Ralph Raymond Braun

Irland Reiseführer Michael Müller Verlag


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      Der schlechte Zustand mancher Viertel, be­son­ders der North Side, ist auch Er­geb­nis planerischer und politischer Feh­ler der 50er-, 60er- und 70er-Jahre des 20. Jh. Da­mals suchte man die Lö­sung der Wohnungsnot im Bau neuer Vor­städte und über­ließ die Innenstadt dem Zerfall. Erst in den 90ern kehrte das öffentliche und pri­vate Geld in die Stadt zurück. Temple Bar und die Ge­gend um St Stephen’s Green sind Bei­spie­le für eine erfolgreiche Sanierung, die maroden Docklands an der Mün­dung der Liffey wurden mit Mil­liar­den­auf­wand zu einem internationalen Ban­ken- und Finanzzentrum auf­ge­mö­belt. Von Hochhäusern blieb die Stadt, de­ren Ver­waltung mit dem neuen Rat­haus bei der Christ Church selbst ein schlech­tes Bei­spiel gesetzt hat, bisher weit­gehend ver­schont. An der Ze­n­tral­bank in der Da­me Street, von der die drei obersten, un­ter Missachtung der Bau­auflagen er­rich­te­ten Stock­werke wie­der ab­ge­tra­gen werden muss­ten, sta­tuierten die städ­tischen Planer in den 70er-Jahren ein Exempel. Und im Vor­ort Ballymun wurden einige Wohn­tür­me wegen zu großer sozialer Pro­ble­me sogar wieder gesprengt. In Sa­chen Denk­mal­schutz liegt Dublin je­doch noch weit hinter den in anderen Haupt­städ­ten der Euro­päischen Union gel­ten­den Normen zurück.

      Die Metropole dehnt sich von der Halb­in­sel Howth im Norden in einem Halb­kreis um die Dublin Bay bis nach Dal­key im Süden aus. Das Zentrum ist für ei­ne Mil­lio­nen­stadt jedoch relativ klein und überschaubar. Die meisten öf­fent­li­chen Ein­richtun­gen und Se­hens­wür­dig­keiten sind vom Castle zu Fuß in längs­tens ei­ner hal­ben Stunde zu er­rei­chen. Der River Liffey schneidet die Kern­stadt in zwei Hälf­ten: Auf der North Side folgen nach der Pracht­mei­le O’Connell Street, der Haupt­ge­schäfts­stra­ße Dublins, bald die Miets­ka­ser­nen der Arbeiterviertel. Für den Be­su­cher in­teressanter ist die South Side. Un­mit­tel­bar am Fluss liegt das Ver­gnü­gungs­vier­tel Temple Bar, öst­lich schlie­ßen sich die geor­gia­ni­schen Ensembles mit der Ein­kaufszone um die Grafton Street, dem Bankenvier­tel um St Ste­phen’s Green und dem Cam­pus des Trinity Col­lege an. Der mit­tel­al­ter­liche Stadt­kern lag auf dem Hü­gel südwestlich von Temp­le Bar. Da die meisten Häu­ser aus Holz waren, sind mit Dublin Castle (1205, im 18. Jh. umgebaut), Christ Church (1172) und St Patrick’s Cathe­dral (1190) nur noch wenige Spuren die­ser Zeit erhalten ge­blie­ben.

      Das folgende Kapitel ist zunächst in der Reihenfolge zweier Rundgänge auf­ge­baut, die beide an der O’Connell Bridge beginnen. Hier werden die Sights auf dem Südufer vorgestellt, hier jene auf der Nordseite der Liffey. Dann folgen ab hier die Se­hens­würdigkeiten außerhalb des Stadt­zen­trums.

       4 Tage Dublin

      Was tun? Die Antwort ist natürlich subjektiv und wird je nach Ge­schmack und Wet­ter anders ausfallen. Hier trotzdem ein Vor­schlag, wie Sie vier Tage Dublin verbringen und dabei viel sehen und erleben können.

      1. Tag: Trinity College mit Book of Kells; Bummel entlang der ge­or­gia­ni­schen En­sembles am St Ste­phen’s Green oder Mer­rion Square und auf der Shop­ping­meile Graf­ton St. Schlecht­wet­ter­al­ter­native: Kunst in der Na­tionalgalerie oder Ches­ter Beat­ty Library und über­dachte Shop­pingmalls. Abends in einen Pub.

      2. Tag: Bummel über die O’Connell St, Flussfahrt auf der Liffey, Aus­flug mit der DART entlang der Küs­te zum Joyce-Tower nach Dun Lao­ghai­re. Abends nach Harold’s Cross zum Grey­hound-Rennen.

      3. Tag: Gefängnis Kilmainham Gaol, Museum für moderne Kunst IMMA, dann ins Guinness Storehouse samt einem Bier in der Gravity Bar.

      4. Tag: Führung Marino Casino und Ausflug auf die Halb­in­sel Howth mit Klip­pen­wanderung. Schlecht­wetter­al­ter­n­a­ti­ve: Malahide Cas­tle. Abends je nach Ge­schmack Mu­si­cal oder Literary Pub Crawl.

      Das auf einer Fläche von 2 km2 angelegte College ist mit seinen düs­teren Ge­bäuden aus dem 17. bis 19. Jh., den kopf­stein­gepflas­ter­ten Höfen und den Sportflächen ein Musterbeispiel für einen eng­lischen Campus, wie man ihn auch in Oxford oder Cambridge fin­det.

      Irlands angesehenste Hochschule wur­de 1592 von Elisabeth I. auf dem Ge­län­de ei­nes enteigneten Klosters ge­grün­det, das wiederum an der Stelle des städ­tischen Fried­hofs der Wikingerzeit stand. Am Front Gate, dem 1752-59 er­rich­teten Haupt­eingang, stehen die Sta­tuen des Philosophen Edmund Bur­ke (1729-97) und des Dichters Oliver Gold­smith (1730-74) stellvertretend für viele andere Geis­tes­grö­ßen, die am Tri­nity College stu­dierten oder lehrten, bei­spielsweise Jo­nathan Swift („Gul­li­vers Reisen“), Bram Stoker (Erfinder des Grafen Dra­cula), Wolfe Tone (iri­scher Politiker und Freiheitsheld) und Sa­muel Beckett („War­ten auf Godot“).

      ♦ Führungen über das Universitätsgelände mit der „Trinity College Walking Tour“, tägl. 9.45-16 Uhr ab dem Informationsschalter im Haupt­ein­gangs­bereich. 15 €/Pers., mit Ein­tritt zum „Book of Kells“.

      Mit Bildung gegen die „Papisten“

      Erst seit 1793 nimmt die University of Dublin, wie das Trinity College heute of­fi­ziell heißt, auch Nichtprotestanten auf. Und noch bis 1966 bedurfte je­der Katholik, um am Trinity College stu­die­ren zu dürfen, einer Aus­nah­me­ge­nehmigung seines Bischofs - ohne den Dispens hätte ihn der Bannstrahl der Exkommunikation ge­troffen. Die Hochschule war lange eine Bastion des anglo-iri­schen Protestantismus, die verhindern sollte, dass junge Iren zum Stu­dieren auf den Kontinent gingen und dort vom „Papismus“ und des­sen fal­schen Lehren infiziert würden. Der erste Rektor war Erz­bi­schof James Uss­her, dessen herausragende „wissenschaftliche“ Lei­s­tung die Datierung des Weltanfangs auf das Jahr 4004 v. Chr. war.

      Durch den von der Chapel und Exam Hall flankierten Front Square kommt man auf den Library Square, den Haupt­platz der Universität. Der Cam­pa­nile (1853) auf der Mitte des Platzes mar­kiert in etwa die Stelle, wo das alte Klos­ter stand. Nörd­lich davon, neben der Ka­pel­le befindet sich die Dining Hall (1743), ursprünglich ein Werk des deutsch­stäm­migen Richard Cassels, der uns noch als Architekt der präch­ti­gen Land­sitze im Umland Dublins be­geg­nen wird. Hier am College müs­sen ihm al­lerdings grobe Schnit­zer passiert sein, denn das Gebäude war un­zu­re­i­chend fun­damentiert und muss­te schon 1758 ab­getragen und neu auf­ge­baut wer­den.

      In­wie­weit es noch Cas­sels’ Entwurf ent­spricht,