Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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es doch die Black Queen, die als erste die Nerven verlor. Sie ließ die Segel setzen. Jaime Cerrana und die Kapitäne an Bord der „Vascongadas“ und der „Buena Estrella“ folgten ihrem Beispiel, die Galeonen gingen auf Kurs.

      Vom Bug der „Caribian Queen“ löste sich ein Schuß – eine Drehbasse war gezündet worden. Der Schuß raste hoch und senkte sich bogenförmig auf das Wasser, er lag vor dem Bug der „Isabella IX.“. Eine Wasserfontäne stieg auf, bildete eine Schaumkrone und fiel rauschend wieder in sich zusammen. Das war der Auftakt zum Gefecht.

      „Anluven!“ schrie die Black Queen. „Kurs Norden! Eine volle Breitseite abgeben!“

      Die Rauchwolke, die von der vorderen Drehbasse aufgestiegen war, verpuffte, mit fliegenden Fingern lud der Geschützführer nach. An den Steuerbordkanonen hockten die Piraten bereit zum Schuß. Das Schiff legte sich an den Wind und krängte nach Backbord, eine unsichtbare Macht schien sich gegen die Bordwand zu stemmen. In engem Bogen holte das Schiff herum, und die Mündungen der Kanonen richteten sich auf die „Isabella“, die ihren Kurs nicht geändert hatte und tollkühn auf den Gegner zuhielt.

      Willem Tomdijk fuhr sich mit der Hand an den Hemdkragen. Ihm war plötzlich sehr heiß, und er schwitzte am ganzen Körper. Welcher Teufel hatte ihn geritten, als er sich dazu entschlossen hatte, an Deck zu bleiben? Warum floh er nicht?

      Er war versucht, das Achterdeck zu räumen, aber irgend etwas hielt ihn fest. Er war unfähig, sich zu rühren. Und dann war es auch schon zu spät, noch etwas zu unternehmen. Das Gefecht begann.

      „Feuer!“ schrie die Queen.

      Die Geschützführer der Steuerbordseite senkten ihre glühenden Luntenstöcke auf die Bodenstücke der Kanonen. Es zischte und funkte, dann lösten sich die Kugeln mit urweltlichem Donner aus den Rohren. Das ganze Schiff erbebte unter dem Krachen und Grollen, die Kanonen rumpelten auf den Hartholzrädern ihrer Lafetten zurück. Dröhnend raste die Breitseite auf die „Isabella“ zu.

      Der Seewolf hielt hartnäckig den Kurs. Die „Isabella“ wandte der „Caribian Queen“ ihre Bugpartie zu und bot eine relativ geringe Angriffsfläche. Wie auf Kommando lagen die Männer bäuchlings auf den Planken – keine Sekunde zu spät, denn die Kugeln waren heran.

      Vier, fünf Stück flogen vorbei, an Backbord und an Steuerbord, doch der Rest der Ladung lag im Ziel. Es krachte, prasselte, knackte und barst, und etwas schien von unten her die Galion aufzuschlitzen. Der Bugspriet ruckte hoch, die Blinden flatterten an ihren Rahen, Hämmer schienen gegen die vordere Querwand der Back zu schlagen. Trümmer wirbelten durch die Luft und landeten auf dem Hauptdeck und dem Quarterdeck, so heftig war der Aufprall.

      Al Conroy und Smoky rollten auf der Back bis zur achteren Balustrade, rappelten sich fluchend wieder auf und stürzten zurück zu den Drehbassen. Sie waren unverletzt. Auf dem Hauptdeck rieb sich Bob Grey den Hinterkopf, er war von einem Plankenteil getroffen worden. Aber außer einer Beule hatte auch er nichts abbekommen.

      „Drehbassen – Feuer!“ schrie der Seewolf.

      Belfernd entluden sich die Hinterlader. Sie ruckten in ihren Gabellafetten, und fast wirkte es so, als würden sie sich losreißen. Doch die Balustrade der Back war nicht so stark beschädigt, wie es anfangs den Anschein gehabt hatte. Auch der Bugspriet stand noch, und die Löcher in der Galion und im Bug lagen zum Glück oberhalb der Wasserlinie.

      Noch während die Drehbassenkugeln zum Feind hinüberflogen, gab Hasard den Befehl zum Anluven. Wie die „Caribian Queen“ legte sich die „Isabella“ auf Kurs Norden. Die Black Queen versuchte unterdessen, vom Wind abzufallen und eine Halse zu fahren, aber sie war nicht schnell genug.

      Wieder schrie der Seewolf „Feuer“, und die Siebzehn- und Zwanzigpfünder der Backbordseite spuckten Eisen, Feuer und Rauch aus.

      Drei Löcher hackten die Kugeln in die Bordwand der „Caribian Queen“, drei weitere Kugeln heulten flach über die Decks weg. Die Piraten brüllten auf. Wassersäulen stiegen neben der Bordwand auf, die Gischt näßte die Decks der „Caribian Queen“. Es gab einen Toten und zwei Verletzte, und das Wutgeheul der Kerle ging in dem Johlen und Pfeifen der Arwenacks unter.

      „Halsen!“ schrie Hasard. „Näher an den Feind heran! Steuerbordgeschützfeuer – bereithalten! Shane, Batuti – die Brandpfeile einsetzen! Ferris!“

      „Klar zum Feuer, Sir!“ rief der rothaarige Riese.

      Die „Buena Estrella“ war unterdessen nach Nordosten abgelaufen und griff die „Le Vengeur III.“ an. Die „Aguila“ und die „Vascongadas“ hielten Kurs auf Gran Cayman und versuchten, den schwarzen Segler in die Zange zu nehmen. Auf allen Schiffen donnerten die Kanonen, ein ohrenbetäubendes, gewaltiges Grollen rollte über die See. Bordwände zitterten, Masten erbebten, Trümmer flogen hoch durch die Luft. Männer schrien, und die See war von rauschenden Fontänen aufgewühlt.

      Willem Tomdijk war leichenblaß, ihm drohten die Sinne zu schwinden. Er wich bis an die Heckreling zurück und versuchte, in dem Durcheinander, dem tosenden Inferno und heulenden Irrsinn noch etwas Klares zu erkennen. Es gelang ihm nicht. Fetter schwarzer Rauch zog in dichten Schwaden über die See und hüllte die Schiffe ein. Wo war der Gegner, wo die Verbündeten? Willem wußte es nicht mehr.

      Er sah die Queen und Caligula wie Schemen auf und ab eilen und hörte ihre gebrüllten Befehle. Die „Caribian Queen“ hatte ihre Halse vollendet, und jetzt brüllten die Backbordgeschütze wie todwunde Riesentiere. Feuerblitze stachen wie dicke Keile in die Luft, und plötzlich jaulten auch wieder die Kugeln des Feindes heran. Ein Stakkato von Einschlägen traktierte die „Caribian Queen“, die Kerle fluchten und schrien. Willem sank auf die Knie und stieß ein jammerndes Gebet aus.

      Etwas huschte auf ihn zu, er warf sich hin. Eine Kugel – sie riß ein Stück der Reling mit, taumelte der See entgegen und landete mit einem Zischen im Wasser.

      Willem kroch wie von Sinnen weiter nach achtern. Er hatte begriffen, daß er nur wie durch ein Wunder dem Tod entgangen war. Er war seinem Schicksal ausgeliefert, jeden Augenblick konnte eine neue Kugel nahen, die diesmal seinem Leben ein jähes Ende setzte. Er wollte nicht sterben, aber er wußte nicht, wo er sich verkriechen sollte.

      Die „Caribian Queen“ luvte wieder an, die Lage des Schiffskörpers veränderte sich. Die Krängung brachte Willem ins Rutschen – und mit einem schrillen Schrei schoß er durch die Lücke in der Heckreling. Er konnte sich nicht mehr festhalten, nichts hielt sein Abgleiten auf. Brüllend segelte er durch die Luft und verschwand mit einem gewaltigen Klatscher im Wasser.

      Der Queen war es jedoch nicht entgangen.

      „Mann über Bord!“ schrie sie. „Fischt ihn wieder auf! Es ist der Dicke!“

      Pitcairn, ihr bester Schwimmer, mußte über das Schanzenkleid der Kuhl außenbords springen. Er tauchte mit einem Kopfsprung unter, schoß wieder hoch und hielt mit schnellen, knappen Zügen auf den zappelnden, wasserschluckenden Willem zu.

       11.

      Das mörderische Gefecht tobte hin und her. Eine Höllenflasche der „Isabella“ landete zischend auf dem Hauptdeck der „Caribian Queen“, Brand- und Pulverpfeile, von Shane und Batuti abgeschossen, stachen in die Takelage und setzten die Segel in Brand. Die Black Queen setzte sich mit allen Mitteln zur Wehr, aber sie mußte einen Teil ihrer Crew dazu abkommandieren, die hier und da aufflackernden Feuer zu löschen.

      Die Explosion der Flaschenbombe riß ein Loch in die Planken, und zwei Piraten wälzten sich verletzt neben dem Großmast und stießen entsetzliche Laute aus. Pausenlos gellten die Befehle der Black Queen über die Schiffsdecks, aber sie konnte die entstehende Wuhling kaum noch verhindern.

      Caligula griff sich eine neunschwänzige Katze und hieb damit wutentbrannt auf die Kerle ein. Er war außer sich vor Zorn und Haß. Aber sein Fluchen nutzte ihm nichts, es änderte nichts an der prekären Lage, in der sich die „Caribian Queen“ plötzlich befand.

      Um sich vor neuen Höllenflaschen und Brandpfeilen zu schützend