Louise Boije af Gennäs

Blutblume


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mich immer noch – vom Café in Sundbyberg zu einer angesagten PR-Agentur in Östermalm, ohne dass ich dafür auch nur einen Finger krümmen musste –, aber ich war den Zustand leid, der mein Frühjahr und den Sommer geprägt hatte, als sich jede Veränderung in eine positive Richtung so lebenswichtig angefühlt hatte, was es unmöglich gemacht hatte, sie infrage zu stellen.

      Ich hatte mit Eva in Sundbyberg Ratten gejagt, da würde ich ja wohl auch einen PR-Job packen.

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      Im Sturehof schien Bella gut bekannt zu sein. Sie umarmte den Oberkellner und weiteres Personal. Ein Tisch direkt am Fenster erwartete uns, und Bella ging voran, während sie die Umsitzenden grüßte, die ihr zuwinkten. Genau in dem Moment wurden mir meine üble Hose, der schlecht sitzende Blazer, die langweilige Bluse und die omahaften Pumps erst richtig bewusst. Bella trug einen kurzen Rock und dazu Stiefeletten, das Oberteil bestand aus mehreren Stoffstücken, die von Häkchen und großen Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurden. Ihre Haare waren zu einem losen Knoten zusammengefasst, und sie strahlte eine unwiderstehliche Mischung aus Selbstsicherheit und Charme aus. Neben ihr sah ich wirklich aus wie die Cousine vom Land.

      Kaum hatten wir uns gesetzt, stand ein attraktiver Typ in Jackett und Jeans neben Bella. Er küsste ihr die Wangen und streckte mir dann die Hand hin.

      »Micke«, sagte er.

      Er war attraktiv, ohne sich so übertrieben herauszuputzen wie Björn und Roger. Außerdem hatte er Lachgrübchen und strahlte die Art von Selbstvertrauen aus, die mir nur selten begegnete – Wärme in Kombination mit Bescheidenheit. Allein sein Anblick machte mich gleichzeitig schwach und unfassbar gut gelaunt. Micke schaute mir in die Augen, und in seinen lag eine Bewunderung, die ich nie zuvor gesehen hatte. Das musste eine Sinnestäuschung sein. Was gab es an mir schon zu bewundern?

      Bella schaute von Micke zu mir, und ihr entgingen unsere Blicke nicht.

      »Das ist Sara, unsere Senkrechtstarterin«, erklärte Bella und lächelte.

       Senkrechtstarterin?

      Ich schluckte und bekam kein Wort heraus.

      »Wie cool«, sagte Micke. »Wie lange arbeitest du schon für die Agentur?«

      Bella und ich schauten uns an und brachen genau gleichzeitig in Gelächter aus.

      »Seit vier Stunden«, sagte ich, und plötzlich fiel es mir nicht schwer, mich mit Bella oder Micke zu unterhalten.

      Micke deutete mit dem Kopf zu Bella.

      »Ich habe schon ein paar Menschen getroffen, die von Bella handverlesen wurden«, sagte er. »Es ist fast unheimlich. Wenn du ein börsendotiertes Unternehmen wärst, ich würde sofort in dich investieren und Aktien kaufen.«

      Bella hob die Augenbrauen und schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf.

      »Micke ist Finanzfuzzi«, sagte sie. »Falls dir das bisher entgangen sein sollte.«

      »Fachidiot«, bestätigte Micke. »Man sollte niemals eine schöne Frau mit einem Unternehmen vergleichen.«

      Ich wurde rot.

      »Kein Problem«, sagte ich. »Ich selbst vergleiche mich meist mit so einem Arbeitsgaul, der die ganze Zeit mit gebeugtem Hals ackert.«

      »Einem Arbeitsgaul?«, fragte Micke. »Warum das denn?«

      Ich zuckte mit den Schultern.

      »Stammt noch aus meiner Zeit beim Militär«, sagte ich. »Immer weiterkämpfen, niemals aufgeben.«

      »Da, siehst du?«, sagte Bella zu Micke und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Ist sie nicht großartig?«

      »Sie ist absolut großartig«, pflichtete Micke bei. »Aber jetzt muss ich leider wieder zu meinen Kumpels.«

      Mit diesen Worten kehrte Micke zu seinem Tisch zurück.

      Ich stöhnte halblaut.

      »Warum hab ich das mit dem Arbeitsgaul gesagt?«, jammerte ich. »Dümmer kann man ja fast nicht klingen.«

      Bella grinste breit.

      »Er mag dich«, sagte sie und schlug die Speisekarte auf. »Das ist nicht zu übersehen. Und jetzt wird gegessen.«

      Wir studierten die Karte, die ich noch von meinem Spaziergang letzte Woche kannte, bestellten beide ein teures Fischgericht und ein Glas Weißwein dazu – denn Bella meinte, das wäre die beste Einstimmung auf einen Shopping-Nachmittag. Dann lehnten wir uns zurück, und ich gab mir große Mühe, entspannt zu wirken, obwohl ich die ganze Zeit den Impuls, mich selbst zu kneifen, unterdrücken musste.

      »Erzähl mir was über dich«, sagte Bella. »Über deine Kindheit, deine Familie. Ich will alles wissen.«

      Also fing ich an zu erzählen. Bella war eine gute Zuhörerin: Sie schaute mich unentwegt an, lächelte aufmunternd und lachte über meine Witze. Ich fing mit meiner Ausbildung in Uppsala an und meinen damaligen Zukunftsplänen, erzählte dann von meinen Eltern, meiner pferdevernarrten Schwester und unserem Haus in Rynninge, Örebro. Dann erwähnte ich noch kurz den Tod meines Vaters und wie er unser Leben vollständig verändert hatte.

      »Wie schrecklich«, sagte Bella mitfühlend.

      Sofort traten mir Tränen in die Augen, und mein Hals zog sich schmerzhaft zusammen. Bella legte ihre Hand auf meine.

      »Ich werde dir helfen«, sagte sie ernst. »Du musst diese Trauer überwinden.«

      Ich nickte, erwiderte aber nichts. Eine Träne lief mir über die Wange, ich wischte sie schnell weg.

      Bella schaute mich unverwandt an.

      »Weißt du«, sagte sie leise, »wir alle tragen unser Päckchen. Ich habe auch schon ein paar schlimme Sachen erlebt und weiß, wie wichtig es ist, darüber zu reden.«

      »Was hast du denn erlebt?«, flüsterte ich.

      Da senkte Bella den Blick.

      »Nichts, worüber ich jetzt sprechen möchte. Aber ein andermal gern.«

      Ich nickte, holte ein Taschentuch hervor und putzte mir die Nase. Bella lächelte.

      »Gutes Kind«, kommentierte sie. »Meine Oma hat immer gesagt: ›Kräftig schnauben!‹ Sie hat mich gelobt, wenn ich es dann auch tat.«

      »Vielleicht nicht direkt im Sturehof«, sagte ich und schaute mich um.

      Bella lehnte sich vor.

      »Trau keiner Frau, die wenig isst und sich nicht traut, sich an einem öffentlichen Ort die Nase zu putzen. Du bist doch sicher Feministin?«

      Ich sah Nadia vor mir, die mal wieder Erik im Flur der Kaserne zu Boden geschickt hatte.

      »Mach das nie wieder!«, hatte sie geschrien, während alle Jungs rundherum standen und es nicht wagten, ein Wort zu sagen. »Nicht, wenn du lebend hier rauskommen willst!«

      »Natürlich bin ich Feministin!«, sagte ich.

      »Dachte ich mir doch«, sagte Bella zufrieden. »Kaffee?«

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      Als der Kaffee gerade gekommen war, erschien eine junge Frau in farbenfrohem Regenmantel mit knallroter Sonnenbrille und einer großen Schultertasche und bahnte sich den Weg zwischen den Tischen hindurch.

      »Hallo, hallo«, sagte sie. »Hier sitzt ihr also und lasst es euch gut gehen. Seid ihr bereit?«

      »Absolut!«, antwortete Bella. »Ich muss nur noch zahlen. Sara, das ist Nicolina. Sie ist Stylistin und wird uns heute unterstützen.«

      Verblüfft schüttelte ich Nicolinas Hand. Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu uns, bevor sie mich musterte. Sie streckte eine Hand aus, legte mir die Fingerspitzen unters Kinn und drehte meinen