Ralph Raymond Braun

Irland Reiseführer Michael Müller Verlag


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      Zum Ärger der Provinz versammelt das Na­tionalmuseum von der Steinzeit bis ins Mit­telalter nahezu alle be­deut­sa­men archäologischen Funde der Insel. Ja noch mehr, denn es gibt auch eine alt­ägyptische Sammlung und einen Saal mit zypri­scher Keramik. Das Ar­range­ment ist etwas verwirrend, umso schmerz­licher ver­misst der Besucher einen Katalog. Höhepunkte des Mu­se­ums sind die Samm­lung al­ten Gold­schmucks und die Moorleichen.

      Jüngst eingerichtet und am besten prä­sen­tiert ist die Ausstellung Kö­nig­tum und Op­fer im linken Quersaal. Sie ist um meh­re­re kel­ti­sche Moorleichen ar­ran­giert. Ahn­herr ist der bereits 1821 ent­deckte „Gal­lagh Bog­man“, ein 2500 Jah­re alter und be­mer­kens­wert in­tak­ter Kol­lege des „Ötzi“, der schon lan­ge im Mu­seum zu Hause ist. Zu ihm ge­sellte man nun den „Clonycavan Man“, einen Dan­dy mit schicker Zopffrisur. Außer­dem den „Oldcrohan Man“, auch er einst­mals ein fei­ner Herr mit m­a­ni­kür­ten Fin­ger­nä­geln. 1,98 m groß soll er ein­mal ge­we­sen sein, so sagen die Wis­sen­schaftler, ein wah­rer Riese also, doch geblieben ist nur sein Torso. Den Un­ter­leib verlor er wohl durch einen Torf­bagger, den Kopf durch Ent­haup­tung. Wie andere eu­ro­päische Moor­lei­chen ihrer Epoche zei­gen, wurden auch die Iren grausam gefoltert und mehr­fach hingerichtet - es deutet alles da­rauf hin, dass die vorchristlichen Kel­ten Men­schen opferten.

      Die Vorgeschichte wird im Umgang der zen­tralen Halle präsentiert. Wir er­fah­ren, dass vor etwa 5700 Jahren ano­ny­me Aben­teu­rer die neolithische Re­vo­lution in Form von Scha­fen und Zie­gen auf die Insel brach­ten, au­ßerdem kann man einen riesi­gen Ein­baum und al­te Musikinstrumente be­wundern. Die Mit­te der Halle gehört mit Irlands Gold den Ge­schmeiden der Bron­ze­zeit: Meist Colliers, Arm- und Fußringe, manch­mal mit feinen Gra­vuren, als Kuriosa auch goldene Ohr­spulen, die der Laie so wohl eher bei afrikanischen Stämmen ver­mutet hätte.

      Im rechten Querraum weitet die Schatz­kam­mer das Thema aus: Kunst und Kunst­hand­werk von den Kelten bis ins Mit­tel­alter, darunter als Glanz­stü­cke die Brosche von Tara und das Al­tar­kreuz von Clon­mac­noi­se. Nicht ganz hier­her passen die Vitrinen mit mit­tel­al­terlicher Kleidung.

      Die Ausstellung im Obergeschoss be­ginnt im rechten Quersaal mit den Wi­kingern: Es geht um Waffen, Acker­bau, Skla­verei und die Anfänge Dub­lins, d­o­ku­mentiert durch zahl­reiche Klein­fun­de, zuletzt wird die Sa­kral­kunst mit dem Kreuz von Cong ge­schickt in Szene ge­setzt.

      Chronologisch und im Uhrzeigersinn schließt sich das Mittelalterliche Irland an, auf­g­e­teilt in die Bereiche „König und Adel“, „Kir­che und Gläubige“, „Bau­ern-Händ­ler-Hand­wer­ker“.

      Haben Sie bis jetzt durchgehalten? Dann war­tet im Ägyptenraum noch ein klei­n­es High­l­ight auf Sie. Auf der Wand­seite links zwei sogenannte Faj­um­porträts aus römi­scher Zeit, Ab­bil­der Verstorbener auf ihren To­ten­mas­ken und vermutlich die ältesten in­di­vi­duel­len Menschenbilder, die Sie je ge­se­hen haben.

      ♦ National Museum: Di-Sa 10-17, So/Mo 13-17 Uhr. Eintritt frei. Preiswerter Lunch im Cof­fee­shop des Museums. Kildare St, www.museum.ie.

      Das Museum für Naturgeschichte ist dem Leinster House auf der Merrion-Sei­te vor­gelagert. Seit der Einweihung anno 1857 - der Missionar und Ent­de­cker David Li­ving­stone hielt die Er­öf­f­nungs­rede - hat der „Zoo der toten Tie­re“ seine Aus­stel­lung kaum verändert, und das Sammelsurium ausgestopfter und konservierter Ka­da­ver ist nicht je­der­manns Sache. Zehntausend Ex­po­na­te sollen es sein, die Hälfte da­von In­sek­ten. Weitere zwei Millionen (!) Ob­jek­te ruhen in den Magazinen und Kel­ler­gewölben des Hauses.

      Der Eingang des Hauses war zu­nächst auf der Westseite und wurde erst 1909 auf die Ostseite verlegt. Damit än­derte sich im Erdgeschoss, das die Tier­welt Irlands vor­stellt, die Richtung des Rundgangs. Die Stars der Samm­lung, nämlich aus dem Moor ge­bor­ge­nen Knochengerüste von Elchen, die vor 10.000 Jahren auf der Insel leb­ten, hat man gedreht. Weniger pro­mi­nen­te Ex­ponate drehen dem Besucher da­ge­gen den Rücken zu. Der 1. Stock zeigt die Welt der Säugetiere und endet mit Men­schenaffen und dem Homo sa­piens. Dann ist Schluss. Die oberen Eta­gen mit den Austellungen zu den nie­de­ren Tierarten sind gesperrt, weil das Geld fehlt, um die nach heutigen Stan­dards erforderlichen Fluchtwege zu bau­en.

      ♦ Di-Sa 10-17, So/Mo 13-17 Uhr. Eintritt frei. Merion St, www.museum.ie.

      Eine Statue ehrt vor dem Eingang der Na­tionalgalerie den Eisenbahnmagna­ten Wil­liam Dargan. Er organisierte 1853 die Industrial Exhibition, eine Mes­se, aus de­ren Er­lö­sen damals der Grundstock der heute 2400 Gemälde er­wor­ben wurde. Ein an­derer Wohl­täter der Schönen Künste war George Ber­nard Shaw. Auch er grüßt als Standbild die Besucher des Kunstmuseums. Die Samm­lung umfasst das für Na­tio­nal­ga­le­rien übli­che Reper­toire - ein Faltblatt mit Lageplan er­leichtert die Orien­tie­rung.

      Bei nur einem Besuch empfehle ich die Yeats Collection (Raum 14). Jack But­ler Yeats (1871-1957), ein jüngerer Bru­der des berühmten Dich­ters, bannte be­vorzugt irische Men­schen und Land­schaften sowie Themen aus der kel­ti­schen Mythologie auf die Leinwand. Er gilt als Irlands National­maler. Gleich­falls ein Muss sind die Port­rät­galerie (Raum 23) sowie die ge­lungene Aus­wahl von Werken irischer Maler im Dar­gan-Flügel (Räume 15­-21). Ein spe­ziell von den anglo-iri­schen Grund­her­ren begehrtes Sujet waren Land­schaft­sbilder. Sie zeigen den Ide­al­zu­stand einer den Vor­stel­lun­gen des Land­adels entsprechend ge­bän­digten und geformten Natur.

      Das Obergeschoss gehört der euro­päi­schen Malerei vom Spätmittelalter bis ins 19. Jh. In Raum 27 begegnen wir mit Lavinia Fontana der ersten Frau, die von ihrer Malerei leben und ihre Fa­mi­lie ernähren konnte. Star der Samm­lung ist Cara­vaggios Gefan­gen­nah­me Chri­s­ti (engl. The Taking of Christ) von 1602 (Raum 25). Lange verschollen und dann für eine Ko­pie des Originals ge­halten, kam es über Umwege zum Dub­li­ner Je­su­i­ten­orden, wo es ab 1930 den Speise­saal der Kongregation zierte. Erst die Fleiß­arbeit zweier Kunststu­den­ten brach­te die wahre Identität des Bil­des ans Licht.

      ♦ So/Mo 11-17.30, Di/Mi, Fr/Sa 9.15-17.30, Do 9.15-20.30 Uhr. Eintritt frei. Am Wochenende nach­mit­tags Führungen. Eingang von der Clare St (hier Café und Shop) und vom Merrion Square West, www.nationalgallery.ie.

      Viele der farbenprächtigen Türen, die ei­nes der erfolgreichsten Poster der Ir­land­wer­bung zieren, findet man im Ori­ginal um den Merrion Square. Die stren­gen Bau­vorschriften des 18. Jh. lie­ßen den Hausbesitzern wenig Frei­raum für indi­vi­du­elle Gestaltung, und so ver­such­te man sich in Details wie eben Türen, Ober­lich­tern und kunstvoll ge­schmie­de­ten Fuß­ab­strei­fern vom Nach­barn zu un­ter­schei­den. Mer­rion Square war lange die erste Adres­se der Stadt. In Nr. 1, dem ältes­ten Haus am Platz, resi­dier­te von 1855-76 Oscar Wil­de. Ge­gen­über, an der Nord­west­ecke des Parks, stif­tete ihm die Guin­ness-Brau­erei ein Denk­mal. An wei­teren Be­rühmt­hei­ten wohn­ten hier Daniel O’Connell (Haus Nr. 58), W. B. Yeats (Haus Nr. 52 und 82), und in Haus Nr. 65 lebte einige Jahre der Phy­siker Er­win Schrö­din­ger, des­sen ge­ni­ale Wel­len­glei­chung dem dies­be­züg­lich min­der ge­nia­len Au­tor aus Schul­zei­ten noch in un­lieb­samer Er­in­nerung ist. Nr. 8 ist die stan­des­ge­mä­ße Ad­resse des Royal Ins­ti­tu­te of the Ar­chi­tects of Ire­land. Rund um den Platz stel­len im­mer sonn­tags Künst­ler ihre Ar­beiten aus.

      Number Twenty Nine (Georgian Home): Von der Ostseite des Platzes zog sich, be­vor 1965 die Elektrizitäts­ge­sell­schaft