Louise Boije af Gennäs

Blutblume


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außer mir Bellas Ausbruch mitbekommen. Ich ging ums Sofa herum, hob den Computer auf und warf einen prüfenden Blick darauf. Dann legte ich ihn auf den Tisch und eine Hand auf Bellas Schulter.

      »Alles in Ordnung?«, fragte ich vorsichtig.

      Bella antwortete nicht. Sie blieb reglos sitzen, weiterhin die Hände vorm Gesicht. Ich wusste nicht, wie ein Scherz ankommen würde, aber ich wagte einen.

      »Computer«, sagte ich mit gespielter Entrüstung. »So unzuverlässig! Da hüpfen die einfach vom Tisch und glauben, sie schaffen es bis zur Tür. Ich hab auch so einen. Einmal hat er sich vom Balkon gestürzt. Weit ist er allerdings nicht gekommen, ich habe ihn bei der Imbissbude in Vällingby Centrum gefunden, wo er gerade eine Bockwurst und einen Kakao bestellt hatte.«

      Bella schüttelte es ein bisschen. Ein Laut war hörbar, aber unmöglich zu sagen, ob es ein Lachen oder ein Schluchzen war. Dann nahm sie die Hände vom Gesicht und lächelte mich an.

      »Du Spinner«, sagte sie. »Danke, dass du mich zum Lachen bringst, wo ich doch am liebsten sterben würde.«

      »Was ist passiert?«

      Bella schüttelte den Kopf.

      »Du weißt ja, wie das ist mit Computern. Leider ist das nicht das eigentliche Problem, sondern mein Mangel an Selbstbeherrschung. Mir fällt es unfassbar schwer, meine Wut im Zaum zu halten. Wie du sehen kannst.«

      »Okay«, sagte ich vorsichtig. »Das ist jetzt kein Weltuntergang, bloß ein bisschen anstrengend, wenn man danach immer einen neuen Computer braucht. Und ich habe mindestens einmal pro Tag einen Wutanfall, dank dieses Dings.«

      »Tell me about it«, sagte Bella und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.

      Sie sah ganz leer aus.

      »Weißt du, was dich so wütend macht?«, fragte ich. »Und warum du das nicht kontrollieren kannst?«

      Bella seufzte schwer.

      »Alte Geschichte«, antwortete sie. »Erzähle ich dir mal, aber nicht hier.«

      Genau in diesem Moment ging die Tür zum Konferenzsaal auf, und alle Mitarbeiter strömten murmelnd und plaudernd heraus. Roger warf einen Blick auf Bellas Computer und kam auf direktem Weg zu uns. Er stemmte die Hände in die Seiten und wirkte gleichzeitig sauer und triumphierend.

      »Nicht schon wieder!«, sagte er. »Wolltest du nicht eine Therapie machen?«

      Sein Ton ließ mich stutzen, aber ich sagte nichts.

      »Du weißt, dass ich selbst dafür aufkomme«, erwiderte Bella. »Kein weiteres Wort, bitte.«

      Roger schüttelte den Kopf und ging seiner Wege, ohne noch etwas von sich zu geben. Ich schaute ihm nach.

      »Unser Roger erweist sich ja nicht gerade als Schätzchen«, sagte ich.

      Bella reagierte nicht darauf, sondern befasste sich mit gerunzelter Stirn mit ihrem Computer.

      »Kennst du eine gute Firma, die sich das mal anschauen könnte?«, fragte ich. Bella warf mir einen Blick zu.

      »Machst du Witze?«, fragte sie. »In der Linnégatan ist ein winziger Laden. Die lieben mich, ich bin ihre beste Kundin.«

      Wir schauten einander an. Und brachen genau im selben Moment in Gelächter aus, ganz wie im Sturehof. Wir lachten, bis wir keine Luft mehr bekamen.

      »Los jetzt«, sagte ich schließlich und wischte mir die Lachtränen weg. »Kopf hoch! Bring du deinen Computer weg, und dann lade ich dich heute Abend auf Pizza und Rotwein ein. Was hältst du davon?«

      »Klingt fantastisch. Da sage ich doch sofort zu!«

      Abends saßen Bella und ich im Ciao Ciao bei viel Rotwein und Gelächter. Eine ganze Traube von Kellnern schwirrte um unseren Tisch, wir machten Fotos mit ihnen, die wir als Storys posteten. Das beste Gruppenfoto lud ich bei Instagram hoch. Am Östermalmstorg trennten wir uns, und ich nahm die U-Bahn zurück nach Vällingby.

      Ich lächelte immer noch über die frischen Erinnerungen an diesen schönen Abend, als die U-Bahn in Alvik einfuhr. Der Zug passierte einen Mann, der völlig reglos am Bahnsteig stand und zu uns in den Wagen schaute. Er trug eine Jeans und eine Jacke, dazu einen sonderbaren schwarzen Hut auf dem Kopf.

       Zorro?

      Oder? Das war er doch?

      Ich flog gewissermaßen von meinem Sitz, obwohl ich gar nicht aussteigen musste, und rauschte hinaus. Die Türen hatten sich etwa zehn Meter von ihm entfernt geöffnet; eigentlich hätte ich ihn sofort sehen müssen.

      Aber kein Mensch in Schwarz war dort. Entweder war er schon in die Bahn gestiegen oder auf die andere Seite des Bahnsteigs gewechselt, um sich hinter einer Werbetafel zu verstecken.

      Oder ich hatte mir das alles nur eingebildet.

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      Der Rest der Woche verging in rasendem Tempo, und ich begriff, was Bella damit gemeint hatte, dass ich für meinen Lohn ordentlich würde ackern müssen. Mein Arbeitstag begann um acht und endete selten vor zwanzig Uhr. Also stand ich jeden Morgen schon um sechs unter der Dusche und kam nie dazu, wirklich selbst zu kochen. Essen musste im Vorübergehen erledigt werden, entweder gab es etwas vom Schnellimbiss oder eine Pizza zum Mitnehmen oder ein Sandwich für zu Hause. Manchmal war ich so müde, dass meine Energie nicht mal mehr zum Essen reichte. Und an einem Abend schlief ich angezogen ein, kaum dass ich angekommen war. Jalil, Sixten und Siv sah ich praktisch gar nicht.

      Freitag machten wir schon um sechs Feierabend, weil alle unterschiedliche Pläne hatten.

      »Kommst du mit mir zu einer Party heute Abend?«, hatte Bella in der Mittagspause gefragt. »Einweihungsfeier beim Stallmästaregården. Unmengen von Essen und Champagner, roter Teppich, Fotografen. Das wird richtig cool!«

      »Geht leider nicht«, sagte ich. »Ich fahre mit dem Zug nach Örebro und verbringe Zeit mit meiner Mutter.«

      Bella verzog das Gesicht.

      »Okay?«, sagte sie fast fragend. »Dann viel Spaß.«

      Ich hatte schon häufiger versucht, mehr über Bella und ihre Familie herauszufinden, aber sie war immer ausgewichen. Deshalb hatte ich meine Fragen erst einmal eingestellt, früher oder später würde sie sich schon öffnen.

      Nach der Arbeit fuhr ich direkt mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof, Simåns hatte ich in Jalils Obhut gelassen, und merkte erst im Zug, dass meine Mutter mich vermutlich in den Sachen gar nicht wiedererkennen würde. Der Kunstpelz, den ich vor dem Aussteigen wieder anzog, würde sie sicher verwundern.

      Auf dem Bahnsteig warteten Mama und meine kleine Schwester Lina: Mama mit ihren Locken und einem Schal um die Schultern, der sicher nach ihrem typischen Parfum duftete, und Lina mit ihren Lachgrübchen in einer Reithose und gesteppter Jacke, die garantiert nach Stall roch. Lina hielt einen Strauß Rosen in der Hand, was mich sofort zu Tränen rührte. Ich schlang meine Arme um beide gleichzeitig.

      »Lass dich mal ansehen«, sagte Mama dann. »Du bist blass und dünn. Isst du auch genug?«

      »Es geht so«, antwortete ich und lachte. »Nicht wie bei dir.«

      »Cooler Mantel«, sagte Lina voller Bewunderung und grinste so breit, dass ihre Lachgrübchen sich noch weiter vertieften.

      »Hmm«, machte Mama und betrachtete meine Schuhe und Kleidung. »Kannst du dir das wirklich leisten?«

      »Hat die Firma bezahlt«, erwiderte ich gut gelaunt. »Das ist wohl Usus, wenn sie jemanden wie mich einstellen. Die Cousine vom Land.«

      »Hammer!«, sagte Lina, und ihre Augen funkelten. »Ich will auch einen Job in der PR-Agentur.«

      Mama sagte nichts weiter, aber dachte sicher umso mehr. Und auf der Autofahrt durch die mir nur zu bekannten Straßen von Rynninge bis nach Hause sah ich mich mit ihren Augen. Ich musste wie ein fremder,