorgreifen und Gereon ihre Identität enthüllen? Spielt sie nur mit ihm?’

      ‚Spielt sie mit mir?’, fragte er sich. Er überdachte die Gespräche mit ihr, die Nacht, in der nichts passiert war auf ihrem Big Sofa. Unbewusst begann er zu lächeln.

      „Woran denkst du?“, unterbrach Gereon seine Gedanken.

      „Eine Nacht mit einer aufregenden Frau“, antwortete er wahrheitsgemäß.

      „Oha! Es sieht wohl eher danach aus, als hätte ich etwas verpasst?!“

      „Es ist nichts passiert“, sagte Christian. ‚Auch wenn du mir das nicht glauben wirst.’

      ***

      Gereon maß Christian mit ungläubigem Blick. Christian war ein paar Zentimeter größer als er selbst, sah gut aus und war muskulös und trainiert. Ihnen beiden war es nie schwergefallen, Mädchen kennenzulernen. Sie hatten jede Chance weidlich genutzt. „Das soll ich dir glauben?“

      Christian hob die Schultern. „Wie du meinst, es ändert nichts an der Tatsache.“

      Von der Straße her erklang das sonore Brummen eines Motorrads. Unterm Tisch hob Napoleon lauschend den Kopf, sprang dann jappend auf, so dass der Tisch bedenklich kippelte und beide Männer reflexartig zufassten. Nahezu im gleichen Moment setzte Napoleon auch schon über die Balkonbrüstung, landete rumpelnd auf den Mülltonnen und stob um die Hausecke. Auf Christians Pfiff reagierte er überhaupt nicht. Der folgte seinem Hund eilig auf zivilerem Weg durchs Haus, nicht ohne ihrer beider Notizen zum Unterstand mitzunehmen.

      ***

      Als Christian kurz darauf selbst um die Hausecke bog, kam ihm Napoleon bereits wieder entgegen, machte jedoch sofort kehrt und lief zu einer Stelle in der Einfahrt zurück. Er schnupperte dort kurz, setzte sich und wartete, bis er fast bei ihm war, dann sprang er auf, rannte auf die Straße, blieb dort wieder schnuppernd und schwanzwedelnd stehen, sah zu ihm zurück und jaulte kurz, bevor er sich erneut hinsetzte.

      „Verstehe, wer will, was du mir sagen willst,“, sagte er zu seinem Hund. „Ich tue es nicht. Komm, wir bringen noch die Skizzen zu Charly und du kannst mit Pollux toben.“ Er ging über den Hof zurück, rief einen Abschiedsgruß zu Gereon hinauf und trat durch das Gartentor auf sein Grundstück. Holte den Helm, auf die Kombi verzichtete er und schickte Napoleon auf den Gehsteig. Gemächlich tuckerte er ins Nachbardorf. Napoleon wetzte nebenher, im Ort auf dem Gehweg, auf der Landstraße im Feldrain. Im nächsten Dorf trabte er hechelnd quasi bei Fuß, bis sie bei Charly in die Einfahrt einbogen, dann rannte er voraus.

      The Name of the Game – ABBA

      Charly hatte wohl eben die Alukoffer und den Tankrucksack ins Haus getragen, als Napoleon wie ein Blitz an ihr vorbeischoss und auf den Trampelpfad zum Stall einbog. Sie schob die BMW unters Dach und sah ihm dann abwartend entgegen.

      „Gut, dass du kommst, ich muss mit dir reden“, begrüßte sie ihn.

      „Sind wir schon so weit?“, grinste er zurück. ‚Was kommt denn jetzt?’, fragte er sich.

      „Der Name Gereon sagt dir was?“

      ‚Aha, daher weht der Wind.’ Seine verspielte Laune erhielt einen Dämpfer. „Mein Nachbar?“

      Sie nickte. „Dein Freund?“

      „Mein bester Kumpel, ja.“

      Sie schien mit dieser Antwort gerechnet zu haben, und sie gefiel ihr ganz offensichtlich nicht. „Na, bravo.“ Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne und überlegte.

      ‚Was sie mir sagen will, oder ob sie es mir sagen will?’, dachte er zynisch.

      „Ich habe ihn in Görlitz kennengelernt“, informierte Charly ihn. Holte tief Luft, und ehe er sich eine Antwort zurechtlegen konnte, fuhr sie fort: „Ich mag ihn.“ Sie sah ihm direkt in die Augen. „Ich werde die Finger nicht von ihm lassen können.“

      „Aber von mir schon?“ Er versuchte nicht, seinen Ärger zu verbergen. ‚Verdammt, Mädchen, hast du die geringste Ahnung, was du mir da eben gesagt hast? Dass er wieder mal die Nase vorn hat? Wie oft habe ich ihm zuliebe zurückgesteckt? Soll ich wieder warten, bis er auch dich abgelegt hat und mir überlässt?’ In aufgebrachte Gedanken verstrickt, starrte er sie an.

      Sie wich seinem Blick aus. Seine BMW stand zwischen ihnen, und sie begann, auf der Sitzbank Kreise zu malen.

      Er erinnerte sich an das Gefühl, als sie das auf seinem Bauch gemacht hatte. ‚Damn, ist das erst vier Tage her?’ Ihm fielen die Blicke, mit denen sie seinen nackten Oberkörper gemustert hatte, ein. ‚Sie findet mich attraktiv. Dachte ich. Sollte ich mich so gründlich getäuscht haben? Und das nach dieser Nacht mit dir? Der bisher einzigen Frau, neben der ich in der ersten Nacht wirklich nur geschlafen habe?’

      Kurz bevor das Schweigen unerträglich wurde, antwortete sie leise: „Nein, nicht wirklich“, hob den Kopf und sah ihn an.

      Das verschlug ihm die Sprache und das Denken gleich mit. Um Zeit zu gewinnen, zog er die zusammengefalteten Zettel aus der Hosentasche