Ralph Raymond Braun

Irland Reiseführer Michael Müller Verlag


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      Wie Saint Patrick’s hat auch die ältere der beiden mittelalterlichen Kathe­dra­len in der viktorianischen Ära eine frei­zü­gige Restaurierung über sich ergehen las­sen müs­sen. Auf der Verkehrsinsel, um die heute unzählige Straßen he­rum­füh­ren, stand seit 1038 die erste, aus Holz gebaute Bischofskirche. Zwi­schen ihr und der Lif­fey befand sich die Han­delsniederlassung der Wikinger und damit die Keim­zelle der mit­tel­al­ter­lichen Stadt. Ihre Reste wurden in den 70er-Jahren bei Sa­nie­rungs­ar­bei­ten frei­gelegt - und mit der Fun­da­men­tie­rung der neuen Bürogebäude weit­ge­hend zerstört.

      Richard Strongbow, der Führer der nor­man­nischen Invasoren, ließ die höl­zer­ne Wi­kin­gerkirche nach 1172 durch ei­nen Steinbau im romanisch-go­tischen Über­gangs­stil er­setzen, der auch eine Art Denkmal für den bri­ti­schen Griff nach Irland ist. Hein­rich VII. eröffnete hier die iri­sche Re­for­mation, indem er St Patrick’s Bi­schofs­stab, die kost­barste Re­liquie der Kirche, öffentlich ver­bren­nen ließ. Ir­l­and räch­te sich auf seine Art. 1562 brach die schlecht gegründete Süd­wand zu­sammen und zerschlug da­bei auch das Grabmal mit der Statue des Strong­bow, die als ein am­putierter Tor­so ne­ben dem Grab lag. Das heu­ti­ge Mo­nu­ment ist eine Nach­bil­dung aus der Zeit nach dem Unglück. Mit dem stei­nernen Strong­bow als Zeu­gen schlos­sen seit al­ters her die Dub­liner Kauf­leute wich­ti­ge Ver­träge ab.

      Der am besten erhaltene Teil der Kir­che ist die Krypta. Zu Cromwells Zeiten ging es hier hoch her: Damals war sie ein überdachter Markt mit Läden und Ta­vernen. Spä­ter diente der Keller als Ab­stellplatz für allerlei Dinge, die oben im Wege waren, aber doch irgendwie zu wert­voll oder zu sperrig, um sie ein­fach weg­zuwerfen. Jüngst wurde das Ge­wöl­be mit viel Auf­wand zu einem Aus­stel­lungs­raum um­ge­baut, in dem ne­ben alten Grabplat­ten, Architektur­frag­men­ten und dem Kir­chen­schatz auch ein Video­film ge­zeigt wird. Be­rühm­teste Ku­riosität des Kellers ist je­doch jene mumifizierte Katze auf der Jagd nach einer genauso ein­ge­trock­ne­ten Rat­te, die sich in eine Orgelpfeife ge­flüch­tet hatte - der Jäger blieb ste­cken und ver­sperrte damit auch dem Opfer den Flucht­weg, ohne dieses er­rei­chen zu können.

      ♦ Juni-Aug. Mo-Sa 10-19, So 12.30-14.30 und 16.30-18 Uhr. Nov.-März Mo-Sa 10-17, So 12.30-14.30 Uhr. April/Mai und Sept./Okt. Mo-Sa 10-18, So 12.30-14.30 Uhr. Einlass bis 45 Min. vor Schließung. Ein­tritt 7,50 €. www.christchurchcathedral.ie.

Christ Church: Dublins älteste Kathedrale

      Christ Church: Dublins älteste Kathedrale

      Die Mittelaltershow im früheren Bi­schofs­palast, in dem zuletzt eine Disco ein­ge­rich­tet war, ist eine kleine Ent­schä­digung für die am Wood Quay ver­ge­bene Chan­ce, wenigstens einen Teil der beim Bau des neuen Rathauses frei­ge­legten Reste der Wi­kingerstadt für die Nachwelt zu erhalten. Die Zeit­reise be­ginnt nach einer Orien­tierung zu den An­fängen mit dem Gang über den mit­tel­alterlichen Markt der Stadt, mit Stän­den und Buden lebens­groß und le­bens­echt nachgestellt bis hin zu einem knur­renden Hund. Alles darf, sehr zur Freu­de der Kinder (und auch der Er­wach­se­nen), angefasst wer­den - im­mer­hin stehen für den Wurf auf den im Prang­er zu Schau ge­stellten Missetäter nicht mehr wie anno dazu­mal Kot und Stei­ne, son­dern Soft­bälle zur Ver­fü­gung.

      Ein maßstabgerechtes Modell zeigt das al­te Stadtbild, das man mit dem (rea­len) Pa­no­rama vom Turm des Hau­ses ver­glei­chen kann. Anschließend wird man mit der Re­konstruktion eines Kais und ei­nes Kaufmannshauses kon­fron­tiert, auf dessen Kü­chentisch die Spei­sen an­ge­richtet sind, als begäben sich die Pup­pen im nächsten Moment zum Dinner. Ge­lungen ist die Ein­be­zie­hung der Toi­let­ten - wer auf das Ört­chen muss, wird ne­benbei über mit­tel­-al­terliche Latrinen und Sa­ni­tär­an­la­gen auf­geklärt. Im Mu­seums­raum sind ein paar Kleinfunde vom Wood Quay prä­sen­tiert, nebenan er­fährt man ei­niges über die Ar­beits­wei­se der Stadt­ar­chä­o­lo­gen. Der obers­te Stock ist den Wi­kin­gern gewidmet. Hier kann man seinen Na­men in Runen schrei­ben. Auch die Ver­einnahmung der Nord­leu­te durch die faschistische Be­we­gung wird nicht aus­gespart.

      ♦ Tägl. 10-18.30 Uhr (Okt.-Febr. bis 17.30 Uhr), Einlass bis 1 Std. vor Schließung. Eintritt 12 €, mit Christ Church 18 €. St Michel’s Hill, High St, www.dublinia.ie.

Ein geknechteter Kuttenträger in der Dublinia

      Ein geknechteter Kuttenträger in der Dublinia

      Dank der Kirchenspaltung hat der Hei­li­ge gleich zwei Kirchen. Die ältere (12./14. Jh.) und zugleich kleinere ge­hört der Church of Ireland und ist die ein­zige er­haltene mittelalterliche Pfarr­kir­che Dublins. An der Stelle des Ne­ben­schiffs stand einst eine keltische Ka­pelle. St Audoen’s Arch, in einer schma­len Passage neben der Kirche, ist das letzte Tor der alten Stadt­be­fes­ti­gung. Der jüngere Bau, ein katho­li­sches Got­teshaus, wurde 1847 fertig gestellt.

      ♦ Mai-Okt. tägl. 9.30-17.30 Uhr, Einlass bis 16.45 Uhr. Eintritt frei. Cook St.

      Schon an der St Audoen’s Church wird die empfindliche Nase bei Westwind mit dem Malzgeruch aus Irlands größ­ter Brauerei konfrontiert. Seit dem 12. Jh. brauten Mön­che (wer sonst?) vor dem James Gate. 1759 erwarb Ar­thur Guinness das Ge­län­de der Rains­ford Brauerei, und seine Nachfolger er­wei­terten die Pro­duk­tions­stät­ten Zug um Zug auf heute 26 ha, eine surreale Me­tropolis mit qualmenden Schlo­ten, amei­sengleich geschäftigen Arbeitern und besagten Gerüchen. Bis 1965 damp­f­te eine Werksbahn durch das Ge­län­de - eine der ungewöhnlichen Lo­ko­mo­ti­ven mit oben liegenden Ventilen ist im Werksmuseum ausgestellt. Frü­her brachten Schif­fe die Gerste über die Liffey und einen Nebenarm vom Grand Canal und lu­den für den Rückweg die Fäs­ser mit Stout ein, die an die Pubs überall im Land ge­lie­fert wurden. Zur Ver­sorgung des britischen Marktes ver­fügt Guinness bis heute über eine eige­ne Hochseeflotte.

      Die inzwischen dem Spirituosen-Welt­konzern Diageo gehörende Braue­rei selbst kann nicht besichtigt werden. Das Storehouse Visitor Centre in einem um­gebauten Gär­haus der Jahr­hun­dert­wen­de erzählt jedoch die Fir­men­ge­schich­te und erläutert die Produktion der täglich 2,5 Millionen Pints. Bran­chen­fremden dürfte es aller­dings schwer fallen, die Besonderheiten bei der Herstellung des dunklen Stout nach­zu­vollziehen. Abschluss und Hö­he­punkt der Tour ist ein Bier in der Gravity Bar, im Turm mit Rundum-Pa­no­ramablick über Dublin. Hier in luf­ti­ger Höhe wird, so jedenfalls die Ein­schä­tzung der Brau­er­ei, das beste Bier der Welt am besten ge­zapft. „Good for you?“

      ♦ So-Do 11.30-19 Uhr (Einlass bis 17 Uhr), Fr/Sa bis 21.30 Uhr (Einlass bis 20 Uhr). Eintritt mit Drink 15-25 €. www.guinness-storehouse.com. Crane Lane off James St. Zu erreichen mit Bus Nr. 13, 40, 123 ab O’Connell St, Luas Red Line Station James’s.

      Nur einen Steinwurf vom Guinness Store­house entfernt kann man die neue Whis­key­brennerei von Pearse Lyons be­sichtigen. Der in Irland auf­ge­wach­se­ne Chef des Tier­futterherstellers All­tech besitzt neben Bierbrauereien auch eine Brennerei in Ken­tucky. Seine Dub­li­ner Destillerie ist in der lange un­ge­nutz­ten und verfallenen St James’s Church eingerichtet. Besonders stolz ist man auf die restaurierten Glas­fens­ter und die gläserne Spitze des Kirchturms. Abends beleuchtet, ist diese „Li­berties Lan­tern“