flüsterte sie mir ins Ohr, während sie gerade Vanillesoße anrührte.
»Bitch?«, zischte ich zurück und versuchte, nicht loszulachen. »Verwandelst du dich gerade? Du klingst wie Sebbe Staxx.«
Die Frau kam zu uns an den Tresen, bestellte einen Latte und ein Focaccia bei Gullbritt, nahm ihr Tablett und suchte sich einen Platz. Aber weit kam sie nicht, bevor sie mit einem ihrer Stöckelschuhe umknickte, ihr das Tablett aus den Händen rutschte und auf den Boden knallte. Glas und Teller zerbrachen in tausend Stücke, Milchkaffee und Schaum spritzten auf die Kundschaft rundherum.
Eva verdrehte die Augen und verschwand mit ihrer Schüssel in der Küche, Gullbritt wandte sich unberührt dem nächsten Gast zu, also eilte ich mit einem Lappen zu der Frau.
»Das tut mir so entsetzlich leid!«, sagte sie und sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. »Diese verdammten Schuhe! Ich muss zu einem Kundengespräch, deshalb bin ich so aufgetakelt.«
»Kein Problem«, sagte ich und wischte den Kaffee weg. »Setzen Sie sich schon mal, ich bringe Ihnen Ersatz.«
Schon bald trug ich ein frisches Tablett zu ihr, und sie konnte in Ruhe und Frieden essen. Als sich der typische Mittagsandrang gelichtet hatte, ging ich mit einer Kanne frisch gebrühten Kaffees zu ihr.
»Darf ich nachschenken?«, fragte ich.
Sie schaute zu mir auf und lächelte. Da erst sah ich, wie schön sie wirklich war.
»Oh, sehr gern«, sagte sie. »Mein Kaffee wurde gerade ein bisschen zu kalt. Wie nett von Ihnen!«
Danach blieb sie noch eine Weile sitzen und las in ihrem Handy, bevor sie aufstand und ging. Sie winkte mir zum Abschied kurz zu.
Am nächsten Tag kam sie wieder, diesmal in einem Mantel aus Zebrafellimitat und mit knallgelber Sonnenbrille.
»Lieber Himmel, in Deckung«, sagte Eva und zog sich in die Küche zurück.
Die Frau bestellte das Gleiche wie am Vortag und blieb auch diesmal nach dem Essen wieder eine Weile da. Mittlerweile war es Zeit für meine Pause, also nahm ich mir einen Kaffee und mein Handy und verschwand unter der Palme, wie es mir schon zur Gewohnheit geworden war. Die Nachrichtenseiten verrieten, dass nichts Weltbewegendes passiert war, also vertrödelte ich meine Zeit bei Instagram, als plötzlich der Zebramantel neben mir erschien. Ich schaute auf.
»Darf ich mich dazusetzen?«, fragte sie und nahm ihre gelbe Sonnenbrille ab.
»Klar«, antwortete ich. »Meine Pause ist in fünf Minuten rum, aber nur zu.«
Sie ließ sich nicht lange bitten und schaute mir direkt in die Augen. Ihre waren auffällig, wie ich jetzt entdeckte: das eine blau, das andere eher grünbraun. Insgesamt war sie, wie mir schon gestern aufgefallen war, sehr hübsch.
»Vielleicht sollte ich mich vorstellen«, sagte sie und hielt mir ihre Hand hin. »Bella.«
»Sara«, sagte ich.
Wir schüttelten Hände und lächelten einander an.
»Wie ist das Kundengespräch gestern gelaufen?«, fragte ich, um einfach irgendwas von mir zu geben.
Bella lachte.
»Sehr gut«, sagte sie, »als ich erst mal raushatte, wie man in diesen verflixten Schuhen läuft! Gut, dass ich dem Geschäftsführer nicht als Erstes in die Arme gefallen bin. Er war nicht gerade Brad Pitt, um es mal so zu sagen.«
Sofort hatte ich Sixten vor Augen und musste ebenfalls lachen.
»Was machst du denn beruflich?«, fragte ich.
»PR«, sagte Bella. »Ein Bereich, der permanent wächst. Wir bekommen immer mehr Konkurrenz, deshalb sind wir ständig unterwegs und angeln neue Kunden.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte ich. »Klingt spannend.«
»Sara!«, rief Eva vom Tresen rüber. »Deine Pause ist vorbei!«
Ich grinste Bella an.
»Lustig, dass sie immer ein paar Minuten zu früh vorbei ist«, sagte ich.
Bella schaute bedauernd. Dann warf sie einen Blick auf ihr Handy.
»Ich muss aber auch los«, sagte sie. »War schön, dich wiederzusehen.«
»Ja, finde ich auch«, erwiderte ich.
Kaum stand ich hinter der Theke, wurde ich misstrauisch von Eva beäugt.
»Was wollte die Großwildjägerin?«, fragte sie.
»Das Fell war nicht echt«, sagte ich. »Und sie wollte nur das Rezept vom Focaccia.«
Eva schnaubte.
»Vergiss nicht abzuräumen.« Sie nickte zum Tisch in der Ecke, auf dem noch Geschirr stand.
Ich nahm ein Tablett mit, um die Teller und Gläser zu holen. Auf dem Rückweg stieß ich gegen einen der Stühle, die um den Tisch standen, an dem Bella und ich gesessen hatten. Ein Klirren folgte. Bellas gelbe Sonnenbrille lag am Boden. Sie musste sie neben sich auf den Stuhl gelegt und dort vergessen haben.
Ich stellte das Tablett ab, um sie aufzuheben.
Miu Miu. Teure Marke, das wusste selbst ich.
Wie konnte ich Bella wohl erreichen?
Am Nachmittag hatten wir ungewöhnlich viel Kundschaft, mir blieb keine freie Sekunde. Dann plötzlich rief Gullbritt aus der Küche, die Hand über der Muschel des Telefonhörers.
»Für dich«, sagte sie. »Ein Mädel, hat was vergessen.«
Es war Bella.
»Tut mir leid, ich bin einfach so schusselig«, sagte sie. »Du hast nicht zufällig eine Sonnenbrille gefunden? Irgendwo habe ich meine gelbe Miu Miu-Brille liegen lassen. Ich liebe die und weiß nicht, wo sie geblieben ist. Sie ist einfach weg.«
»Ich hab sie gefunden«, beruhigte ich sie. »Sie steckt schon in meiner Tasche. Du hast sie auf dem Stuhl liegen lassen.«
»Echt?«, jubelte Bella. »Wie großartig! Wann kann ich vorbeikommen, um sie abzuholen? Du hast nicht zufällig vor, heute noch in die Stadt zu fahren, oder?«
»Doch«, antwortete ich. »Ich wollte heute noch ins Kino. Wir könnten uns danach irgendwo treffen.«
»Super!«, sagte Bella. »Was guckst du dir an?«
»Einen alten französischen Film, der im Bio Rio am Hornstull läuft. Wie wäre es, wenn ich danach zum Mariatorget komme? So gegen zehn?«
»Perfekt«, sagte Bella. »Dann treffen wir uns im Rival, und ich gebe dir zum Dank einen Drink aus.«
Gegen sechs nahm ich die U-Bahn bis Hornstull und spazierte am Ufer entlang bis Tantolunden, aß unterwegs ein Panini und beobachtete die Leute, bis es Zeit war, ins Bio Rio zu gehen.
Die Leute hier am Hornstull sahen ganz anders aus als am Stureplan. Viele waren gepierct oder tätowiert, trugen lieber feste Stiefel und Ringelsocken als teure Markenklamotten und hatten sich die Haare rot, blau, lila oder grün gefärbt. Ich spürte richtig, nicht länger in Örebro zu sein, allerdings fühlte es sich hier anders an als am Stureplan. Für einen Moment, als ich mich umdrehte, um die Bedienung heranzuwinken, war mir, als säße mein Nachbar Sixten im Barbereich am Eingang. Aber genau da stand der Mann hinter mir auf und versperrte mir die Sicht. Als ich noch einmal schaute, war von Sixten nichts zu sehen.
Alles Einbildung, selbstverständlich.
Nach dem Film musste ich mich beeilen. Die Hornsgatan war voller Leben und Abgase, wütender Fahrradfahrer, Läufer mit Stirnlampen und lachender Mütter mit Zwillingskinderwagen. Nachdem ich den Park am Mariatorget durchquert hatte,